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29.09

Wie You Tube & Co die TV-Welt verändern

von Bettina Pregel unter TV

Ist das klassische lineare Fernsehen wirklich tot, wie manche Experten behaupten? Wie You Tube und Netflix die TV-Welt verändern, ist das Thema der Augsburger Mediengespräche am Montag, 5. Oktober. BLMplus hat den Podiumsgästen Joyce Ilg, Sebastian Meichsner (C-Bas) und Prof. Dr. Claudia Wegener drei Fragen zum Verhältnis von Fernsehen und You Tube gestellt. Ein Ergebnis: Die You Tuber sind näher dran an ihren meist jugendlichen Fans und genießen als Macher die Freiheit, sich austoben zu können. Doch das Fernsehen und seine Stars sterben sicher nicht aus.

C-Bas von Bullshit TV: „Maximale künstlerische Freiheit“

BLMplus: Le Floid wurde beim Social TV-Summit 2015 schon als Nachfolger von Stefan Raab bei ProSieben gehandelt? Dabei ist doch Ihr You Tube-Kanal „Bullshit TV“ viel näher dran an „TV Total“. Können Sie sich vorstellen, ins Fernsehen zu wechseln?

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Sebastian Meichsner, alias C-Bas, von Bullshit-TV.

Sebastian Meichsner: Wir haben immer gesagt, dass wir uns durchaus vorstellen können, etwas im Fernsehen zu machen, wenn es zu uns passt. Ein vollständiger Wechsel ist für uns aktuell aber ausgeschlossen, da wir Bullshit TV und die maximale künstlerische Freiheit, die wir dort genießen, nicht einfach so aufgeben wollen. Ansonsten sind wir aber grundsätzlich immer offen für Gespräche mit Sendern und mögliche Projekte im TV.

Was wirkt sich stärker auf den Bekanntheitsgrad eines You Tubers aus: ein Auftritt in einer bekannten TV-Show oder die Präsenz in den sozialen Netzwerken?

Das ist schwierig zu messen. Auf die reinen Zahlen, also auf Abonnenten, Likes und dergleichen wirkt sich eine starke Präsenz in den sozialen Netzwerken natürlich deutlich stärker aus. Wenn z.B. ein Video auf Facebook viral ist und von vielen Usern geteilt wird, dann erreicht man binnen kürzester Zeit unzählige Menschen, die nur einen Klick vom Abo oder vom Teilen deines Contents entfernt sind.

BullshitTV

Mit Flachwitzen bekannt geworden: die Jungens von Bullshit-TV. Foto: Stefan Braunbarth

Der Fernsehzuschauer muss da einen längeren Weg gehen, weshalb sich ein Auftritt im TV nicht automatisch so in den Statistiken niederschlägt, wie die Einschaltquote vielleicht vermuten lässt. Dennoch steigert so ein Auftritt natürlich die Bekanntheit, gerade weil man auch Leuten vorgestellt wird, die noch nicht aktiv Content im Netz konsumieren.

„Wie You Tube, Netflix & Co die Fernsehwelt verändern!“, lautet das Thema der Augsburger Mediengespräche. Wie hat sich denn Ihr Fernsehverhalten in den letzten fünf Jahren verändert, egal, über welches Gerät?

Ich schaue definitiv deutlich weniger Fernsehen als noch vor fünf Jahren. Mein TV-Konsum beschränkt sich mit wenigen Ausnahmen auf Nachrichten und Sport, insbesondere Fußball. Filme und Serien schaue ich ausschließlich on-Demand und auch US-Sport, für den ich mich ebenfalls sehr begeistere, rufe ich nur noch über Angebote wie den „League Pass“ der NBA ab.

Joyce Ilg: „Fernsehen muss mutiger werden“

BLMplus: Sie haben auf Ihrem You Tube-Kanal die typischen Seriengucker auf’s Korn genommen: Was ist denn Ihre Lieblingsserie gewesen bzw. welche ist es heute? Oder schalten Sie das Fernsehgerät gar nicht mehr an?

Joyce Ilg

Auf You Tube ist man näher dran an seinen Zuschauern, findet Joyce Ilg. Foto: Chris Wolf

Joyce Ilg: Früher habe ich mega gerne „24“ und „Prison Break“ geschaut, spannende Serien halt. Generell schaue ich mittlerweile fast nur noch langlaufende Serien mit einem größeren Spannungsbogen. Alles im Internet. Den Fernseher mache ich tatsächlich kaum noch an, weil mich das meiste nicht interessiert und dafür ist mir die Zeit dann zu schade ;-).

