11.12
„Privatradio – eine Chance auf Neuanfang“ – Medienunternehmer Gunther Oschmann erinnert sich
Die Entwicklung des lokalen Rundfunks in Bayern ist ein spannendes und erfolgreiches Stück Zeitgeschichte, wie die Informationssitzung des Medienrates am 15. November 2018 in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien gezeigt hat. Anlässlich eines Forschungsprojektes zu diesem Thema diskutierten Zeitzeugen, darunter auch Medienunternehmer Gunther Oschmann, über die Anfänge der privaten Lokalradio- und TV-Sender in Bayern. BLMplus hat den „medienscheuen“ Lokalfunkpionier gefragt, wie ihm diese Gründungszeit in Erinnerung geblieben ist.
Mit Gunther Oschmann ruft Moderatorin Inge Seibel bei der Veranstaltung zur Entwicklung des lokalen Rundfunks in Bayern einen in der Öffentlichkeit sehr selten präsenten Zeitzeugen auf das Podium im großen Sitzungssaal der BLM. Medienunternehmer Gunther Oschmann, der als Gesellschafter von Müller Medien zahlreiche Beteiligungen an regionalen Radio- und Fernsehanbietern in Deutschland hält, bezeichnet sich selbst als „medienscheu“ und bekennt auf dem Podium, dass er im Interesse der Forschung jedoch gerne eine Ausnahme gemacht hätte.
Gemeinsam mit dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber, dem ehemaligen BLM-Präsidenten Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, dem ehemaligen BLM-Bereichsleiter Frequenz-Technik Helmut Haunreiter und dem ehemaligen Medienrat und SPD-Landtagsabgeordneten Klaus Warnecke diskutiert Oschmann über die politischen und strukturellen Anfänge des lokalen und regionalen Rundfunks in Bayern. Er bekennt, dass die Lokalrundfunkpioniere damals – Mitte der 80er Jahre – viel Glück gebraucht hätten: „Und das lag nicht auf Seiten des Kapitals, sondern auf Seiten der Beziehung.“
Ungewöhnliche Allianz in Radiofragen
BLMplus: Bei der Veranstaltung „Entwicklung des lokalen Rundfunks in Bayern“ haben die Podiumsteilnehmer sehr lebendig ihre Erinnerungen an die Gründungszeit der privaten Radio- und Fernsehsender in Bayern geschildert. Welches Erlebnis/Ereignis war für Sie am markantesten in dieser Zeit?
Neben unserer Neuen Welle war der Gong-Verlag als Tochter der Sebaldus Druck- und Verlags-GmbH an mehreren Standorten als Wettbewerber aktiv. Mit dessen Geschäftsführer Klaus Küber hatte ich wenig Gemeinsamkeiten. Die Folge war ruinöser Wettbewerb. Der damalige Staatsminister Dr. Günther Beckstein wollte ein klärendes Gespräch mit uns beiden führen und lud uns gemeinsam zu einem Termin in seine Kanzlei ein.
Herr Küber und ich saßen daher pünktlich und schweigend im Konferenzraum der Beckstein‘schen Kanzlei und warteten auf den Minister – der sich verspätet hatte. Eine Viertelstunde Schweigen dauert lang. Wir erfuhren, dass mit einer längeren Verspätung zu rechnen ist und fingen dann doch zaghaft an, miteinander Smalltalk zu betreiben. Als nach einer Dreiviertelstunde die Tür aufging, und Dr. Beckstein nur lächelnd fragte: „Gibt es noch irgendetwas zu regeln für mich?“, war uns klar, was passiert war.
Klaus Küber und ich, samt unseren Familien, sind bis heute enge Freunde geblieben, der unternehmerischen Allianz in Radiofragen war der Weg geebnet.
Eine Chance auf Neuanfang
Sie haben auf dem Podium gesagt: „Es ist eine Geschichte geworden, an deren Ende ich damals (1984) nie geglaubt hätte.“ Warum?
Als ich 1984 im Reichstag Berlin bei einer Veranstaltung erstmals von der Möglichkeit hörte, in Deutschland Privatradio zu machen, schoss es mir sofort durch den Kopf, „Das ist eine Chance auf einen Neuanfang wie nach dem Krieg bei der Lizenzierung der Zeitungsverlage“. Da wollte ich dabei sein. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich jeden Tag ein Lokalradioprogramm in Nürnberg gehört und mir hätte eingestehen müssen, dass ich zu feig gewesen war, mich hier unternehmerisch zu engagieren.
Aber die Machbarkeit und die wirtschaftlichen Aussichten waren völlig unklar. Ich wusste ja nicht einmal, wo ich mich um eine Lizenz bewerben musste.
Welches war der erste Lokalsender, den Müller Medien gegründet hat in Bayern, und wann war das?
Unsere erste Gründung war die Neue Welle München 1984. Wenig später bekamen wir dann Kontakt zum Bayerischen Heimatfunk und zu M1, mit denen wir kooptierten.
Mike Haas als Lehrmeister
Privater Lokalfunk war ja ein Novum. Wie sind Sie auf Talentsuche für das Redaktionsteam gegangen?
Ich lernte Gerhard Friedrichs kennen, der für die Nürnberger Nachrichten damals bereits die Fragen des Privatradios bearbeitete. Ich trug ihm unsere Pläne vor und konnte ihn dafür interessieren. Er wurde der erste Geschäftsführer der Neuen Welle.
