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27.08

Film & Fernsehen: Eine Branche mit Nachwuchssorgen

von Lisa Priller Gebhardt unter TV

Der Fachkräftemangel hat die Filmproduktionsbranche voll erwischt. So stark, dass mitunter Produktionen verschoben werden müssen, weil kein komplettes Team zur Verfügung steht.

Axel Kühn

Axel Kühn, Geschäftsführer Tresor TV

Das ist Axel Kühn, Chef der Produktionsfirma Tresor TV, zwar noch nicht passiert, aber der Nachwuchsmangel treibt auch ihn um. Es fehlt in allen Gewerken. „Inzwischen sind alle Posten schwer zu besetzen, doch bei den Cuttern ist der Mangel am größten“, sagt Kühn, der unter anderem Primetime-Shows wie „Masters of Dance“ produziert. Gerade in München ist der Markt besonders eng.

Dass sich der Fachkräftemangel in kurzer Zeit so zugespitzt hat, liegt auch daran, dass die Sender viel mehr Produktionen in Auftrag geben, als noch vor fünf Jahren. Obendrauf kommen noch die Produktionen für die Streamingdienste wie Amazon und Netflix. Bei einer achtteiligen Serie sind die Fachkräfte wesentlich länger gebunden, als für einen Kino- oder Fernsehfilm.

Mit vereinten Kräften gegen ein wachsendes Problem

Eine Herausforderung, der auch die Produzentenallianz mit dem Programm PAIQ  (Produzentenallianz-Initiative für Qualifikation) versucht, Herr zu werden.

Geschäftsführerin Juliane Müller arbeitet mit Hochdruck daran, bereits im nächsten Jahr eine Cutter-Ausbildung anbieten zu können. Ob über ein Volontariat, das interne und externe Schulungen anbietet oder über die Möglichkeit, Mediengestalter zusätzlich für den Schnitt auszubilden, muss sich noch entscheiden. Derzeit findet eine Bedarfsabfrage unter den Produzenten statt. Zusätzlich bietet die PAIQ seit kurzem auch Lernmodule in den Bereichen Storytelling, Dramaturgie, Kamera und Farbkorrektur an. Jobfelder, in denen Spezialisten fehlen.

Juliane Müller

Juliane Müller, Geschäftsführerin PAIQ

Doch auch im redaktionellen Bereich plagen viele Produzenten Sorgen. „Während früher Volontariate unter der Hand vergeben wurden, schreiben wir die Stellen heute aus“, so Kühn. Und auch nicht mehr nur auf dem Jobportal von DWDL, sondern auch auf Stepstone, Indeed, LinkedIn und Xing. Das geht nicht nur ins Geld – das kostet auch Zeit. „Wir können uns glücklich schätzen, wenn drei Bewerbungen eingehen“, sagt der Tresor-TV-Chef.

Ein gelungener Mix aus Praxis und Theorie

Hier bietet die PAIQ journalistische Volontariate an den Medienstandorten Köln, Berlin und München an. Beim sogenannten Entertainment Volontariat, kurz E!Volo, geht es um den Bereich Produktion mit Schwerpunkt TV-Unterhaltung. Bei dem erst im vergangenen Jahr ins Leben gerufene audiovisuelle Produktion, kurz AV!Volo, werden genreübergreifend Kenntnisse und Fertigkeiten für die Produktionen von Inhalten für Fernsehen, Kino, Web und Werbung vermittelt. Volontäre und Unternehmen bewerben sich in der Regel gemeinsam. Die praktische Ausbildung erfolgt im Betrieb, die theoretische über die PAIQ. Münchner Produktionsfirmen wie Caligari, Hager Moss, Janus TV oder Lieblingsfilm nutzen das Angebot bereits.  Es ist ein erster Schritt, doch weitere müssen folgen.

Executive Producer sind landauf landab heute Mangelware. Ein Beruf, der in keiner Ausbildungsordnung steht. Hier gilt es, sich über Jahre vom Redaktionsassistenten zum Redakteur und dann zum Junior-Produzenten hochzudienen, um dann irgendwann in die erste Reihe zu springen. Das sei früher einfacher gewesen, meint Kühn. „Heute fehlen Experimentierfelder wie Viva oder MTV sowie Sendeformate in der Daytime der großen Sender, in denen man erst einmal Erfahrung sammeln kann.“

Im Hochschulbereich entstehen neue Angebote

So plant die Constantin Film nun mit Hochschulpartnern die Einführung eines dualen Studiengangs. Mit dieser Initiative sollen besonders die Berufe im Produktionsbereich gefördert werden. Dort fehlen dem Münchner Produzenten am meisten Spezialisten. Auch bei der HFF soll ein zusätzlicher Studiengang entstehen.

Die Attraktivität des Fernsehens habe gerade bei der jungen Zielgruppe in den letzten Jahren schwer gelitten, räumt Kühn ein. „Die Film- und TV-Produktionsbranche ist nicht mehr sexy“, so der Produzent. Außerdem gebe es inzwischen Unternehmen, die für Kreative weit attraktiver seien. Konzerne wie Google, Porsche, BMW produzieren heute ebenfalls Medieninhalte und gelten als attraktive Arbeitgeber. In der Filmbranche sind dagegen befristete Arbeitsverträge, lange Arbeitstage, projektbezogene Einsatzorte immer noch die Regel. „Die jungen Menschen können es sich heute leisten, sehr wählerisch zu sein“, sagt Kühn.

3 Kommentare

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3 Kommentare zu: Film & Fernsehen: Eine Branche mit Nachwuchssorgen

  1. Sascha P. sagt:

    Attraktivität der Arbeit definiert sich eben nicht nur über tolle und spannende Aufgaben und die Möglichkeit kreativ werden zu dürfen, sondern auch über eine gute Bezahlung. Kein Wunder, das andere Branchen da locker gewinnen 😉

  2. Jerry Klarkson sagt:

    Guten Tag,
    nun muss ich aber mein Argument abgeben. Ich bin Autor und auch Drehbuchautor und sehe es wird in Bereich Storytelling gesucht. Entschuldigung das ich nicht Lache. Sämtliche Drehbücher von mir die ich an Produktionen etc beworben habe wurden abgelehnt da es hieß wir greifen auf Stammautoren zurück. Wie kann also ein Leidenschaftlicher Autor dann an Produktionen kommen. Irgendwas also läuft in diesem Geschäft mehr als Schief.

    Viele Grüße Jerry Clarkson

  3. Franz-Josef Bäumel sagt:

    Die große Nachwuchssorge könnte wahrscheinlich mit den unglaublich schlechten Arbeitsverträgen und Arbeitsbedingungen zusammenhängen, die in der Branche gelten! Ich kenne zahlreiche aktive und ehemalige Angestellte bei Film- und Fernsehproduktionsfirmen, die seit Jahren keinen Urlaub gemacht haben und sich von Sechs-Monats- zu Sechs-Monats-Vertrag hangeln, ohne Festanstellung oder die Möglichkeit zu einer Beförderung in Sicht. Und dann werden sie irgendwann nach mehreren Jahren doch aussortiert – weil ein frischer Uni-Abgänger einfach weniger kostet. Das kann einem auch den schönsten Traumjob, dem man mit vollem Herzblut nachhängt, verderben. Hier dann von „Fachkräftemangel“ zu sprechen klingt schon nach blankem Hohn!

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