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20.02

In diesem Beruf gibt es keinen Alltag – Moderatorin Sandra Rieß im Gespräch

von Lisa Priller Gebhardt unter TV

Sandra Rieß moderiert dieses Jahr die Galapremieren für die 68. Berlinale 2018. Auf Blmplus berichtet sie, wie sie zum Fernsehen kam und welche Rolle die lokalen Medien dabei spielten.

„Ich habe beim lokalen Sender so viel gelernt wie später nirgends mehr“

Die TV-Journalistin und Moderatorin Sandra Rieß stammt aus Nürnberg und hat bei Franken Fernsehen volontiert. Von dort wechselte sie zum BR und übernahm die Moderation von „on3-Südwild“. Heute lebt und arbeitet die 31-Jährige in Berlin. Highlights ihrer noch jungen Karriere waren unter anderem die Moderation des Vorentscheids zum Eurovision Song Contest der ARD und ProSieben oder auch Backstage-Interviews mit Stars wie Lenny Kravitz für „Wetten dass..?!“. Aber auch politische Sendungen wie „Wähl mich!“ im ZDF oder „ZDFlogin“ sind Teil ihres beruflichen Werdegangs. Wir haben uns zum Gespräch per Skype verabredet. In Jeans, Pulli und Haussocken macht Sandra Rieß es sich auf ihrer Wohnzimmer-Couch bequem.

Sandra Rieß

Sandra Rieß war es schon als Schülerin gewohnt, auf der Bühne zu präsentieren / Foto: Katharina Hinze

Frau Rieß, stimmt es eigentlich, dass ein Billy-Regal für Ihre Karriere verantwortlich ist?

Lacht herzhaft. Ja, das war eine unglaublich kreative Aufgabe, die sich der BR da hat einfallen lassen. Für das Casting zur Sendung „on3-Südwild“ musste man ein Billy-Regal aufbauen und gleichzeitig ein Interview führen. Das mit dem Regal hat nicht so furchtbar gut geklappt, aber das Interview war scheinbar recht passabel. Auf jeden Fall gewann ich das Casting und durfte das Format moderieren. So kam ich von Franken Fernsehen zum BR.

Und was hat Stefan Raab mit Ihrer Karriere zu tun?

„Schon in der Schulzeit wollte ich Journalistin werden“

„Südwild“ lief nachts in der Wiederholung im BR, wo mich Stefan Raab beim Durchzappen entdeckt hat. Das war just zu der Zeit, als eine Moderatorin für den Vorentscheid des „Eurovision Song Contests“ gesucht wurde. Raab wollte mich selbst anrufen, aber seine Mitarbeiterinnen rieten energisch ab. ‚Das kannst du dem jungen Mädchen nicht antun, die denkt, sie wird verarscht!‘ Dafür hat sich dann der Unterhaltungschef von der ARD Thomas Schreiber bei mir gemeldet. Für mich war das wie ein Sechser im Lotto. Denn normalerweise kommt man als Neuling nicht ohne Casting an so eine große Sendung ran. Da hatte ich – Raab sei Dank – wirklich sehr viel Glück.

Plötzlich standen Sie statt auf bayerischen Marktplätzen in einer Halle vor 1000 Leuten. Wie schafft man das, ohne zu hyperventilieren?

„Mit Bauchatmung versuche ich, die größte Nervösität in den Griff zu kriegen“

Ich hatte tatsächlich Schnappatmung. Inzwischen versuche ich die größte Nervosität mit der typischen Bauchatmung in den Griff zu kriegen. Außerdem bediene ich mich ab und zu einer Notlüge. Auf die Frage: ‚Und, bist schon recht aufgeregt?‘, antworte ich inzwischen unwahrheitsgemäß: ‚Nö, geht schon‘, sonst steigere ich mich nur weiter rein.

Wann war Ihnen klar, dass Sie Journalistin werden wollen?

Schon in der Schulzeit. Ich war immer gut in Deutsch und habe viel für die Schülerzeitung geschrieben. Außerdem habe ich jahrelang Theater und Musical gespielt. Ich war es gewohnt, auf der Bühne zu präsentieren. Da passte der Beruf TV-Journalistin doch wie die Faust aufs Auge.

„Meine Mutter wollte, dass ich Deutschlehrerin werde“

War das auch der Brotberuf, den sich Ihre Eltern für Sie vorgestellt hatten?

Meine Mutter hätte sich für mich einen sichereren Job gewünscht. Sie wollte gerne, dass ich Deutschlehrerin werde. Meine Vorstellung war eine andere. Ich bin glücklich mit meiner Wahl, auch wenn dieser Job vielleicht mehr Auf und Abs hat als andere. In diesem Beruf gibt es keinen Alltag. Und das find ich schön.

Sie haben in Bayreuth Theater und Medien studiert und dann bei Franken Fernsehen in Nürnberg volontiert. Inzwischen leben und arbeiten Sie in der Hauptstadt. Was haben Sie an Wissen aus der Provinz mitgenommen?

„Das Gute an einem kleinen Sender ist doch, dass man einfach ins kalte Wasser geworfen wird“

Ich habe bei dem lokalen Sender so viel gelernt wie später nirgends mehr. Wir haben nicht nur die ganze Bandbreite der redaktionellen Arbeit mitbekommen, sondern auch noch analog geschnitten und gelernt, wie man Beiträge vertont. Das merkt man zwar erst später, aus der Distanz, aber das Gute an einem kleinen Sender ist doch, dass man einfach ins kalte Wasser geworfen wird. Alles, was ich damals gelernt habe, hilft mir noch heute. Ich moderiere ja nicht nur, ich arbeite auch redaktionell. Einen Großteil meiner Zeit verbringe ich tatsächlich damit, Themen zu finden, Inhalte zu recherchieren und Moderationen zu schreiben.

Sie geben Ihr Wissen auch gerne weiter, wie beispielsweise im vergangenen Herbst bei dem BLM-Seminar „Reporter on location“. Warum?

„Die Reporter von lokalen Sendern haben die größte Erfahrung“

Mir ist es wichtig, den Teilnehmern Selbstvertrauen zu geben, denn ich kann mich noch gut erinnern, wie das damals bei mir war, als junge Mitarbeiterin in einem kleinen Sender. Man hatte ab und an das Gefühl im Mikrokosmos des Lokalen unterwegs zu sein, mit dem Stempel: ‚Ach, das ist nur die vom Lokalfernsehen‘. Dabei haben Reporter von kleinen Sendern die größte Erfahrung, weil sie permanent praktisch arbeiten und sogar meist selbst die Kameras bedienen müssen. Während ihre Kollegen bei großen Sendern darauf warten, mal einen oder zwei Beiträge im Monat zu machen.

Sie hatten bei „Wetten dass…?!“  internationale Stars vor dem Mikro, vor der letzten Bundestagswahl haben Sie für das Jungwähler-Format „Wähl mich!“ im ZDF für junge Politiker deren Wunschwähler gesucht. Was bereitet Ihnen mehr Spaß, Unterhaltung oder Politik?

Am besten gefällt mir, wenn man beides zusammenführen kann. Wie beispielsweise bei „Wähl mich!“. Das hat unglaublich viel Spaß gemacht. Ein Lehrer hat sich sogar schriftlich bei mir für die Sendung bedankt. Er hat sie mit seiner Klasse angeschaut, um den Schülern beizubringen, wie Politik funktioniert. Das war das größte Lob für mich!

Dann hatte Ihre Mutter vielleicht doch recht mit der Deutschlehrerin?

Oh mein Gott! Hilfe! Ja!

 

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