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28.02

ProSieben mit veränderter DNA – Daniel Rosemann im Gespräch

von Lisa Priller Gebhardt unter TV

Der Fernsehmanager Daniel Rosemann hat ProSieben stark aufgestellt. Mit neuen Unterhaltungsformaten wie „Wer stiehlt mir die Show“, Comebacks wie „TV Total“ oder Public-Value-Inhalten wie die von Thilo Mischke hat der Sender nicht nur Profil gewonnen, sondern schließt auch zum Marktführer RTL auf. Ein Gespräch über Bauchgefühl, journalistische Verantwortung und den Schwestersender Sat.1, den Rosemann seit knapp einem Jahr zusätzlich zu ProSieben verantwortet.  

TV-Manager Daniel Rosemann führt ProSieben und Sat.1, Foto: ProSieben/Benjamin Kiss

blmplus: Herr Rosemann, früher war’s ja so: Wenn das Feuilleton ein Format gelobt hat, konnte man sicher sein, dass es beim Publikum floppt. Wie sehr hat sie das überragende Lob zu „Wer stiehlt mir die Show?“ erschreckt?

Daniel Rosemann: Lacht. Der Zuspruch war tatsächlich überwältigend! In dem Format steckt eine enorm lange Entwicklungszeit von zwei Jahren.

Es hat die Kraft, eine Brücke zu schlagen zwischen einer zerstreuenden Unterhaltungsshow und dieser großen Liebe fürs Detail, die das Feuilleton schätzt.

ProSieben war in den letzten Jahren nicht gerade für innovativen Mut bekannt. Das ist nun anders. In kaum einem anderen Sender wird derzeit so viel Neues probiert. Wie sehr zittern Sie bei jedem Formatlaunch?

Das nutzt sich leider gar nicht ab. Der Neustart-Thrill ist immer noch genauso groß wie zu Beginn meiner Arbeit als Redakteur. Das Warten auf die Quoten – vom Ausstrahlungstermin bis zum nächsten Morgen – ist höllisch.

„Die Welt um uns herum hat sich stark verändert“

Als Sie übernommen haben, hatte ProSieben einige Flops im Rücken. Sie konnten seither die Top-Rate deutlich erhöhen. Wie ist Ihnen die Trendwende gelungen?

Erfolgreiche Unterhaltung: „Wer stiehlt mir die Show?“, Foto: ProSieben/Florida TV/Anna Thut

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich war in dieser Phase an einigen Flops als Unterhaltungschef beteiligt. Der Abgang von Stefan Raab war ein herber Schlag für den Sender. Es war, als würde die DNA von ProSieben wegbrechen. Stefan hat viermal die Woche seine Late-Night-Show gemacht und 12 Wochenenden im Jahr bespielt.

Wir mussten ProSieben neu definieren – „Wer sind wir?“, „Was machen wir?“, „Welche Shows wollen wir anbieten?“. Gleichzeitig hat sich die Welt um uns herum stark verändert. Stichwort Streaming. Als jüngster von den großen Sendern waren wir sehr verwundbar, denn die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer sprangen als erste auf den neuen Zug auf.

Wovon lassen Sie sich mehr leiten, wenn Sie eine neue Show ins Programm aufnehmen – vom Bauchgefühl oder von Daten?

Ich würde es mal so sagen: Daten bringen einen auf den richtigen Weg, der Bauch entscheidet, wie lange man läuft. Das Bauchgefühl ist ja die Summe aus Erfahrungen, die man in all den Jahren gesammelt hat. Daneben gibt es eine Fülle von Marktforschungstools.

Ich zum Beispiel mag die online begleitenden Chats zu Sendungen, bei denen das Publikum frei heraus sagen kann, was es doof findet bzw. was Spaß macht – und zwar in Echtzeit, während sie zuhause auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen. Davon halte ich mehr, als Menschen nachmittags um 16 Uhr zu einer Late-Night-Show in einem sterilen Konferenzraum eines Instituts zu befragen.

Comeback der „TV total Wok-WM“

Erstmals spielt bei „Germany’s Next Topmodel“ das Thema Diversity eine gewichtige Rolle und prompt erzielte die Auftaktsendung die beste Einschaltquote seit 13 Jahren. Bei welchen Formaten kann so eine Rund-um-Erneuerung funktionieren, bei welchen nicht?

Grundsätzlich würde ich sagen, dass das bei allen Formaten möglich ist. Der Trick ist, nicht alles wegnehmen, was das Fundament eines Formates ausmacht. Beim Comeback von „TV Total“ haben wir beispielsweise diverse Elemente von damals beibehalten: die Treppe, die Band, die Musik, die Nippelboards. Neu sind der Entertainer und das Logo.

