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29.05

Sind Podcasts das neue Radio?

von Bettina Pregel unter Netzwelt Radio

Podcasts punkten bei Millennials. Die niedrige Eintrittsschwelle sowohl für die Hörer als auch für die Produzenten ist ein Grund für den Erfolg der Podcasts auf dem Audio-Markt, der im Fokus der aktuellen Ausgabe des BLM-Magazins Tendenz steht. Bernt von zur Mühlen und Hans Knobloch beschäftigen sich in der tendenz 1.2019 mit der schwierigen Beziehung von Hörfunk und Podcast.

Podcasts

Podcasts: ein Thema in der tendenz 1.2019 zum Audio-Markt, Bilder: Rose Pistola

»Faking Hitler« war einer der meistgehörten Podcasts zu Beginn des Jahres in Deutschland – eine Dokumentation vom Magazin Stern, das die Veröffentlichungen der gefälschten Hitler-Tagebücher im eigenen Haus aufarbeitet. Bemerkenswert daran ist, dass sich damit ein Printhaus weit ab vom bisherigen Kerngeschäft sehr erfolgreich im Audio-Markt behaupten konnte.

Ein Grund für solche Erfolge ist die Konvergenz der klassischen Medien, aber der wichtigste ist die mittlerweile sehr niedrige Eintrittsschwelle sowohl für Nutzer als auch für Produzenten. So wird etwa der erfolgreichste Polit-Podcast »Lage der Nation« von Philip Banse und Ulf Buermeyer in einem »Küchenstudio«, einer Art Pop-up-Radiostudio in Berlin-Pankow, aufgenommen.

Podcasts: Alle reden, aber keiner redet rein

Kein Chefredakteur, kein Herausgeber und kein Intendant werden den beiden je die Frage stellen: Was habt ihr denn da schon wieder gesendet? Für Podcasts gilt: absolute Freiheit und Autonomie über Inhalt und Gestaltung – im  Gegensatz zu den klassischen Medien, wo Content-Hierarchien den Kreativitätsprozess lenken. Die akzeptierte Länge einer Podcast-Produktion hängt alleine vom Aufmerksamkeitsbudget der Nutzer ab. Podcasts haben dadurch mitunter den Charme des Provisorischen und klingen zuweilen wie der kleine Bruder, der es auch mal versuchen will. Aber der Gewinn ist ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Authentizität.

Podcasts und Social Media sind auf dem Smartphone symbiotisch miteinander verwoben. Für die Millennials wirken Podcasts wie die auditive Verlängerung von Social Media, ohne deren Flüchtigkeit zu reproduzieren. Werden Videos auf Facebook im Durchschnitt 23 Sekunden genutzt, hören 87 Prozent der Nutzer vollständig oder nahezu vollständig ihre Podcasts, wie Edison Research belegt – und das bei einer Podcast-Länge von oftmals mehr als einer Stunde.

Millennials als Motor für den Podcast-Boom

tendenz 1.19

Blick auf die Evolution im Audio-Markt: tendenz 1.19

Millennials sind der eigentliche Motor für den Boom von Podcasts. Waren es vor Jahren noch vor allem Männer der Zielgruppe 50+, dominieren nun die mittlere und junge Generation die Podcast-Nutzung. Der Online-Audio-Monitor 2018 zeigt, dass von den 20- bis 29-Jährigen 24,6 Prozent »zumindest gelegentlich« Podcasts und Radiosendungen auf Abruf nutzen.

Medien aus dem „Ökosystem Smartphone“ zu beziehen, ist für Millennials so selbstverständlich wie für ihre Elterngeneration das »Lagerfeuer« Tagesschau. In jungen Podcasts wie „Beste Freundinnen“ wird die Erfahrung der Macher und der Hörer kurzgeschlossen, wodurch Nähe und Intimität entstehen. Vom Geist der beinahe hundertjährigen Radiotradition ist nur noch wenig zu spüren.

Möglicherweise denkt die Radiobranche, sie sei der legitime Stammvater von Podcasts, glaubt daher zu wissen, wie es funktioniert. Vielleicht tut sich der Hörfunk gerade deshalb schwerer mit Podcasts als ein Medium wie Print, das sich die neue Grammatik und das Vokabular erstmal anzueignen hat. Das mag in Radio-Redaktionen zu einer Unterschätzung des Mediums Podcast führen, weshalb sich noch immer das Missverständnis hält, die in Mediatheken abrufbaren, ursprünglich im Radio ausgestrahlten Sendungen seien Podcasts.

Schwierige Verwandtschaft zwischen Radio und Podcasts

Hörfunk ist  ein steter Fluss, der sich beharrlich gegen schreiende Kinder, Plauderei im Büro oder Gehupe vom Hintermann zu behaupten trachtet. Beim Podcasting ist die Hörsituation exklusiv, die Aufmerksamkeit maximal und die Kontrolle auf der Seite des Nutzers. Daher unterscheiden sich Hörsituation, Konzeption und Produktion von Podcasts heute grundsätzlich vom Medium Radio. Die Grenzen von Podcasts sind kulturell oder sprachlich, während Hörfunk in Deutschland trotz IP-Verbreitung im Kern regional geblieben ist.

Das schränkt auch die Verbreitung und Vermarktung von genuinen Radio-Podcasts ein. Bisher verirren sich in die von nationalen Podcast-Brands dominierten iTunes Charts nur wenige Produktionen regionaler Radioprogramme: »Im Namen der Hose« als Podcast der BR-Jugendwelle Puls oder die »Geheimakte: Peggy« des landesweiten Privatsenders Antenne Bayern, der mit dem Aufbau des nationalen Podcast-Labels »lautgut« auf die regionale Einschränkung reagiert hat.

Noch einen Schritt weiter geht RTL Radio Deutschland mit dem Start der nationalen Audio-Plattform »Audio now«. Unter diesem Dach finden sich seit dem 21. März nicht nur Podcasts, sondern sämtliche Audio-Angebote des Bertelsmann- Konzerns. Der Audio-Markt ist also in Bewegung: in welche Richtung und auf welchen Wegen, das zeigt die tendenz 1.2019, die gerade erschienen ist.

Weitere Informationen:

Der komplette Artikel zu Podcasts ist hier zu finden. Die Tendenz 1.2019 beschäftigt sich mit der Vielfalt im Hörfunkkosmos und der radio-logischen Evolution: eine aktuelle Bestandsaufnahme der Radiolandschaft und ihrer weiteren Entwicklung sind ebenso enthalten wie ein Blick in die USA, die Themen Digitalradio, Webradio und Smartspeaker sowie ein Blick auf Programmtrends im Radio. Im Interview mit Studio Gong-Geschäftsführer Philipp von Martius stehen Vermarktung und der bayerische Lokalfunk im Mittelpunkt. Wer sich von der Vielfalt im Hörfunkkosmos überzeugen möchte, sollte sich den Videospot zur neuen tendenz anschauen!

 

 

 

 

 

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