Wie You Tube und Netflix die Fernsehwelt verändern, ist das Thema der Augsburger Mediengespräche. Was für eine Antwort haben Sie darauf?

Ich glaube, dass unsere Art von Medienkonsum sich immer mehr zum „Ich gucke, wann ich das will, was ich will und wann ich Zeit dafür habe“ verändert. Man ist nicht mehr abhängig von festen Zeiten und wird sich an diese Annehmlichkeiten gewöhnen. Youtube ist in meinen Augen aber nicht direkt mit Netflix vergleichbar, weil bei Youtube halt jeder alles einstellen kann, während Netflix nur professionelle Sachen produziert. Es gibt natürlich noch mehr Argumente für Online Konsum – wie beispielsweise auch die Menge an Auswahl.

Was man momentan bereits beim Fernsehen merkt, dass sie versuchen die Internet-Welt mit ihrer Welt zu verknüpfen. Sei es durch Formate, die so angelegt sind, dass man im Netz Zusätze schauen kann oder Votings für Sendungen machen kann oder dass sie Personen aus dem Internet in ihre Formate setzen. Die Mediatheken der Sender liefern mittlerweile fast alle Sendungen, die im TV gelaufen sind und in selteneren Fällen sogar bereits, bevor sie im Fernsehen erscheinen.

Ich denke, Fernsehen muss offener für mutige Konzepte werden, damit der ständige Einheitsbrei auf allen Sendern nicht die Zuschauer vergrault. Auf lange Sicht werden irgendwann nur noch Generationen bestehen, die mit dem Internet, der Flexibilität und der Vielfalt groß geworden sind. Und da braucht es gute Argumente, nicht am Flachbildschirm im Wohnzimmer den Google Chromecast einzustöpseln oder Amazon Prime zu wählen statt nur die klassischen TV-Sender.

Ich glaube, es wird viel mehr Vermischung geben und Fernsehen wird einfach weniger Zuschauer haben und weniger Gelder. Aber ich glaube nicht, dass es ausstirbt. Es wird nur andere Formen annehmen.

Was sind aus Sicht einer TV-Moderatorin, die Sie ja auch waren/sind, die Vorteile eines eigenen You Tube-Kanals gegenüber einer Fernsehsendung?

Joyce Ilg

Künstlerisch austoben, will sich Joyce Ilg auf ihrem You Tube-Channel. Foto: Chris Wolf

Ich habe früher viel als TV-Moderatorin gearbeitet, aber ich distanziere mich mehr und mehr davon. Beim Fernsehen werden einem Vorgaben gemacht, was man zu sagen und zu lassen hat. Auf meinem YouTube-Channel sieht man mich ohne Einschränkungen, so wie ich bin.

Weitere Vorteile von You Tube gegenüber TV (wichtig: Natürlich hat auch das Fernsehen Vorteile gegenüber YT!):
– Für mich als Macherin: Man hat die Freiheit sich auszutoben und auszuprobieren. Man kann mutigere Formate machen. Beim Fernsehen hab‘ ich oft das Gefühl gehabt, viele Köche verderben den Brei. Es reden so viele, so wichtige Menschen mit rein in eine Sendung, dass am Ende keiner so 100% dahinter steht. Viele Arbeitsschritte werden auch von Menschen gemacht, bei denen kein Herzblut dahinter steckt. Es ist einfach nicht das eigene Baby, sondern man macht es für’s Geld.

– Für den Zuschauer: Man kann die Videos positiv und negativ bewerten und anhand der Kommentarfunktion Inhalte mit bestimmen und Feedback geben. Außerdem ist man näher dran an seinen Vorbildern und Personen, die man cool findet, als beim Fernsehen. Es ist nicht so künstlich wie eine Show, wo jeder vor der Kamera vorher eine Stunde in der Maske saß und nicht mehr aussieht wie ein normal Sterblicher.

Claudia Wegener: „TV-Stars haben nicht ausgedient“

Manche You Tuber erreichen bei Jugendlichen mittlerweile einen Bekanntheitswert, den die Fernsehmacher mit ihren „Stars“ auf dem Bildschirm in der jungen Zielgruppe auch gern erreichen würden. Haben You Tube, Netflix & Co die Fernsehwelt so nachhaltig verändert, dass die Zeiten von TV-Lieblingen wie Stefan Raab vorbei sind?

Claudia Wegener

Claudia Wegener: Genau zwischen TV- und You Tube-Stars unterscheiden.