Generell ist es wichtig, den richtigen Moment abzupassen – also zu erneuern, wenn es gerade gut läuft. Bei #GNTM haben wir zum Beispiel sehr häufig das Konzept verändert, obwohl wir gerade sehr erfolgreich waren. Das kostet viel Mut. Aber sobald einen bei einem Programm das Gefühl beschleicht, „Hm, irgendwie ist das nicht mehr stimmig“, ist es zu spät.

Als Senderchef müssen Sie nicht nur entscheiden, welche Formate eine Frischzellenkur erhalten, sondern auch, welche ins Programm-Portfolio aufgenommen werden. Zum Jahresauftakt lief nun erstmals neben „The Masked Singer“ auch „The Masked Dancer“. Wie groß ist die Gefahr, eine Marke kaputt zu reiten?

Comeback von TV total; Foto: ProSieben/Willi Weber

Das war tatsächlich eine der längsten und intensivsten Diskussionen, die wir je geführt haben. Am Ende wussten wir, dass wir es tun müssen. Denn bei einer solch attraktiven Dachmarke wäre das Format nicht lange auf dem Markt liegen geblieben.

Sicher hätte es sich ein anderer Sender geschnappt. Wenn wir im kommenden Winter die  „TV total Wok-WM“ zurück bringen, ist das aus dem erfolgreichen Comeback der Marke „TV total“ heraus ein logischer Schritt.

Mit Public Value-Inhalten Verantwortung übernehmen

Zuletzt haben Sie auch stark auf gesellschaftspolitische Themen gesetzt – wie mit Thilo Mischkes Doku über die rechtsextreme Szene oder „Short Story of Moria“, ein Film von Joko & Klaas über die Flüchtlings-Tragödie. Brauchen Privatsender solche Public-Value-Formate, die man sonst nur von öffentlich-rechtlichen Sendern kennt?

Nicht der Sender braucht diese journalistischen Inhalte, sondern die Menschen. Wir wissen, dass wir viele Zuschauerinnen  und Zuschauer erreichen, die weder ARD noch ZDF schauen. Es wäre vertaene Verantwortung, wenn wir diese Generation nur mit bunten Shows und Hollywoodfilmen bespielen würden. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir diese Public-Value-Formate bei uns etabliert haben. Mit Hilfe unserer Entertainment-Größen erreichen wir sehr viele Menschen mit diesen gesellschaftspolitischen Themen.

Lange lag ProSieben weit hinter dem Marktführer RTL, doch die Aufholjagd hat längst begonnen.

Inzwischen ist der Abstand so gering, wie er noch nie war. Insbesondere in der Primetime liegen wir auf Augenhöhe. In der Zielgruppe 14-49 gewinnen wir immer mehr Abende.

Sat.1: Programm für die Frau ab 40

Sie sind seit einem dreiviertel Jahr auch für Sat.1 zuständig. Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie bei einigen umstrittenen Formaten den Stecker gezogen. Seither trimmen Sie Sat.1 auf Fernsehen mit Herz. Halten Sie an diesem Kurs fest?

Sat.1-Gesichter für das Fernsehen mit Herz, Foto: Sat.1/Christoph Köstlin

Unbedingt. Wir wollen Sat.1 mit einem geschärften Profil zu alter Stärke zurückführen. Das Programm soll einem Wertekompass und einem Wertekatalog einer Frau ab 40 entsprechen. Gleichzeitig soll sie sich auf unserem Sender wohlfühlen.

Das heißt auch, dass wir keine Reality mehr zeigen, die an geschmackliche Grenzen geht. Ich vergleiche das gerne mit einem Restaurant. Wenn jemand sagt: „Gestern hab ich’s gemocht und heute fühle ich mich da fremd“, dann wird das nicht dazu führen, dass man da weiter gerne hingeht.

Fiction war früher zentraler Bestandteil des Senders. Leichte Stoffe haben das Publikum bestens unterhalten. Kehren Sie zu diesem bunten Programmelement zurück?

Ja, Fiction darf kein Streaming-Only-Content sein. Im Free-TV soll Fiction jedoch weder düster noch nischig sein. Doch da viele Geschichten bereits erzählt wurden und sich die Gewohnheiten geändert haben, müssen wir genau überlegen, wie wir es anpacken.

Ich glaube nicht an Einzel-Movies, sondern an die Kraft von wiederkehrenden Figuren. Wir sind hier allerdings noch in der Findungsphase.

ProSieben und Sat.1 werden von einer Person geführt – schlagen da zwei Herzen in Ihrer Brust, wenn es um die Verteilung von Formaten, Sendergesichtern und Inhalten geht?

Eigentlich nein. Erstens bis ich nicht allein, wir haben hier ein großes Team au Expertinnen und Experten. Zweitens: Wenn wir ein Programm haben und nicht wissen, wo es hingehört, dann sind wir mit der Positionierung der Sender noch nicht fertig.

 

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