16.09
Good bye Siegfried Schneider: Mit Herz und Verstand die Digitalisierung vorangetrieben
Mit viel Engagement hat er die digitale Transformation vorangetrieben und mit dafür gesorgt, dass der Medienstandort Bayern von Innovationen profitiert. Seine Leidenschaft für den lokalen Rundfunk und löwenstarken Fußball ist bekannt: Siegfried Schneider stand zehn Jahre lang an der Spitze der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und übergibt nun das Präsidentenamt an seinen Nachfolger Dr. Thorsten Schmiege. blmplus zieht Bilanz.
Die Digitalisierung des Hörfunks und des Fernsehens, die Weiterentwicklung des lokalen Rundfunks, die zunehmende Meinungsmacht des Internets, eine stark veränderte Mediennutzung und ein Publikum, das von Informationen geradezu überflutet wird bis hin zu Hass im Netz: All diese Entwicklungen bestimmen die Amtszeit des BLM-Präsidenten Siegfried Schneider (2011-2021), dessen Wirken nicht nur durch seinen Einsatz für den lokalen Rundfunk und die stete Förderung von Medienerziehung und Ausbildung geprägt war, sondern auch durch Neugier und Innovationswillen. Wohin steuert die Medienwelt und wie müssen die Branche, der Standort und die Landeszentrale darauf reagieren? Das ist seine Maxime, oder wie er es selbst im Podcast der Medientage München formuliert: „Nicht bewahren, was man schon hat, sondern prüfen, wo könnte die Reise hingehen?“
Dabei sollte man auch den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen, betonte Schneider in seiner Dankesrede an Laudatoren und Gäste. Um das Credo seiner Amtszeit zu beschreiben, zitierte er einen Rat aus der Politik: „Aufgabe in einem öffentlichen Amt ist es nicht, etwas zu verhindern, sondern etwas zu ermöglichen.“
Zt: „Eine Dekade Leidenschaft und Engagement für den Medienstandort Bayern“
Dem Medienstandort Bayern und der bayerischen Rundfunklandschaft hat diese Mentalität gut getan. Schneiders „Bereitschaft zu mutigen und weitblickenden Entscheidungen“ hob sein Nachfolger Dr. Thorsten Schmiege während der heutigen Amtsübergabe hervorgehoben und nannte als Beispiele den konsequenten Ausbau der DAB+-Infrastruktur und das neue Verbreitungskonzept für das Lokalfernsehen mit mehr Kooperationen und einer fokussierten Verbreitung via Satellit. Möglich geworden sind viele Projekte, die der BLM-Präsident in seiner Amtszeit angestoßen hat, aber erst durch die Förderung des Freistaates Bayern – gleich, ob es sich um den Ausbau der technischen Infrastruktur, die Medienerziehung oder Vernetzung und Start-up-Förderung am Medienstandort Bayern handelt.
Medienminister Dr. Florian Herrmann betonte deshalb bei der Abschiedsfeier: „„Eine Dekade Leidenschaft und Engagement für den Medienstandort Bayern: Präsident Siegfried Schneider (…) hat (…) die Medienlandschaft entscheidend mitgeprägt. Er hat den Medienstandort Bayern als Ganzes gestärkt und vielfältig weiterentwickelt. Ihm ist es gelungen, den lokalen Rundfunk zu stabilisieren, Innovation und Digitalisierung in der Medienbranche zu fördern und gleichzeitig die Medienkompetenz weiter auszubauen.“ Auch der BLM-Medienratsvorsitzende Walter Keilbart lobte die Aufgeschlossenheit des Präsidenten gegenüber Innovationen. Gleichzeitig sei Schneider ein Garant für Vielfalt und „wirksamen Nutzerschutz“ gewesen. Ein Nutzerschutz, wie er beispielsweise Ausdruck im Medienführerschein Bayern finde. Zwei Ziele, die auch Amtsnachfolger Dr. Thorsten Schmiege mit Nachdruck weiterverfolgen will.
Um die Medienvielfalt zu sichern, bedarf es jedoch einer Fortentwicklung des bislang noch fernsehfokussierten Konzentrationsrechtes, in das auch die so genannten Medienintermediäre wie Suchmaschinen und soziale Netzwerke einbezogen werden. Das hat Schneider in vielen Gesprächen mit der bayerischen Medienpolitik und auf Veranstaltungen der BLM immer wieder betont. Grundlage für entsprechende gattungsübergreifende Konzentrationsmodelle bilden Forschungserkenntnisse der Landeszentrale und Kooperationsprojekte mit anderen Medienanstalten wie der Medienvielfaltsmonitor.