Prof. Dr. Claudia Wegener: Im Moment gehen wir nicht davon aus, dass die bewährten TV-Stars grundsätzlich ausgedient haben. Wenn wir uns mit Jugendlichen unterhalten, wird ziemlich schnell deutlich, dass es sich hier um verschiedene Arten von Stars handelt: Die TV- oder Filmstars sind der eigenen Lebenswelt entrückt und wirken weniger nahbar. Das sind immer noch die Idole im klassischen Sinn, die uns in eine andere Welt führen und wenig mit dem eigenen Alltag gemein haben.

YouTuber hingegen wirken häufig schon durch ihre Themen nahbar, mit ihnen können sich Jugendliche gut identifizieren. Zudem sehen die jungen Fans die Möglichkeit, eigenproduzierte Videos online zu stellen und damit möglicherweise auf Resonanz zu stoßen; auch das bringt ihnen die YouTube-Macher näher. In einer unserer Studien hat ein Fan seinen Lieblings-YouTuber als „virtuellen Freund“ bezeichnet. Diese Umschreibung trifft das Phänomen ganz gut.

Mit dem Erzählen von Flachwitzen oder Rollentausch (Kinder mit ihren Eltern oder Lehrern) punkten Bullshit-TV oder Joyce Ilg bei ihren Abonnenten. Ein Mix aus „TV total“ und Buzzfeed (nach dem Motto „10 Dinge, die…). Was unterscheidet diese Videoformate von Unterhaltungsformaten im Fernsehen?

Die Videoformate sind in der Regel zunächst einmal deutlich kürzer als übliche TV-Formate. Sie lassen sich schnell und flexibel in den Alltag integrieren, bei Bedarf abrufen und taugen zur kurzfristigen Entspannung oder Erheiterung. Gerade diese Flexibilität schätzen jugendliche Nutzer sehr. Zudem scheinen die Akteure erreichbar. Über die Kommentarfunktion können junge Nutzer mit den Machern in Kontakt treten und erhalten so zumindest das Gefühl, sie stünden im direkten Austausch mit ihnen; auch das macht sie attraktiv.

Schließlich schätzen Jugendliche im Internet besonders solche Angebote, die sich durch Humor und Witz auszeichnen. Da die jeweiligen Akteure oftmals nicht viel älter sind als ihre jungen Zuschauer, wissen sie, was bei den Fans ankommt. Dass Erwachsene, Eltern und Lehrer diesen Humor nicht immer teilen, macht ihn für Teenager umso attraktiver.

Welche gesellschaftlichen Auswirkungen sind mit dem veränderten Bewegtbildkonsum verbunden?

Die zunehmende Segmentierung des Medienangebotes, verbunden mit flexiblen Nutzungsformen und -zeiten führt dazu, dass Nutzergruppen immer kleinteiliger definiert werden. Insofern bleibt abzuwarten, inwiefern Medien auch künftig noch dazu beitragen werden, Gemeinschaft zu stiften. Wesentlich für die Entwicklung des Bewegtbildkonsums ist sicherlich auch, dass die Grenze zwischen Nutzern und Produzenten immer weiter verwischt.

Die Möglichkeit, als YouTube-Macher Popularität zu gewinnen, scheint vielen Jugendlichen bereits heute erstrebenswert. Dass es dabei immer auch um die Generierung von Aufmerksamkeit geht, um Selbstdarstellung und den Wunsch nach öffentlicher Anerkennung ist zu bedenken, kritisch zu reflektieren und vor allem auch von medienpädagogisch arbeitenden Institutionen zunehmend stärker in ihre Arbeit einzubeziehen.

Infos zu den Augsburger Mediengesprächen 2015:

SnippingWann? Montag, 5. Oktober, ab 18.30 Uhr; Einlass: 18 Uhr

Wo? Rathaus Augsburg, Oberer Fletz

Wer? Auf d. Podium diskutieren Kai Blasberg (Tele 5), Joyce Ilg und Sebastian Meichsner (Bullshit-TV), Jannis Kucharz (netzfeuilleton.de) und Prof. Dr. Claudia Wegener (Filmuniversität Babelsberg). Moderation: Silvia Laubenbacher, at.v

Gastgeber sind die Augsburger Medienunternehmen (a.tv, hitradio rt1, Radio Augsburg, Radio Fantasy, Mega Radio), die Stadt Augsburg und die BLM. Karten gibt es beim AZ-Kartenvorverkauf u. über eventim.de. Infos unter www.medienpuls-bayern.de.

 

 

 

 

 

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