Er kannte bei AFN, dem amerikanischen Soldatensender, den Studioleiter in Nürnberg, Mike Haas, einen Franko-Amerikaner. Den engagierten wir und er brachte uns die Grundregeln des privaten Radios bei. Es war eine spannende Zeit. Auf die Ausschreibung in der Zeitung hin bewarben sich etliche spätere Kollegen aus verschiedenen Bereichen.
Bei einer Bewerbungsrunde in Regensburg traf ich Willi Schreiner, der sich um eine eigene Lizenz für Radio Ratisbona bemühte. In Nürnberg kreuzten sich meine Wege mit Roland Finn, der – wie Gerhard Friedrichs – ebenfalls bei den Nürnberger Nachrichten war. Roland Finn und Willi Schreiner sind seither, also seit mehr als 30 Jahren, die Verantwortlichen unserer gesamten Rundfunkaktivitäten.
Sie haben bei der Veranstaltung auch von „Lehrgeld“ gesprochen? Welches Lehrgeld mussten Sie zahlen?
Natürlich im wörtlichsten Sinne DM und Euro. Da das Investitionskapital aber im Laufe von mehreren Jahren gebraucht wurde und nicht auf einen Schlag, war die finanzielle Belastung gestreckt und daher erträglich.
Alles richtig gemacht
Wenn Sie heute auf die Vielzahl der Lokalsender in der bayerischen Privatrundfunklandschaft blicken und diese mit anderen Bundesländern vergleichen: Was haben die am Aufbau beteiligten Politiker, die Landeszentrale und die Programm-Macher damals richtig gemacht?
Alles: Es war auf einen Schlag eine Aufwertung der Regionen, eine Stärkung des Heimatgefühls und der eigenen Identität. Die Kreativität der lokalen Rundfunkanbieter wurde nicht eingeschränkt. Sie hatten den notwendigen Spielraum etwas anderes zu machen – um eben nicht ein Abklatsch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sein.
Weitere Informationen:
Dokumentation der Veranstaltung
Die beiden Diskussionsrunden in der Veranstaltung zur Entwicklung des lokalen Rundfunks in Bayern sind in zwei Videos dokumentiert, die online hier zu finden sind. Auf der BLM-Website können Interessierte außerdem die Pressemitteilung, die Präsentation zum Forschungsprojekt und Fotos von der Veranstaltung downloaden.
Zum Unternehmen Müller Medien:
Müller Medien wurde 1950 vom damals 65-jährigen Hans Müller in Nürnberg gegründet. Das inhabergeführte Unternehmen mit den Gesellschaftern Michael, Constanze und Gunther Oschmann gliedert sich in die Geschäftsbereiche Verzeichnisse Digital und Print (Das Telefonbuch, Das Örtliche und Gelbe Seiten), Rundfunk, Buch (Was-ist-Was), Print Media und New Business. Über „Die Neue Welle Bayern Verwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG“ hält Müller Medien zahlreiche Hörfunk- und TV-Beteiligungen in Deutschland, vor allem aber in Bayern.
Ich bin von 1991 (Radio Chiemgau) bis 2017 dabei gewesen. Mein Eindruck, das Lokalradio steht am Scheideweg, es braucht Ideen. Leider fällt mir wenig ein.
Es ist schon wirklich sehr interessant, wer hier über die angeblichen Anfänge des Privatrundfunks in Deutschland aus dem Zeitraum 1978 bis 1984 diskutiert. Ebenso interessant ist es für mich zu hören und zu lesen, wie sich angeblich der Anfang des Privatrundfunks in Deutschland zugetragen hat und wie es überhaupt dazu kam, dass der Privatrundfunk in Deutschland Fuß fassen konnte und wer dafür mit aller Kraft gekämpft hat und wie und in welcher Form. Aber die tatsächliche Rundfunkgeschichte und die Tatsachen aus den wirklichen Anfängen des Privatrundfunks, wird weder Herr Oschmann, noch die BLM ändern können. Zeitdokumente werden die Geschichte immer wahrheitsgemäß nachweisen. Herr Johannes Lüders, wird sich noch in der Urne umdrehen, wenn er diese Diskussionen und Weisheiten im Jahre 2018 mitbekommt. Eine Hand voll der Menschen, die wirklich für die Einführung des Privatrundfunks mit allem was sie hatten gekämpft haben und ich als einer der ganz wenigen Überlebenden und noch aktiven Privatrundfunkmacher seit den Anfängen des Privatrundfunks 1978 bis 1984, muss mich einfach nur noch wundern über manche Dinge, die in diesem, unserem Lande vor sich gehen und mit welcher Verlogenheit….Besonders interessant finde ich, dass hier fast ausnahmslos Menschen diskutieren, die alle erst lange nach den tatsächlichen Anfängen des Privatrundfunks in Deutschland mit dem Privatrundfunk überhaupt etwas zu tun hatten. Dann diskutieren Sie mal alle weiter so – und die Personen, die tatsächlich bei den Anfängen des privaten Rundfunks in Deutschland dabei waren und die Wahrheiten aus den Jahren 1978 bis 1984 / 1985 kennen, wundern sich weiter darüber, wie versucht wird, aus rein politischen Gründen, die Privatrundfunkgeschichte in Deutschland umzuschreiben. In diesem Sinne……
Mit freundlichen Grüßen
Peter Pelunka