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26.02

Wie Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändert

von Stefan Bauberger unter Netzwelt

Nimmt Künstliche Intelligenz uns in Zukunft lästige Arbeit ab oder führt sie durch Automatisierung zu Massenarbeitslosigkeit?  Dass KI den Arbeitsmarkt verändert, ist unumstritten. Die Folgen eines verstärkten Einsatzes von KI für die Arbeitswelt und weitere Auswirkungen hat Technik- und Naturphilosoph Prof. Dr. Stefan Bauberger für BLMplus zusammengefasst.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 von Frey und Osborne sind 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA durch Computerisierung gefährdet. Auch Berufe, die bei Diskussionen über Künstliche Intelligenz (KI) wenig beachtet wurden, sind der Studie zufolge bedroht. Dazu gehören Arbeitsbereiche wie Sachbearbeitung, Übersetzung, Journalismus, Logistik, Gastronomie, Landwirtschaft und Industrieproduktion.

Rechnung ist nicht so einfach wie gedacht

Werden uns Maschinen wie Roboy, hier auf den Medientagen 2018, die Arbeit erleichtern? Foto: BLM

Aktuelle Schätzungen ergeben für Deutschland ein Nullsummenspiel durch die Auswirkungen von KI: Für jeden Arbeitsplatz, der verloren geht, entstehe ein Neuer. Doch einige Faktoren beeinflussen diese einfache Rechnung.

Erstens sind in der internationalen Perspektive negative Auswirkungen auf Schwellen- und Entwicklungsländer zu erwarten.

Zweitens wird das Einsparungspotential durch KI erheblich unterschätzt, wenn der Blick nur auf den jeweiligen konkreten Arbeitsplatz gerichtet ist, nicht aber auf neue Prozesse. Dazu ein Beispiel: In den Banken wurden nicht die Mitarbeiter*innen an den Schaltern durch Roboter ersetzt, sondern es wurde das Online-Banking erfunden.

Drittens ist die Geschwindigkeit der Umstrukturierungen ein Problem.

Vertiefung von sozialen Spannungen ist zu erwarten

Viertens ist durch den Einsatz von KI eine Vertiefung der sozialen Spannungen zu erwarten. Hochqualifizierte Arbeitnehmer werden produktiver, niedrig Qualifizierte erledigen Hilfsarbeiten. Bereits jetzt sind durch die Digitalisierung neue ökonomische Strukturen entstanden, die sich im gewaltigen Börsenwert der großen Digitalkonzerne widerspiegeln.

Mehrere Faktoren begünstigen den Wandel hin zur Plattformökonomie: Im Vergleich zum Entwicklungsaufwand sind die Softwarekosten sehr niedrig, so dass der Größte den Markt übernehmen könnte. Auch der Netzwerkeffekt begünstigt große Konzerne. Dazu kommt, dass KI abhängig von einer großen Menge an „Trainingsdaten“ ist. Von denen haben die großen Digitalkonzerne in den USA am meisten zur Verfügung.

Wenn KI den Menschen Arbeit abnimmt, muss die Entschleunigung das Ziel sein

Für mehr Menschlichkeit beim Einsatz von KI plädiert Technikphilosoph Prof. Dr. Stefan Bauberger. Foto: privat

Abseits ökonomischer Zwänge wäre es in einer Welt, in der viele Menschen unter ständigem Stress leiden, zweifelsohne wünschenswert, wenn Maschinen dank KI den Menschen Arbeit abnehmen. Vor allem könnten sie stupide und gefährliche Arbeiten übernehmen.

Doch die Herausforderung bleibt. Werden wir es politisch und gesellschaftlich meistern, diesen Vorgang so zu gestalten, dass er zum Wohl der Gesellschaft verläuft? Also der Entschleunigung dient und die soziale Ungleichheit nicht weiter verstärkt?

KI auch für Überwachung und Manipulation nutzbar

Auch auf andere Bereiche wird KI weitreichende Auswirkungen haben, insbesondere mit Blick auf möglichen Missbrauch. China nutzt heute beispielsweise KI schon für die Überwachung ihrer Bürger im Rahmen des „Social Credit“-Systems.

Auch neue Manipulationstechniken könnten entstehen. In Gabun zum Beispiel musste sich der langjährige Präsident Ali Bongo im Oktober 2018 einer medizinischen Behandlung unterziehen und war seitdem verschwunden. Seine Neujahrsansprache 2019 geriet in den Verdacht, ein „deep fake“ zu sein. Allein der Verdacht reichte aus, einen (misslungenen) Militärputsch auszulösen.

Für die Demokratie werden diese Manipulationstechniken zu einer Bewährungsprobe. Im besten Fall entdeckt die Gesellschaft die Werte von Demokratie und Authentizität wieder neu.

KI wird alle Bereiche des Lebens beeinflussen

Auch im Gesundheitsbereich wird Künstliche Intelligenz neue Möglichkeiten eröffnen, vor allem in der Diagnostik. Die Herausforderung wird darin bestehen, die neuen Freiräume für Ärzte und Pflegekräfte zugunsten von mehr Menschlichkeit zu nutzen, statt das Gesundheitssystem noch weiter zu technisieren.

Weitere Infos:

Die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf unser Leben wurden auf den Augsburger Mediengesprächen der Bayerischen Landeszentrale für neue Medienam 11. November in Ausgburg  ausführlich diskutiert. Beiträge und einen Liveblog dazu finden Sie hier.

Zur Person:

Der Theologe und Philosoph Prof. Dr. Stefan Bauberger ist 2012 zum Professor für Naturphilosophie an der Münchner Hochschule für Philosophie ernannt worden. Er leitet u.a. das Institut für naturwissenschaftliche Grenzfragen zur Philosophie und Theologie. Sein derzeitiger Arbeitsschwerpunkt ist das Thema „Künstliche Intelligenz“.

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