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09.05

Angst vor Fake News? MediaLab-Fellows gründen Factchecking-Agentur

von Ursula Trischler unter Netzwelt Radio TV

Die Fake News-Debatte beherrscht derzeit die Medien, die auch selbst im Redaktionsalltag damit zu kämpfen haben. Quellen aus dem Netz zu verifizieren, ist aufwändig. Deshalb haben die MediaLab Bayern-Fellows Johanna Wild und Ursula Trischler das Startup wafana gegründet, die erste Factchecking-Agentur Deutschlands. 

Demonstration in Nürnberg. Mittendrin: Eine blutige Schlägerei zwischen vermeintlich arabisch stämmigen und deutschen Teilnehmern. Auf Facebook und Twitter wird das Bild hundertfach geteilt. Darunter: die üblichen, ausländerfeindlichen Kommentare.

In den klassischen Medien taucht das Bild nicht auf. Weil es die Schlägerei nicht gab? Weil sie nicht im Polizeibericht erwähnt wurde? Weil die Medien etwas vertuschen wollen?

Factchecking erfordert fundierte Recherche

Ursula Trischler (li.) und Johanna Wild bei den media.innovations in der BLM. Foto: BLM

„Ich persönlich habe aufgrund des Verifizierungsproblems auf Quellen aus dem Netz verzichtet“, sagt Zeitungsredakteurin Susanne. Ihr vollständiger Name sowie ihr Arbeitgeber sollen unerwähnt bleiben. Voraussetzung der insgesamt rund 20 Interviews mit Redaktionen aus Print, Hörfunk, TV und Online, die wir vom Startup wafana führten.

Denn das Thema „Umgang mit Fake-News“ ist heikel. Schließlich ist die fundierte Recherche ein Kernelement von gutem Journalismus. Zuzugeben, dass man damit in der Online-Welt oftmals überfordert ist, fällt schwer.

Die Dokumentationsjournalistin eines erfolgreichen, etablierten Online-Nachrichten-Magazins sagt: „Es gibt bei uns keine Abteilung, die sich mit Online-Verifizierung beschäftigt“.

Und aus einer Nachrichtenagentur heißt es: „Wir verwenden Online-Inhalte extrem wenig, weil wir sie oft nicht verifizieren können“.

Online-Quellen zu verifizieren, kostet Zeit und braucht Know How

Das ist ein Drama. Denn dadurch entgehen den meisten Nachrichtenredaktionen spannende Geschichten und erwähnenswerte Ereignisse. Und auf der Suche nach gutem, außergewöhnlichem Content ist bekanntlich jede Redaktion. Wie ist also der so zaghafte Umgang mit Online-Quellen zu erklären?

Unsere Interviews mit Redaktionen liefern zwei Antworten.

Ursula Trischler im Interview mit R. Gutjahr beim BLM-Forum zu Fake News. Foto: BLM

Den Redaktionen fehlt in den meisten Fällen das nötige Wissen. Sie kennen die Tools nicht, mit deren Hilfe sie überprüfen können, ob ein Bild bearbeitet wurde, das Video wirklich an jenem Tag entstand und ob hinter dem Account, der den Inhalt verbreitet, Mensch oder Bot stecken.

Und wenn die RedakteurInnen wissen, welche Verifizierungs-Schritte sie gehen könnten – fehlt ihnen oftmals die Zeit dafür.

Nutzergenerierte Posts, Fotos und Videos werden auf Wahrheitsgehalt überprüft

Diese beiden Erkenntnisse haben wir in unserem Startup wafana, das vom Media Lab Bayern im Rahmen des Fellowship-Programms gefördert wird, zusammengetragen.

Ab Ende Mai bieten wir Tages-Coachings für Redaktionen an und schulen unsere Journalistenkollegen in den Basics der Online-Verifizierung. Schritt für Schritt erklären wir, welche Daten skeptisch betrachtet werden sollten, welche Tools problemlos im Alltag genutzt und wie diese angewandt werden können.

Und um die oftmals unter Zeitdruck stehenden Redaktionen in ihrer täglichen Arbeit zu entlasten, bauen wir langfristig die erste Fact-Checking Nachrichtenagentur Deutschlands auf, die sich auf user-generated content spezialisiert.

Sobald die Finanzierung steht, durchsuchen wir Tag für Tag alle relevanten sozialen Medien im deutschsprachigen Raum nach nutzergenerierten Posts, Fotos und Videos, überprüfen sie auf ihren Wahrheitsgehalt, klären die Rechte und beliefern damit Redaktionen. Hierfür planen wir ein Abonnement-Modell ähnlich dem klassischer Nachrichtenagenturen.

Infos zu wafana – Wahrheit, Fakten, Nachrichten

Der Name wafana setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der Worte Wahrheit, Fakten, Nachrichten. Hinter dem Start-Up stecken die Gründerinnen Ursula Trischler und Johanna Wild. Ursula Trischler arbeitet seit zehn Jahren als Redakteurin (u.a. ZDF, Antenne Bayern,  WELT Kompakt). Johanna Wild war jahrelang als Journalistin und Mediencoach in Ostafrika tätig. In ihrem Studium in Birmingham wählte sie den Schwerpunkt „Fact-Checking und Verifizierung von Online-Inhalten“.

Über das Media Entrepreneurship Program des Media Lab Bayern lernten sich beide im Oktober 2016 kennen. Und kämpfen seitdem intensiv gemeinsam für einen selbstverständlicheren Umgang mit Online-Quellen im deutschsprachigen Journalismus.

 

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