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23.04

Goldene Zeiten für Fiction made in Germany

von Lisa Priller Gebhardt unter TV

Vom 09.-12. April fand die Fernsehmesse MIPTV in Cannes statt. Unsere Autorin war vor Ort, um sich einen Eindruck von den Filmen „made in Germany“ zu verschaffen und ist begeistert. Auch beim Film ist die Herkunftsbezeichnung „made in Germany“ zum weltweit führenden Qualitätssiegel avanciert – lokale TV-Produktionen funktionieren heute auf Augenhöhe mit internationalen Produktionen. Zu verdanken ist das auch den Streamingdiensten. So genießen Zuschauer Filme in Kinoqualität und Produzenten begrüßen die zusätzlichen Abnehmer für ihre Stoffe.

Fiction „made in Germany“ auf Augenhöhe mit internationalen Produktionen

Dem Filmproduzenten Oliver Berben entgeht so leicht nichts. Als die Besucher der Fernsehmesse MIPTV in Cannes vorab einen Blick auf die erste Folge seiner ZDF-Produktion „Die Protokollantin“ werfen dürfen, sitzen nicht nur 1400 Zuschauer im Saal, sondern auch die Filmcrew und der Constantin-Vorstand selbst. „Nur ein einziger Zuschauer ist kurz zum Telefonieren raus und kam gleich wieder“, freut sich Berben. Alle anderen seien von der ersten bis zur letzten Minute dabei geblieben.

Streamingdienste haben Serienproduktion ordentlichen Schub verliehen

Oliver Berben mit Mutter und Hauptdarstellerin Iris Berben in "Die Protokollantin" auf dem rosa Teppich in Cannes / Foto: ZDF/MOOVIE GmbH/Alexander Fischerkoesen

Oliver Berben mit Mutter und Hauptdarstellerin Iris Berben und den Darstellern von „Die Protokollantin“ auf dem rosa Teppich in Cannes / Foto: ZDF/MOOVIE GmbH/Alexander Fischerkoesen

Stoffe wie diese fünfteilige Krimi-Serie stehen stellvertretend für eine neue Entwicklung: Es wird immer häufiger Fernsehen in Kinoqualität produziert, das sich mit internationalen Produktionen messen lassen kann. Nutzerfreundliche Plattformen wie Netflix und Amazon haben der Serienproduktion einen ordentlichen Schub verliehen. „Durch die pure Existenz der Streamingdienste haben sich die Möglichkeiten der Erzählformen verändert“, sagt Oliver Berben.

Stoffe werden heute nicht mehr in 90 Minuten abgehandelt, sondern gehen als mehrteilige Serien on Air. Das hat große Auswirkungen auf die Erzählform, wie Berben erklärt. „Dadurch haben wir die Möglichkeit, uns stärker auf die Charaktere zu konzentrieren“, sagt der Filmschaffende. Das biete die Chance, auch in die Seitenstraßen reinzufahren und sich dort schöne Dinge ansehen. „Man muss nicht mehr auf der Hauptstraße bleiben“, meint Constantin-Vorstand Berben.

Und während früher in englischer Sprache produziert werden musste, um überhaupt konkurrenzfähig zu sein, gelten deutschsprachige Produktionen heute als Qualitätsmerkmal. Es ist ein Indiz für authentisches Erzählen. Aber nicht nur der kreative, auch der wirtschaftliche Ansatz hat sich verändert. „Die Finanzierung wird komplexer“, sagt Berben. Durch die deutlich umfangreicheren Budgets müssen viele Partner zusammenkommen, um Projekte dieser Größenordnung zu stemmen. Beim neuesten Vorhaben der Constantin Film, „Parfum“, sind ZDF Neo, Netflix und die Beta Film von Jan Mojto mit an Bord.

Interesse der internationalen Anbieter früh wecken

Sein Name fällt immer häufiger, wenn es um anspruchsvolle, aufwändig inszenierte Stoffe geht. Als Mitproduzent sichert Mojto mit seiner Vorfinanzierung die Produktionsqualität von großen Stoffen ab. Sein Geld, aber auch sein Mut zum Risiko ermöglichen hochklassige Produktionen, meist mit historischem Hintergrund. Wie beispielsweise auch das 40-Millionen-Euro-Projekt „Babylon-Berlin“.

Mojto sah das Potenzial der Serie und stieg ein, bevor auch nur ein einziger Abnehmer feststand. Bis heute wurde die Serie in fast 100 Länder verkauft. Fertig produzierte Filme in den ausländischen Markt zu bringen, ist weiterhin Teil seines Business. Immer häufiger aber verkauft er Produktionen bereits, wenn sie erst im Idee- oder Konzeptstatus sind. So zeigte Mojto erstmals im Rahmen seines legendären Beta-Brunchs bei der MIPTV im Hotel Majestic in Cannes Bilder aus Serien, die sich noch in der Entwicklung befinden, um das Interesse der internationalen Einkäufer frühzeitig zu wecken.

Von diesem Serien-Hype profitieren will auch Bavaria Fiction, eine Tochter von Bavaria Film und ZDF Enterprises, die gerade dabei ist, ihre Abteilung für internationale Koproduktionen neu zu beleben. Das Unternehmen war in Cannes mit gleich drei großen Projekten präsent: „Das Boot“, eine Koproduktion von Bavaria Fiction, Sky Deutschland und Sonar Entertainment bildete den Auftakt. „Germanized“, eine Serie mit Christoph Maria Herbst, ist sowohl die erste Eigenproduktion der Deutschen Telekom, als auch die erste lokale französische Eigenproduktion von Amazon Prime Video. „Bei ‚Germanized‘ ist es uns gelungen, zwei konkurrierende Plattformen zu gewinnen“, freut sich CCO Oliver Vogel. Für die finnische Streamingplattform Elisa Viihde produzieren die Münchner „Arctic Circle“ mit Maximilian Brückner und Clemens Schick.

„Mit dem originären Programm erreichen wir eine große Zielgruppe“

Content made in Germany spielt für Streaminganbieter inzwischen eine wichtige Rolle. Mit „You are wanted“ – von und mit Matthias Schweighöfer – wagte Amazon in Deutschland ein Pionierprojekt und gewann. Es war die erfolgreichste Serie auf dem Service. „Das zahlt sich für uns aus“, sagt Christoph Schneider, Geschäftsführer von Amazon Prime Video. Er sieht deutsche Eigenproduktionen als „wichtiges Differenzierungsmerkmal“ für seine Plattform. „Mit dem originären Programm erreichen wir eine sehr große Zielgruppe“, sagt Schneider, dessen Contentstrategie weiter auf German Originals, sowohl im fiktionalen als auch im nonfiktionalen Bereich zielt. Lokale Eigenproduktionen sollen helfen, dass Nutzer Amazon ausprobieren und dann zu treuen Abonnenten werden.

Auch Oliver Berben hofft darauf, dass seine Krimi-Serie die Zuschauer zuhause vor dem TV-Gerät bannt und sie von der ersten bis zur letzten Minute dabei bleiben, ähnlich wie die Festivalbesucher in Cannes.

 

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