Mi
24.06

Michael Oschmann: „Wir wollen keine Zwangssynergien“

von Guido Schneider unter Radio TV

Die Digitalisierung steckt voller Chancen für den regionalen Rundfunk, glaubt Michael Oschmann. Doch der Geschäftsführer der Müller Medien warnt auch vor der Dominanz der Web-Giganten Google und Facebook: Regionale Medien müssten in deren Ökosystemen auffindbar bleiben und die Kontrolle über ihre Metadaten erhalten. Im eigenen Familienunternehmen will Oschmann den Austausch zwischen neuen und angestammten Geschäftsfeldern fördern. Über das und mehr spricht er in TENDENZ, dem Fachmagazin der BLM. Hier ein Auszug aus dem Interview:

Michael Oschmann

Überzeugter Digitalisierungs-Pionier: Michael Oschmann

Tendenz: Das Internet durchdringt den lokalen Medien- und Werbemarkt immer stärker. Dadurch verschärft sich der Kampf um die Aufmerksamkeit der Nutzer und das Geld der Werbekunden. Wie sehr gefährdet dieser Strukturwandel die lokalen und regionalen TV- und Radiosender in ihrem Markt?

Michael Oschmann: Wie jeder Teilnehmer am lokalen Nutzer- und Werbemarkt müssen auch sie sich der Dynamik der digitalen Welt anpassen, wenn sie langfristig bestehen wollen. Neue Wettbewerber reduzieren Lokalität zunehmend auf ein technisches Feature. Deshalb wollen wir uns auf den Kontakt zu Nutzern und Kunden vor Ort fokussieren. Dieses Asset zu verstärken ist meines Erachtens bedeutender als Infrastruktur vorzuhalten, die gemeinsam zum Beispiel als Cloudservice genutzt werden kann. Die Entbündelung der Programme durch Wettbewerber, die sich jeweils auf ein Element konzentrieren, wie zum Beispiel Waze für Verkehr, fordern uns ebenfalls, die Funktion der Marken vor Ort in neuen technischen Umfeldern zu stärken.

Wie muss man sich das vorstellen?

Ein stimmungsvolles Wetterbild auf Facebook, kurze Bewegtbild-Clip-Abfolgen auf YouTube oder eine Interaktion per What’s App transportieren genauso positive Emotionen wie das traditionelle Moderatoren-Team im Radioprogramm. Den Sendern stehen also deutlich mehr Stilelemente zur Verfügung, um Heimatgefühl und Emotionen zu erzeugen. Sie nutzen die neuen Möglichkeiten, indem sie Inhalte und Funktionen in diesen Ökosystemen kanalgerecht und viral verbreiten.

Viele Radio- und TV-Stationen sehen Facebook, Google oder YouTube aber auch als Konkurrent und fürchten im Kampf um Nutzer und Werbegelder nicht gegen die Internet-Größen bestehen zu können.

Wir müssen generell darauf achten, wie diese Giganten in ihrem jeweiligen Ökosystem mit anderen Anbietern umgehen. YouTube und Facebook haben längst den Charakter von Must-Have-Plattformen angenommen. Für die Medienregulierung lautet die spannende Frage, was diese Internet-Riesen noch vom klassischen Rundfunk unterscheidet. Um die lokale Rundfunkgrundversorgung sicherzustellen, sind der Transport und die Auffindbarkeit der lokalen Station und ihr Zugriff auf Metadaten zu Nutzung und Nutzern bedeutend. Das gleiche gilt für den Zugriff oder die Integration eigener Abrechnungssysteme bei Paid-Content-Anwendungen.

In den Geschäftsmodellen der Webgiganten ist für solche Vorstellungen bislang wenig Platz. Glauben Sie, dass sich die Rundfunkregulierung aus der analogen Welt ins Internet-Zeitalter exportieren lässt?

