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„Guter Journalismus braucht Freiräume“ – Hans Demmels Karriere out of Rosenheim

von Lisa Priller Gebhardt unter TV

Hans Demmel ist in Wagrain geboren, hat das journalistische Handwerk beim Oberbayerischen Volksblatt gelernt und ist heute Vorstandsvorsitzender des Verbandes privater Medien, VAUNET. Ein Gespräch über seine Karriere „out of Rosenheim“ und die Bedingungen für guten Journalismus.

Hans Demmel hat seine journalistische Karriere in Rosenheim im Chiemgau begonnen, als Volontär beim Oberbayerischen Volksblatt. Nach Stationen beim Bayerischen Rundfunk, Sat.1 und RTL war er für den Nachrichtensender n-tv verantwortlich. Seit kurzem ist er dort raus. Der Medienprofi kümmert sich als Vorstandsvorsitzender des VAUNET aber weiter um die Belange der privaten Hörfunk- und Fernsehsender. BLMplus sprach mit ihm im Münchner Literaturcafe über seine journalistischen Wurzeln in der lokalen Medienlandschaft, warum man nie Namen von Anzeigenkunden falsch schreiben sollte und was seine gröbste Fehleinschätzung war.

Hans Demmel, Vorstands-vorsitzender beim VAUNET. Fotos: Lisa Priller-Gebhardt

Herr Demmel, Sie hatten zwölf Jahre – wie Sie selbst sagten – „den besten Job, den es im Privatfernsehen gibt“. Jetzt ist damit Schluss. Wie fühlt sich das für einen Vollblutjournalisten an?

Ehrlich gesagt ist das sehr gewöhnungsbedürftig. Es fühlt sich fast ein bisschen an wie Liebeskummer, auch wenn die Entscheidung zu gehen, letztlich von mir kam. Ich muss mich jetzt mit der Frage auseinandersetzen, was ich künftig tun werde. Mit 62 fühle ich mich noch zu jung für die Rente, aber es gibt da ein paar Ideen. Möglicherweise mache ich auch endlich das, was ich vor 40 Jahren schon machen wollte: Literaturwissenschaften studieren.

„Volontariate bei lokalen Medien werden unterschätzt“

Sie haben nach dem Abitur ein Volontariat beim Oberbayerischen Volksblatt in Rosenheim gemacht. Ist der Start bei einem lokalen Medium der bessere Weg in den Journalismus?

Ja, denn leider wird gerade in Zeiten von Instagram, Twitter und Co ein Volontariat bei lokalen Medien stark unterschätzt. Ich finde: Ganz egal, bei welchem Medium man später arbeiten möchte: Schreiben ist die Basis. Und das lernt man am besten, wenn man möglichst schnell möglichst viel – und im Übrigen auch mit einer direkten Kontrolle – produziert.

Direkte Kontrolle? Das müssen Sie erklären.

Wenn Sie einmal den Vornamen eines Großmetzgers falsch geschrieben haben, der noch dazu ein wichtiger Anzeigenkunde ist, bringt Ihnen bei einer Lokalzeitung der Verleger sehr schnell bei, was eine handfeste Recherche ist.  Bei lokalen Medien haben Sie eine ganz andere Gegenkontrolle. Relotius-ähnliche Vorfälle funktionieren da nicht.

Sie selbst haben eine richtige Kamin-Karriere hingelegt. 40 Jahre im Journalismus – vom Volontär zum langjährigen Senderchef. Solche Karrieren sind heute kaum mehr zu finden. Woran liegt das?

Natürlich ist eine fundierte Ausbildung die beste Basis für eine Karriere, aber ich hatte auch das Glück, häufig zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Unterdessen mache mir angesichts der aktuellen Entwicklungen – vor allem in den Printmedien – schon ein wenig Sorgen. Inzwischen herrscht ein brachialer Arbeitsdruck. Guter Journalismus braucht Freiräume und die werden immer enger.

„Das lineare Fernsehen stirbt nicht so bald aus“

Macht eine Ausbildung zum Fernsehjournalisten heute überhaupt noch Sinn, wenn statt linearem TV zunehmend nachrichtenfreie Angebote wie Amazon und Netflix genutzt werden?

Warten wir’s ab, wie lange es noch dauert, bis Netflix auch Nachrichten sendet. Nein, im Ernst, für qualitativ gut gemachte News und Dokumentationen wird es immer eine Nachfrage geben. Dafür braucht es Journalisten, die die Hintergründe beleuchten. Und außerdem glaube ich nicht, dass das lineare Fernsehen so bald ausstirbt.

Hans DemmelSind Sie auch privat ein Newsjunkie?

Auf den ersten Plätzen auf unserer Fernbedienung daheim sind sämtliche verfügbaren Nachrichtensender programmiert. Ich lese quer durch alle Blätter. Und es macht mich nervös, wenn ich im Flieger zwei Stunden nicht auf meine n-tv App schauen kann.

Sie waren vor Ihrem Wechsel ins Privatfernsehen auch elf Jahre beim Bayerischen Rundfunk als Reporter und Redakteur tätig. Was hat Ihnen die Zeit bei der öffentlich-rechtlichen Anstalt gebracht?

Ich habe dort gelernt, mit Bildern umzugehen und Filme zu machen. Die unglaubliche Bandbreite von Themen – von Nachrichten für die Rundschau und Interviews für die Tagesschau – hat mich fasziniert. Ich war damals 22 und der ursprüngliche Plan war, mit dem Job beim BR das Studium zu finanzieren. Ich wollte ein, zwei Tage die Woche arbeiten und die restliche Zeit an der Uni sein. Bald schon war‘s anders herum, denn jede Landtagssitzung hat mich mehr begeistert als ein Proseminar über die Staufer.

Seine gröbste Fehleinschätzung: Aus dem Privatfernsehen wird nichts

Nach Ihrem Start beim BR kam wenig später das Privatfernsehen auf …

Das habe ich quasi aus der Ferne beobachtet und ich muss gestehen, dass ich ein paar glühende Beitrage darüber gemacht habe, dass das mit dem Privatfernsehen sowieso nichts wird. Diese Fehleinschätzungen schlummern vermutlich heute noch im BR-Archiv.

Sie bleiben dem VAUNET (Verband privater Medien) als Vorstandsvorsitzender treu. Seit Jahren warnen Sie vor der verschärften Konkurrenz durch ARD und ZDF, die konstant neue Angebote draufsatteln. Fühlt sich das nicht an wie ein Kampf gegen Windmühlen?

Das fühlt sich in der Tat häufig so an. Aber grundsätzlich sehen wir uns nicht als Gegner des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Was jedoch wirklich problematisch ist, ist die Tatsache, dass es inzwischen 21 TV-Sender, 72 Hörfunksender und über 100 Webadressen gibt. Das sind viel zu viele Kanäle, die den Privatanbietern die Luft nehmen. Letztlich pumpen die Sender damit nur die US-Giganten mit hervorragend gemachtem Material voll. In der Konsequenz zahlen wir Gebühren dafür, dass Facebook im Umfeld Werbegelder einnimmt. Das kann‘s nicht sein.

In der Portrait-Reihe über Persönlichkeiten aus der Radio und Fernsehbranche, deren journalistische Wurzeln in der lokalen Medienlandschaft Bayerns liegen, ist Hans Demmel nun nach Hannes Ringlstetter, Ralph Fürther und Elke Schneiderbanger das vierte Beispiel.

 

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