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15.01

Bin ich schon Sklave meines Handys?

von Markus Salinger unter Netzwelt

Am 29. Januar findet das Bayreuther Mediengespräch zum Thema „Digitaler Dauerstress? Das Smartphone zwischen Helfer und Suchtfaktor“ statt. Markus SalingerOberarzt der Abteilung Klinische Suchtmedizin im Bezirkskrankenhaus Bayreuth, hält den Einführungsvortrag „Bin ich Sklave meines Handys? Verhaltenssüchte. Trenddiagnose oder Realität?“ Auf Blmplus gibt er einen Einblick, woran man merkt, dass etwas nicht stimmt, und klärt auf, wie man Verhaltenssüchte verhindern kann.

Das Smartphone gehört nicht an den Esstisch

Wie oft haben Sie heute schon auf Ihr Smartphone gesehen und kontrolliert, ob jemand das tolle Foto, das Sie bei Instagram gepostet haben, geliked hat? 100 mal sieht der durchschnittliche Smartphone-Nutzer pro Tag auf sein Handy. Hochgerechnet auf eine durchschnittliche Lebenserwartung verbringt ein Handynutzer so elf Jahre seines Lebens damit, auf den kleinen Bildschirm in seiner Hand zu starren. Nicht nur Drogen und Alkohol machen abhängig. Auch das Smartphone kann das.

Die Handysucht ist eine Verhaltenssucht

Die Handysucht gehört damit zum weiten Feld der Verhaltenssüchte. Zu den Verhaltenssüchten zählen beispielsweise auch die Kaufsucht, die Arbeitssucht, die Sportsucht. Der Mensch wird abhängig, die Wirtschaft jubelt. Denn die nutzt im Hintergrund diese Sucht gnadenlos aus. Es gibt ganz klare Mechanismen, die wirtschaftlich gebraucht werden, um Menschen in die Abhängigkeit zu bringen. Der Abhängige nämlich kauft. Die nächste App, das nächste Spiel, das nächste Schnäppchen.

Das Prinzip, das genutzt wird, ist das Belohnungssystem. Jedes „gefällt mir“ in sozialen Netzwerken ist ein „virtuelles Wangenküsschen. Der Nutzer bekommt Aufmerksamkeit, er bekommt Bestätigung. Doch die Bestätigung lässt sich nicht berechnen. Also wartet man darauf. Und das fixt einen an. Nicht zu wissen, wann die Bestätigung kommt, macht abhängig.

Viele der Süchtigen sind hochprofessionelle Leute

Während man Alkoholikern oder Drogenabhängigen oft ansieht, dass sie süchtig sind, ist eine Verhaltenssucht heimtückischer. Sie ist nicht sichtbar, sie läuft im Hintergrund, nicht offensichtlich. Im Gegenteil. Viele der „Süchtigen“ sind hochprofessionelle Leute mit einem guten Job und mit Familie. Die Sucht kann sich unter dem Deckmäntelchen der Kreativität (tolle Fotos auf Instagram, Kontaktpflege in sozialen Netzwerken) verstecken. Es ist nachgewiesen, dass ein Handy, allein wenn es auf dem Tisch liegt, die Aufmerksamkeit des Menschen beeinträchtigt.

Technische Entwicklungen dürfen nicht verteufelt werden. Auch das Smartphone nicht. Aber man muss sich klar machen, welche Probleme entstehen können, wenn das Handy das Leben bestimmt.

 

So merkt man, dass etwas nicht stimmt:

Kritisch wird der Gebrauch von Smartphones, wenn man merkt, dass die Kontrolle entgleitet.

Kritisch wird es, wenn ich Dinge mache, ohne dass ich sie machen will.

Kritisch wird es, wenn ich immer öfter und immer länger das Handy nutze.

Kritisch wird es, wenn ich damit weitermache, obwohl es negative Konsequenzen hat (weil ich beispielsweise meine Arbeit vernachlässige).

Kritisch wird es, wenn es eigentlich gar keinen Spaß mehr macht, ich aber trotzdem nicht davon los komme.

 

So lässt sich eine Verhaltenssucht verhindern:

Treffen Sie bewusst Entscheidungen: Beispielsweise das Laptop eben nicht mit an den Strand zu nehmen, um berufliche E-Mails zu checken.

Schaffen Sie Raum für arbeitsfreie, gaming-freie und bildschirmfreie Zeiten.

Leben Sie als Erwachsener den Kindern einen bewussten Umgang mit dem Smartphone vor. Das Smartphone gehört nicht an den Esstisch.

Vereinbaren Sie mit Jugendlichen Medienzeiten, lassen Sie sich von ihrem Kind zeigen, was es in dieser Zeit macht, kommen mit ihm darüber ins Gespräch, tauschen sie sich aus.

Schalten Sie Push-up-Meldungen ab.

Führen Sie sich mit ihren Handynutzer-Daten vor Augen, wie viel Zeit sie am Smartphone verbringen.

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Menschen, nicht auf Bildschirme.

 

Markus Salinger

Der Suchtmediziner Markus Salinger arbeitet seit 15 Jahren am Bezirkskrankenhaus Bayreuth. Seit drei Jahren ist er als Oberarzt der Klinischen Suchtmedizin tätig, vorher war er in der Psychiatrischen Institutsambulanz, hat dort, wie er sagt, „viele Menschen mit Ressourcen“ kennen lernen dürfen. In der Suchtmedizin geht es Markus Salinger um die Prävention – ihm liegt daran, dass Menschen gar nicht erst in eine Sucht rutschen.

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