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01.08

Was zeigt uns Google, wenn wir suchen? Ergebnisse des #Datenspende-Projekts

von Adrian Gerlitsch unter Netzwelt

Was haben Internetnutzer in Deutschland während des Bundestagswahlkampfs 2017 für Ergebnisse zu sehen bekommen, wenn sie mit Google nach den Namen von Parteien und deren Spitzenkandidaten gesucht haben? Diese Frage hat das Forschungsprojekt #Datenspende untersucht, das im Auftrag der BLM und fünf weiterer Landesmedienanstalten die Personalisierung von Google-Suchergebnissen analysiert hat. Der Abschlussbericht zeigt, dass die Selektion durch Algorithmen bei Google Grenzen hat.

Google-Suche und die politische PR

Wer im Bundestagswahlkampf die zur Wahl stehenden Parteien gegoogelt hat, hat als Ergebnisse überwiegend politische PR erhalten. Inhalte von Medienanbietern machten nur 26 Prozent der Treffer auf der ersten Suchergebnisseite aus. Stattdessen führten 34 Prozent der Treffer unmittelbar auf die Webseiten von Parteien, Parteiangehörigen oder Ortsverbänden. Weitere 17 Prozent der Suchergebnisse waren Social-Media-Profile, deren Inhalte ebenfallls der unbeschränkten Kontrolle durch PR-Abteilungen der Parteien unterstehen.

Parteien unterschiedlich gut bei der SEO-Optimierung

Die Parteien waren zudem unterschiedlich gut darin, Webseiten, deren Inhalte sie selbst kontrollieren, wie eigene Homepages oder Social-Media-Accounts, auf die erste Ergebnisseite der Google-Suche zu bringen. Während bei den Suchbegriffen „Bündnis90/Die Grünen“ 75 Prozent und bei „Die Linke“ immerhin noch 67 Prozent der Treffer auf parteieigene Websites oder Social-Media-Profile führten, waren es bei der Suche nach „AfD“ nur knapp 23 Prozent. Bei der Suche nach „CDU“ lag der Anteil selbst kontrollierter Treffer bei rund 51 Prozent, bei der „SPD“ waren es 40 Prozent.

Katharina Zweig #Datenspende

Im Februar präsentierte Katharina Zweig erste Ergebnisse des #Datenspende-Projekts in Berlin. Foto: Henning Schacht/BLM

Die Ergebnisse stammen aus dem Forschungsprojekt #Datenspende im Auftrag der BLM und fünf weiterer Landesmedienanstalten. Die Leitung des Projekts oblag Professiorin Katharina Zweig von der TU Kaiserslautern. In Kooperation mit Algorithm Watch untersuchte die Informatikerin, was Internetnutzer in Deutschland während des Bundestagswahlkampfs 2017 für Ergebnisse zu sehen bekommen haben, wenn sie mit Google nach den Namen der zur Wahl stehenden Parteien und deren Spitzenkandidaten gesucht haben.

Die Untersuchung basierte auf freiwilliger Teilnahme von Nutzern, die über Spiegel online zur Datenspende aufgerufen wurden, und damit nicht auf einer Zufallsauswahl. Der seit 25. Juli vorliegende Abschlussbericht zum #Datenspende-Projekt, aus dem die beschriebenen Ergebnisse stammen, analysiert die Google-Suchergebnisse von mehr als 1.500 freiwilligen Datenspendern, die in den fünf Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September 2017 alle vier Stunden automatisiert mit Google nach 16 vordefinierten Namen von Parteien und Politikern gesucht haben. Er basiert damit auf einem bereinigten Datenbestand von über 8.000.000 Datensätzen.

Personalisierung nur mit geringem Einfluss auf Suchergebnisse

Das Hauptaugenmerk des #Datenspende-Projekts lag auf der Frage, wie stark die Suchergebnisse verschiedener Google-Nutzer voneinander abweichen, wie personalisiert diese Ergebnisse also sind. Dabei konnte die populäre Filterblasentheorie durch die Studie nicht bestätigt werden. Vielmehr waren sich die Suchergebnisse der Nutzer in der Summe überraschend ähnlich. Offenbar haben persönliche Vorlieben, Interessen und das damit einhergehende Surfverhalten nur einen sehr geringen Einfluss darauf, welche Websites Google seinen Nutzern als Ergebnisse zu ihren Suchanfragen präsentiert. Doch welche Kriterien geben dann den Ausschlag?

Die Beantwortung dieser Frage hat sich die Profession der Suchmaschinenoptimierung (SEO) zur Aufgabe gemacht. SEO-Berater berichten, dass die Reihenfolge der von Google angezeigten Suchergebnisse maßgeblich auf Crawling, Indexierung und Suchalgorithmen beruht. Mithilfe dieser technischen Operationen, bei denen vor allem Häufigkeiten von Schlagworten, Querverweisen zwischen Webseiten und Klicks gemessen werden, könne Google relevantere Webinhalte von weniger relevanten unterschieden und die angezeigten Suchergebnisse entsprechend sortieren.

Selektion durch Algorithmen hat Grenzen

Die Ergebnisse des #Datenspende-Projekts zeigen, dass die Relevanzbemessung und -erzeugung durch Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) anhand solcher quantifizierender Entscheidungsparameter bei einem so sensiblen demokratischen Thema wie Informationen zu einer anstehenden Bundestagswahl an ihre Grenzen stößt, ihre vermeintliche Quasi-Natürlichkeit verliert und diskussionswürdige Ergebnisse erzeugt. Sie machen spürbar, dass „algorithmische Entscheidungsfindung niemals neutral ist“, wie es im Manifest unseres Projektpartners AlgorithmWatch heißt.

Für die Filterung und Einordnung von politischer PR und die Ausgewogenheit der im Rahmen der Berichterstattung berücksichtigten Positionen sind in Gesellschaften, die Meinungsvielfalt zulassen, traditionell hochspezialisierte Journalisten und Redakteure zuständig. Diese verpflichten sich in ihrer Arbeit zudem Grundsätzen wie Unabhängigkeit, Sachlichkeit und der sorgfältigen Prüfung der Wahrheit und Herkunft von Informationen. Zugleich ist die Nachrichtenauswahl anhand journalistischer Selektionskriterien zum Gegenstand zahlloser Untersuchungen und Debatten geworden, letzteres nicht nur in den Disziplinen Kommunikationswissenschaft und Publizistik.

Verhältnis von Nachrichten zu PR

Diese komplexe Realität mithilfe von Algorithmen, die auf Basis vordefinierter Parameter operieren, in eine eindeutige Reihenfolge nach vermeintlicher Relevanz zu bringen, wirft notwendigerweise Fragen nach der Legitimität der getätigten Selektionen auf. Mit dem Verhältnis von Nachrichten zu PR und dem ungleich verteilten Raum für die Selbstdarstellung der Parteien in den Google-Suchergebnissen hat das #Datenspende-Projekt zwei griffige Beispiele dafür entdeckt.

 

 

 

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