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13.07

Vielfalt vor Ort: Bayerns Rundfunklandschaft blüht

von Bettina Pregel unter Radio TV

In die Zukunft und in die Geschichte schauten die Zeitzeugen, die auf dem Lokalrundfunktag am 6. Juli 2021 über die Entwicklung des privaten Rundfunks in Bayern diskutierten. Der Anlass: Präsentiert wurde das Forschungsprojekt mit dem Titel „Vielfalt vor Ort“, das im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) an der Universität Bamberg entstanden ist. blmplus hat einem der Herausgeber, Prof. Dr. Markus Behmer, ein paar Anekdoten entlockt.

blmplus: „Vielfalt vor Ort“ – warum lassen sich unter diesem Motto die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Entwicklung des privaten Rundfunks in Bayern“ zusammenfassen?

Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Markus Behmer, Foto: Universität Bamberg

Prof. Dr. Markus Behmer: Bayern ist das Bundesland mit der buntesten lokalen Rundfunkstruktur. Neben zahlreichen regionalen Fernsehanbietern war und ist der lokale Hörfunk das Herzstück der privaten Rundfunklandschaft, von „Hitradio RT1“ im schwäbischen Augsburg bis „Unser Radio“ im niederbayerischen Zwiesel. Diese so charakteristische Vielfalt im Lokalen wollten wir im Titel widerspiegeln. Die Grundlage dafür wurde bereits 1984 im sogenannten Medienerprobungs- und Entwicklungsgesetz (MEG) geschaffen. Ab 1985 arbeitete die BLM dann das Lokalrundfunkkonzept aus: mit gleich mehreren Frequenzen für München und Nürnberg oder Regensburg und Würzburg.

Nicht alles, was damals angesät wurde, brachte reiche Früchte. So müssen die regionalen TV-Sender bis heute unterstützt werden; viele Radiosender sind auf Zulieferung angewiesen; kleine Anbieter gingen in größeren Gesellschaften auf und die inhaltliche Vielfalt ließ in Zeiten der Formatradios teils zu wünschen übrig. Aber sie blüht, die Landschaft. Und neue technische Möglichkeiten führten zu neuen, vielfältigen Angebotsformen: Digitalkanäle, Podcasts, Social-Media-Aktivitäten und vieles mehr.

Lokalrundfunk als Kulturfaktor

Sie haben mehr als 100 Zeitzeugengespräche mit Pionierinnen und Pionieren des privaten Rundfunks in Bayern geführt. Welche Erkenntnisse taugen für Anekdotenhaftes, das noch lange im Gedächtnis bleiben wird?

Der Sammelband „Vielfalt vor Ort“ ist ein Stück Zeitgeschichte.

Da war etwa ein kleiner Moment des Erschreckens, als der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, angesprochen auf Leo Kirch, ganz kurz aus der Rolle des Elder Statesman fiel und mit der flachen Hand krachend auf den Tisch schlug. Da war die Begeisterung ganz vieler Privatradioleute der „ersten Stunde“, dass wir – „die Wissenschaft“ – ihre Aufbauarbeit als historische Leistung würdigen und Lokalrundfunk als Kulturfaktor ernstnehmen.

Da sind G’schicht’n zum Beispiel aus der Zeit des wilden Frequenzsplittings, als – so Helmut Markwort – sein Radio Gong „eher Rockmusik“ brachte, der Heimatfunk „Jodelprogramm“ bringen wollte und „die Süddeutsche Zeitung mit ihren Beteiligungen glaubte, sie könnte da große Kommentare und Leitartikel sprechen“. Alles auf einer Frequenz. „Das“, so Markwort, „war eine Katastrophe“.

Heute sind’s schöne Anekdoten. So auch, wenn Inge Seibel von ihren Mundart-Problemen beim Start von Radio Charivari erzählt: „Wenn ich so etwas wie ‚Schiemsee‘ oder ‚Tschüss‘ gesagt habe, dann hätten Sie mal hören müssen, wie die Telefone gingen.“

Mit Politikern, mit Mitgliedern des ersten BLM-Medienrats und Unternehmern wie Gunther Oschmann haben wir gesprochen. Und mit Moderatorinnen und Moderatoren, auch Sekretärinnen, einstigen Praktikantinnen und heutigen Auszubildenden.

Die meisten dieser Interviews hat Vera Katzenberger, die Projektkoordinatorin, geführt. Bepackt mit Mikrofon und Aufnahmegerät ist sie nach Ansbach, Hof, Kulmbach, Ingolstadt oder Straubing gereist, in alle Regierungsbezirke.

Oft haben Interviewpartner nach den Gesprächen selbst eigene Recherchen angestellt. Sie haben uns Archivalien, Audio- und Videoaufnahmen, Fotos oder Zeitungsausschnitte überlassen. Und überall waren wir herzlich willkommen.

BLM als Trendsetter bei der Ausbildungsförderung

Von der Struktur über Programm und Wirtschaftlichkeit bis hin zur Ausbildung werden alle Aspekte abgedeckt. In welchen Punkten hat Bayern im Vergleich mit den anderen Bundesländern besondere Pionierleistungen vollbracht?

Einst nur Ausbildungskanal für den Radionachwuchs, heute multimedial aufgestellt: M 94.5 hat gerade sein 25jähriges Jubiläum gefeiert. Foto: M94.5

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Ausbildungsförderung. Sie findet, neben zahlreichen Campusradios, vor allem in den Aus- und Fortbildungskanälen statt. Die Medienmacher von morgen können dort seit mehr als 25 Jahren unter Realbedingungen die Arbeit in Radio- und TV-Studios kennenlernen.

Trendsetter war Bayern auch beim Jugendschutz: Von Beginn an engagierten sich die BLM-Präsidenten Wolf-Dieter Ring und dann auch Siegfried Schneider hier sehr stark. Seit 1997 ist auch gesetzlich fixiert, dass die BLM einen Beitrag zu Medienerziehung und Medienpädagogik leisten soll.

Es ist geradezu kurios, dass ausgerechnet im Freistaat, wo nach Artikel 111a der Bayerischen Verfassung Rundfunk nur in öffentlich-rechtlicher Verantwortung durchgeführt werden darf, die vielfältigste Privatrundfunklandschaft entstanden ist. Mit hunderten von Anbietern – und einem Veranstalter: der öffentlich-rechtlichen BLM.

Weitere Informationen:

Der Sammelband „Vielfalt vor Ort – Die Entwicklung des privaten Rundfunks in Bayern“ ist als Band 34 der Schriften aus der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg erschienen, hrsg. von Markus Behmer und Vera Katzenberger. Das Werk steht zum kostenlosen Download auf der BLM-Website unter Forschung zur Verfügung, ist aber auch im Open Source-Modus über die University of Bamberg press zu beziehen.

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