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21.05

Medienethik heute

von Bettina Pregel unter Netzwelt

Eine adäquate Medienethik entlässt weder die Medienschaffenden aller Kommunikationsberufe, noch das Publikum aus der Verantwortung. Nur im Zusammenspiel aller Akteure lässt sich eine verantwortungskritische Reflexion von Medieninhalten bewerkstelligen, findet Christian Schicha, Professor für Medienethik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Anlässlich der kürzlich verabschiedeten Leitlinien des BLM-Medienrats zu einer „digitalen Ethik“ hat BLMplus bei Schicha nachgefragt, wie eine konstruktive Medienethik aussehen kann. Das ist seine Antwort.

Orientierungshilfe bei moralisch fragwürdigen Entwicklungen

Prof. Dr. Christian Schicha„Die Medienethik leistet einen systematischen Beitrag auf der Suche nach einem angemessenen Umgang mit der Fülle unterschiedlicher medialer Angebote und Formate. Der Ruf nach einer Medienethik wird laut, wenn vermeintlich dramatische Verfehlungen im Medienbereich für öffentliche Empörung sorgen.

Die Aufgabe einer Medienethik besteht jedoch nicht darin, den „moralischen Zeigefinger“ bei ethisch fragwürdiger Berichterstattung anhand von skandalträchtigen Einzelfällen zu erheben. Sie soll vielmehr als Steuerungs- und Reflexionsinstanz die normativen Begründungswege im Umgang mit medialen Ausprägungen, Inhalten und Rezeptionsweisen analysieren.

Eine reflektierte Medienethik findet im Spannungsfeld zwischen Ideal- und Praxisnormen statt. Hohe moralische Ansprüche auf der Idealebene lassen sich aufgrund der realen Gegebenheiten der Medienpraxis oftmals nicht umsetzen. Die Aufgabe einer konstruktiven Medienethik liegt darin, abstrakte ethische Moralkonzeptionen so zu operationalisieren, dass sie eine Orientierungshilfe bei moralisch fragwürdigen Medienentwicklungen liefern. Daher ist es unverzichtbar, sich mit den Rahmenbedingungen der Medienpraxis kritisch auseinanderzusetzen, um einen Zugang zu den konkreten Problemen zu bekommen, die zu reflektieren und zu bewerten sind.

Glaubwürdigkeit als zentraler Faktor für das Vertrauen der Nutzer

Eine adäquate Medienethik entlässt weder die Medienschaffenden aller Kommunikationsberufe, noch das Publikum aus der Verantwortung. Nur im Zusammenspiel aller Akteure lässt sich eine verantwortungskritische Reflexion von Medieninhalten bewerkstelligen, an die sich eine mündige Partizipation der Bürger am politischen, kulturellen und so­zialen Entwicklungsgeschehen anschließt. Sie muss grundsätzlich über fallbezogene Problembeschreibungen hinausgehen und stattdessen die Strukturbedingungen und Handlungsspielräume aufzeigen, unter denen Medienbetreiber und Medienbetriebe in einer kommerziell orientierten Medienlandschaft agieren.

Es darf nicht übersehen werden, dass Medien in Deutschland – bis auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter – dem Marktmodell folgen. Sie sind auf Werbeinnahmen und den Verkauf von Medienprodukten, Klicks und Einschaltquoten angewiesen, um wirtschaftlich existieren zu können. Gleichwohl ist die Ressource Glaubwürdigkeit der zentrale Faktor für das Vertrauen der Medienrezipienten in die Medienprodukte. Wenn die Glaubwürdigkeit verloren geht, leiden die Reputation. Ökonomische Umsatzeinbußen können daraus für die betroffenen Medienanbieter resultieren.

Digitale Handlungsautonomie schützen

In der digitalen Welt haben sich tiefgreifende Veränderungsprozesse ergeben.  Professionelle Journalisten haben ihren ehemaligen Monopolanspruch bei der Verbreitung von Themen und Nachrichten verloren. Ehemals passive Mediennutzer können sich auf Blogs und über soziale Netzwerke artikulieren und so am öffentlichen Diskurs partizipieren.

Plattform-Unternehmen wie Amazon und Facebook verfügen über nahezu monopolistische Machtzentren und bearbeiten die von den Nutzern kostenlos eingestellten Inhalte in algorithmisch selektierter Form, um sie zu speichern und zu monetarisieren. Die dauerhaft verfügbaren Daten können kommerziell von den Internetunternehmen für Werbezwecke genutzt werden und Entscheidungsprozesse der Internetanwender beeinflussen. Dadurch werden gegebenenfalls die Chancen der individuellen und kollektiven Selbstbestimmung nachhaltig negativ beeinträchtigt. Insofern müssen durch die Politik rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die digitale Handlungsautonomie der Gesellschaft schützen und Falschmeldungen konsequent bekämpfen.

Cybermobbing und Cyberstalking bekämpfen

Eine Ethik für die Online-Kommunikation erfordert zunächst Datensicherheit durch technische und organisatorische Maßnahmen, die auf den Schutz der technischen Systeme gerichtet sind, die Daten verarbeiten. Weiterhin geht es um einen Datenschutz für personenbezogene Daten, um Missbrauch zu verhindern.

Zudem wird zu Recht die Forderung nach einer Übernahme der Verantwortung für Onlinestatements in Form einer namentlichen Kennzeichnung oder eines Impressums erhoben. Die Bekämpfung von Cybermobbing und Cyberstalking gilt ebenso als normative Leitlinie wie die Sensibilisierung gegenüber den Risiken der unbedarften Weitergabe sensibler Daten, um eine wirksame Medienethik im Internetzeitalter zu bewerkstelligen.“

Weitere Infos:

Prof. Schicha wird am 26. Juni auf dem Social TV-Summit in der BLM aus medienethischer Perspektive über „Social Media in der Verantwortung“ sprechen. Nähere Ausführungen zu Grundlagen, Ressourcen und Anwendungen in der Medienethik sind in Schichas jüngst erschienenem Buch nachzulesen.

 

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