Für große und innovationsgetriebene Unternehmen ist es oft schwer, ein Verständnis für Bedürfnisse vor Ort und für die besondere Verantwortung des Rundfunks zu entwickeln. Ich glaube aber, dass es auf der Datenautobahn genauso verbindliche Verkehrsregeln geben muss wie auf der echten Autobahn, wo sowohl für Fahrzeuge mit viel wie mit wenig PS die gleiche Straßenverkehrsordnung gilt. Ein entsprechender Interessensausgleich zwischen den Internet-Giganten und den Rundfunkunternehmen ist möglich, wenn beide Seiten die Vorteile bei der Erzeugung fairer und für jeden gleicher Rahmenbedingungen erkennen. In Bayern haben wir vergangenes Jahr zu den Medientagen mit einem Runden Tisch den Grundstein für eine solche Diskussion gelegt.

Sehen Sie in Online und Mobile Erlösquellen, die ähnlich sprudeln können wie in der Rundfunkwelt?

Wenn wir sehen, mit welchem persönlichen Einsatz die Mitarbeiter in den lokalen Stationen bei Kunden für ihre Sender kämpfen, sollten wir nicht von Sprudeln sprechen. In der digitalen lokalen Welt erst recht nicht. Trotzdem wird auch in Zukunft die Arbeit vor Ort für uns die Grundlage bilden und sehr wichtig bleiben. Zunehmend entwickeln unsere Rundfunkunternehmen Marketingangebote, die der Komplexität des (mobilen) Digitalen gerecht werden und einen erfahrbaren Kundennutzen bringen. Das ist schon deshalb nötig, weil der nationale Werbemarkt für Rundfunkmedien in seiner Volatilität nicht immer ausrechenbar ist. Für Lokal-TV müssen wir auch neue Ansätze prüfen, die den Anteil nationaler Erlöse am Gesamtumsatz erhöhen.

Zur Person:

Michael Oschmann, Jahrgang 1969, sammelte schon während seines BWL-Studiums an der Friedrich-Alexander-Uni Erlangen-Nürnberg berufliche Erfahrungen in der Medien- und Online-Welt, unter anderem bei AOL in den USA. Nach seinem Studienabschluss trat er 1994 in die Unternehmensfamilie Oschmann ein, verantwortete eigene Gründungen und trieb den Einstieg der Müller Medien in digitale Geschäftsfelder voran. Seit 2000 ist er neben Schwester Constanze und Vater Gunter Oschmann einer von drei Geschäftsführern. Der heimatverbundene und gut vernetzte Franke ist Fan des 1. FC Nürnberg und hält dem Club die Treue, egal in welcher Liga.

Zum Unternehmen:

Müller Medien wurde 1950 vom damals 65jährigen Hans Müller in Nürnberg gegründet. Das inhabergeführte Unternehmen mit den Gesellschaftern Michael, Constanze und Gunther Oschmann gliedert sich in die Geschäftsbereiche Verzeichnisse Digital und Print (Das Telefonbuch, Das Örtliche und Gelbe Seiten), Rundfunk, Buch (Was-ist-Was), Print Media und New Business. Über Die Neue Welle Bayern Verwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG hält Müller Medien zahlreiche Hörfunk- und TV-Beteiligungen. Dazu zählen Antenne Bayern, Radio Charivari Nürnberg, Funkhaus Aschaffenburg, BLR, Sächsische Lokalradios, Franken Fernsehen oder münchen.tv. Zu den Online-Beteiligungen von Müller Medien zählen Ad Pepper, billiger.de, anwalt.de, blauarbeit.de, ebüro, fairrank, projektwerk oder Barcoo.

Lesen Sie das komplette Interview in der neuen TENDENZ.

Sie können auf unserer Website im E-Paper blättern. Gerne nehmen wir Sie auch unter www.blm.de kostenlos in unseren Verteiler auf. 

Kommentar abgeben

Kommentar abgeben

Bitte achten Sie auf höfliche und faire Kommunikation. Mehr dazu unter Blogregeln.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit einem * markiert.

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen und mir ist bewusst, dass meine Daten zur Verarbeitung meines Kommentares gespeichert werden.