Zt: Miteinander statt übereinander reden
Nicht übereinander, sondern miteinander reden – auf allen Ebenen der Medienpolitik (Bund und Länder) und in der Branche. Das ist im MTM-Podcast „Zehn Jahre im Zentrum des Medienwandels“ seine Empfehlung für die Zukunft, an die er sich selbst auch immer gehalten habe. Als ehemaliger Kultus- und Medienminister bzw. Leiter der Bayerischen Staatskanzlei hat der frühere Politiker schnell gelernt, Herausforderungen anzunehmen. Zum Beispiel auch diejenige, die bayerische private Rundfunklandschaft als Präsident der Landeszentrale in die digitale Zukunft zu führen. Ob er seine Entscheidung, das Amt zu übernehmen, jemals bereut habe, wird er im Abschiedsinterview mit Niederbayern TV gefragt. Nein: „Ich habe damals ja gesagt und hab’s nie bereut“, so seine Antwort.
Auch wenn er sich jetzt im Ruhestand darauf freut, mehr Zeit mit den Kindern und Enkelkindern zu verbringen, „ohne permanent den Verantwortungsdruck zu spüren“, will Schneider trotzdem die Entwicklung der Medienbranche weiter aufmerksam verfolgen, z.B. durch Besuche auf den Lokalrundfunktagen und den Medientagen München, die von der Medien Bayern GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der BLM, veranstaltet werden. „Die ist ja fast mein Baby“, bekennt er im MTM-Podcast und kommt in diesem Zusammenhang auf die enorme Bedeutung von Vernetzung und Austausch zu sprechen.
Die Medien.Bayern GmbH, unter deren Dach die Medientage, das Mediennetzwerk Bayern, die Start-up-Schmiede Media Lab Bayern, x:plr Media in Bavaria und das XRHub Bavaria und die Ausbildungsinitiative Start into media vereinigt sind, ist laut Schneider der Nukleus für alle Aktivitäten, um das „Ökosystem am Medienstandort Bayern mit Leben zu füllen.“ In welchen Dimensionen 2012 schon gedacht wurde, zeigt der während einer Reise nach Kalifornien erdachte Arbeitstitel „MIB“, also Medieninnovation Bayern, vielleicht in Anlehnung an das bekannte MIT?
Zt: In Bayern daheim und in der Welt zuhause
Informationsreisen nach Kalifornien oder in andere Länder, die in Sachen Digitalisierung eine Pionierfunktion hatten und haben, bestätigten den BLM-Präsidenten in seinem Denken, den Blick zu weiten für neue Entwicklungen und Innovationen. Vor allem ging es ihm darum, „Silodenken zu durchbrechen“ und zu beobachten, mit welchen anderen Branchen es Berührungspunkte gibt, zum Beispiel mit der Automobilbranche. Ein Grund, warum das Mediennetzwerk Bayern auch auf der IAA in München vertreten war. Wenn irgendwann das autonome Fahren zur Selbstverständlichkeit wird, wandelt sich das Auto zum Entertainment-Center, in dem via DAB+, Mobilfunk und Internet Text-, Audio und Videomedien präsent sind.
Doch nicht nur auf die Vielzahl der Übertragungswege und Medienangebote kommt es an, sondern vor allem auf verlässliche Informationen. Damit könnten in der Region die lokalen Radio- und TV-Stationen punkten, betont der heimatverbundene, ehemalige Pädagoge, dem die Stabilisierung des lokalen Rundfunks und die Förderung der Medienausbildung ein großes Anliegen war und ist.
In der Mediaschool Bayern lerne der Nachwuchs vom ersten Tag an, Medien zu gestalten und zwar passgenau für alle Kanäle, so Schneider in seinen Abschiedsinterviews. „Musik abspielen kann doch jeder“, aber regionale Informati0nen qualitativ hochwertig aufzubereiten, müsse eben gelernt werden.
Gelernt sein will auch das Spielen eines Instruments. Das beherrscht das ehemalige Bandmitglied meisterlich, wie der BLM-Präsident zum Abschluss der Stabübergabe zeigte. Zusammen mit Musikbegeisterten aus Lokalsendern und dem Medienratsvorsitzenden rockte er die Bühne in der Landeszentrale. Ein musikalischer Ausklang der besonderen Art mit: Stefan Bäumler, Harald Hoffend, Walter Keilbart, Johannes Muhr, Steffi Schaller und Willi Schreiner.
Im Ruhestand hat Schneider nun mehr Zeit, seiner Leidenschaft für Musik und das Wandern nachzugehen. Einen Namen für seinen eigenen Radiosender hätte er übrigens schon, verriet er im Gespräch mit blmplus zu seinem 60. Geburtstag: „Querbeet“ könnte die Station heißen: mit Musik, die von bayerischen Couplets bis hin zu Clearwater-Revival-Songs reicht.
Wird aus dem Ruhestand vielleicht ein „Unruhestand“ mit Reisen um die Welt? Sicher nicht, ist sich der heimatverbundene Oberbayer sicher: „In Bayern ist es doch am schönsten.“
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