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04.08

Wer hat im Netz das Sagen?

von Adrian Gerlitsch unter Netzwelt

Wer Meinungsvielfalt messen will, darf auch vor dem Internet nicht Halt machen. Doch nicht jede Website ist ein meinungsrelevantes Medienangebot. Eine Unterscheidung tut not.

Der von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) entwickelte MedienVielfaltsMonitor ermittelt die Konzentration und Meinungsvielfalt in der deutschen Medienlandschaft. Im Gegensatz zum gängigen fernsehzentrierten Modell bedient er sich dabei gezielt eines crossmedialen Ansatzes. Der MedienVielfaltsmonitor berücksichtigt die Nutzeranteile in den Medienmärkten TV, Radio, Tageszeitungen, Zeitschriften und Online und macht somit sichtbar, über welchen Anteil an der Meinungsmacht ein Medienanbieter gattungsübergreifend verfügt.

Die Argumente für eine solche Anpassung liegen auf der Hand: Längst ist das Fernsehen nicht mehr das alleinige Leitmedium, insbesondere in der jungen Zielgruppe. Einer Untersuchung zufolge, die Infratest 2013 im Auftrag der BLM durchgeführt hat, nennen knapp 49 Prozent der 14- bis 29-jährigen mittlerweile das Internet als ihr wichtigstes Informationsmedium. Dass bei der Axel Springer SE im ersten Quartal 2014 das digitale Geschäft erstmals für mehr als die Hälfte der Konzernerlöse verantwortlich war, zeigt, wie sich mit dem Nutzungsverhalten auch für die Anbieter die Prioritäten ändern.

Nicht jede Website ist meinungsrelevant

Ein zeitgemäßes Modell zur Messung von Medienkonzentration kommt also nicht umhin, insbesondere die Nutzung von Online-Medien mit einzubeziehen. Viel schwieriger ist die Frage zu beantworten, welche Internetangebote überhaupt Medien im Sinne von Kommunikationsmitteln, die zur Information und Meinungsbildung der Bevölkerung beitragen, sind und somit Gegenstand der Ermittlung von Medienkonzentration.

News Reporter

Kriterium für Meinungsrelevanz: professionelle Selektion von Nachrichten und Informationen. Foto: Fotolia

Ist ebay ein Massenmedium? Sollen die Telefonate von etwa 14 Mio. Deutschen, die im Laufe eines Monats dazu skype nutzen, in einem Modell zur Messung von Medienkonzentration Berücksichtigung finden? Und wie sind Plattformen zu bewerten, deren Inhalte nutzergeneriert sind, wie bspw. Facebook, Youtube oder die Ratgeber-Community gutefrage.net, wo es doch letztlich darum geht, vorherrschende Meinungsmacht von Unternehmen zu verhindern?

Der MedienVielfaltsMonitor greift auf das aus der Soziologie stammende Konzept der Medienöffentlichkeit zurück, um der strukturellen Unübersichtlichkeit des Internets Herr werden und Online-Medien von der Vielzahl anderer Internetanwendungen unterscheiden zu können. Danach muss ein Online-Angebot drei Kriterien erfüllen, um als meinungsrelevantes Medienangebot und somit als Gegenstand der Ermittlung von Medienkonzentration zu gelten:

  1. Ein professioneller Selektionsprozess ist erkennbar, d.h. Themenauswahl und Agenda-Setting finden statt.
  2. Das Angebot weist einen hohen Grad an Organisation und Institutionalisierung auf, d.h. kommuniziert wird in spezifischer Aktualität und Periodizität; allgemeine Zugänglichkeit und Verfügbarkeit.
  3. Es gibt asymmetrisch fixierte Hörer- und Sprecherrollen, d.h. Kommunikatoren und Vermittler sind dauerhaft und deutlich von den Publikumsrollen unterschieden.

Mithilfe dieser Unterscheidung identifiziert der MedienVielfaltsMonitor einen Markt meinungsrelevanter Online-Medien, der derzeit aus mehreren hundert Websites besteht. Der größte Anteil an der Meinungsmacht im Web entfällt demnach auf die Online-Ableger der Leitmedien aus den Bereichen Print und TV. Online-Startups mit redaktionellen Informationsangeboten stellen eher die Ausnahme dar. Einen beachtlichen Marktanteil erzielen die Freemail-Webportale wie t-online, GMX oder web.de, die ihre Nutzer gewohnheitsmäßig auf Nachrichtenseiten empfangen. Zusammen genommen entfallen auf diesen Angebotstyp knapp 20 Prozent der meinungsrelevanten Internetnutzung.

Nutzeranteile im Internet

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