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28.03

Wie können regionale Medienunternehmen KI nutzen?

von Roland Frank unter Netzwelt

Bislang gibt es kaum Berührungspunkte zwischen lokalen Medienanbietern und den Möglichkeiten, die die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Erstellung von Medienprodukten bieten. Das wird sich in den kommenden Jahren schlagartig ändern. Prof. Dr. Roland Frank von der Media Design Hochschule sieht den Einsatz von KI mehr als Chance denn als Bedrohung für regionale Medienunternehmen.

Schnelle Recherche durch KI-basierte Gesichtserkennung

KI-basierte Gesichtserkennung hilft bei der Recherche, auch in regionalen Medienunternehmen. Foto: Fotolia

Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie sind ein Redakteur eines regionalen TV-Senders. Telefonisch werden Sie informiert, dass der Trainer des ansässigen Fußballvereins am frühen Nachmittag entlassen wurde. An seiner Stelle übernimmt ab morgen ein bekannter ehemaliger Spieler aus der Bundesliga  das Training.

Bis zu den Lokalnachrichten um 18:30 Uhr haben Sie nicht mehr viel Zeit. Wie können Sie in so kurzer Zeit das vorhandene Filmmaterial nach dem Bundesligastar durchsuchen?

Große TV-Sender erstellen bis heute manuell Schlagwort-Kataloge, um das eigene AV-Bildmaterial blitzschnell durchforsten zu können. Doch kleine Sender können einen solchen Aufwand nicht betreiben. Sie sind daher auf das Bildmaterial der Presseagenturen angewiesen.

Das kann sich in Zukunft aber ändern. Mittels KI-basierter Gesichtserkennungs-Software lassen sich riesige Datenbestände in Millisekunden nach dem entsprechenden Gesicht durchforsten.

Die Software liefert automatisiert Filmausschnitte an den Redakteur, der diese in seine Berichterstattung einbauen kann. Unternehmen wie Amazon bieten bereits heute solche Softwarelösungen in der Cloud an, die per Knopfdruck in ein Redaktionssystem integriert werden können.

Einsatzszenarien der KI entlang der Arbeitsprozesse von Medienunternehmen

Entlang der Arbeitsprozesse in Medienhäusern können KI-Systeme auf allen Stufen eingesetzt werden. Dies soll anhand ausgewählter Beispiele verdeutlicht werden:

  1. Für Nachrichtenanbieter gibt es bereits heute KI-basierte Software, die aus den Inhalten der Nachrichtenagenturen und der Redaktion (Bilder, Text, Videos) eigenständig Videos erstellt, die direkt auf den Online-Seiten veröffentlicht werden können. Ein Beispiel für diese Entwicklung liefert das StartUp Wibbitz.
  2. KI-gestützte Real-Time-Monitoring-Systeme wie Hootsuite helfen Nachrichtenredakteuren dabei, die aktuellen Themen und Nachrichten aus den riesigen Datenmengen herauszufiltern, die jeden Tag auf Social Media-Plattformen produziert werden. Softwareanbieter wie Quicksearch gehen noch eine Stufe weiter und analysieren auf Social Media-Plattformen die Stimmung der Nutzer gegenüber Trends, Marken und Begriffen.
  3. Empfehlungsalgorithmen wie der von Spotify lernen die Mediennutzungsgewohnheiten der Konsumenten kennen und schlagen dem Konsumenten Medieninhalte vor, die zu seiner aktuellen Stimmung (Wochenende, Feierabend) passen.

All diese Anwendungsszenarien von KI in der Mediennutzung klingen auf den ersten Blick ungemein technisch. Viele Mitarbeiter in den regionalen Medienhäusern werden intuitiv den Kopf schütteln und sagen: Das können wir mit unseren begrenzten technischen Mitteln nicht in naher Zukunft  – und schon gar nicht ohne großen Aufwand – in unsere eigenen Arbeitsprozesse integrieren.

Speech-to-Text-Systeme nutzen

Roland Frank

Prof. Dr. Roland Frank empfiehlt auch lokalen Medienunternehmen, KI zu nutzen. Foto: MDH

Diese Annahme ist aber falsch, was folgendes Beispiel zeigt: Ein wichtiges KI-System, das in den vergangenen Jahren eine Leistungsfähigkeit erreicht hat, die auch einen professionellen Einsatz in der Medienproduktion ermöglicht, sind die so genannten Speech-to-Text Systeme. Diese Algorithmen sind in der Lage, gesprochene Texte in Echtzeit in geschriebenen Text umzuwandeln.

Um ein solches System in der Redaktion zu nutzen, ist es heute nicht mehr notwendig, dass die Entwickler im Unternehmen ein solches System selbstständig programmieren. Vielmehr reicht es aus, wenn die IT-Abteilung einen Datentransfer via API („Application Programming Interface“) zu den Cloud-Diensten der großen Hersteller wie Amazon, Google oder Microsoft ermöglicht.

Konkret heißt das: Die Audio-Daten (in diesem Fall ein Interview, das vor einer Stunde geführt wurde) werden vom Redakteur per Knopfdruck in die Cloud geladen, und schon nach wenigen Augenblicken erhält er die geschriebene Fassung der Audioinhalte. Und zwar in dem Textformat, das der Redakteur zuvor eingestellt hat. Für welchen Anbieter sich die IT-Abteilung dabei entscheidet, spielt keine Rolle.

Klingt einfach? Ist es auch!

Keine Berührungsängste haben!

Die Berührungsängste regionaler Medienunternehmen mit der Zukunftstechnologie KI sind immer noch groß. Für viele stellen die neuen Möglichkeiten eher eine Bedrohung als eine Chance dar. Genau das Gegenteil ist aber richtig: Speziell kleine (Medien-)Unternehmen können von den Vorteilen der neuen Technologien profitieren und so den Abstand in der Professionalisierung – sowohl bei der Content-Erstellung als auch bei der Werbeplatzierung – zu den großen Medienhäusern verringern. Das Ergreifen dieser Chance bedarf vor allem des Muts der jeweiligen Geschäftsleitung oder der jeweiligen IT-Abteilung, sich mit den neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.

Hinweis:

Prof. Dr. Roland Frank hat im Rahmen der media.projects-Initiative der BLM mit seinen Studenten der Media Design Hochschule in München an einem Ideation-Workshop zu den Chancen von Cloud-Computing für Lokalsender mitgewirkt. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, die Einsatzmöglichkeiten von KI für regionale Medienunternehmen an Beispielen zu zeigen.

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