03.07
Vom Zuschauer zum Fan
„Dramatisch guter“ Gipfel, so ein Dankeschön per Twitter, tolle Location und launige Referenten – was will man mehr? Der 3. Deutsche Social TV Summit am 2. Juli im Münchner Literaturhaus hatte dieses Jahr einiges zu bieten – vor allem viele Lerneffekte für die mehr als 200 Teilnehmer, die der Einladung der BLM zum Gipfeltreffen folgten.
Was haben wir also gelernt? Beginnen wir mal chronologisch, beim Check in: Es ist nicht zu empfehlen, am Empfang beim Ausgeben der Namensschilder Kaffeetasse und Brezn gleich neben dem Programm liegen zu lassen. Sonst landet man mit einem entsprechend dekorativen Foto ganz schnell im Twitterfeed zum #stvs14 und damit auch in den Trending Twitter topics vom 2. Juli 2014. O.k., dieser Lerneffekt hat gesessen.
Ansonsten lernen wir, das es keine einheitliche Definition von Social TV gibt, zwischen First und Second Screen kaum mehr unterschieden wird und die Begriffsverwirrung groß ist. Wo ist denn nun die Trennlinie zwischen dem klassischen Fernsehen und Social TV zu ziehen bzw. gibt es überhaupt eine?
Nicht wirklich, sie wird in den nächsten Jahren immer mehr verschwinden, denn „Social Media wird fundamentaler Bestandteil von Fernsehen“, so Bertram Gugel, der zu Beginn einen Rückblick und Ausblick zur Entwicklung von Social TV hält. Dennoch wird das klassische lineare Fernsehen nicht aussterben, auch wenn es einige Referenten so postulieren (Christoph Krachten von Mediakraft Networks: „Nutzt das Fernsehen, solange es es noch gibt.“). Andere wie Martin Fisch von zdf.neo halten dagegen und versuchen, die Euphorie etwas zu bremsen. Bisher habe es nicht so gut funktioniert, wenn YouTube-Stars bei ZDFneo eigene Sendungen bekommen hätten. Aber auch Fisch stellt fest, das sich der zuschauergenerierte Content und der produzierte Content immer mehr annähern.
A propos Talente: BLM plus hat bei Christoph Krachten, Präsident von Mediakraft Networks, und Dr. Sebastian Weil, Geschäftsführer ProSieben Digital, nachgefragt, wie sich die Talentsuche für Videoplattformen im Social Web gestaltet.
Die Kreativität im Bewegtbildbereich liegt laut Thomas Elstner, Geschäftsführer von Zuio.tv, jedenfalls im Netz. Trotzdem sollte auf einen produktiven Austausch zwischen den TV-Sendern und Videoplattformen hin gearbeitet werden. Denn in einem sind sich alle Experten im Münchner Literaturhaus an diesem Tag einig: Um die notwendige Verschmelzung von Social Media und Fernsehen auf Content- und Werbungsseite zu nutzen, muss mehr geschehen, als nur Hashtags in Fernsehsendungen einzublenden. Es reicht auch nicht, Tweets im Fernsehen vorzulesen, wie der freie Berater Felix Segebrecht an die TV-Sender appelliert. Nicht nur für Content-Anbieter auch für Werbungtreibende scheinen sich goldene Zeiten zu eröffnen. So erhöht synchronisierte TV- und Online-Werbung, wie sie Dr. Andreas Schröter von wywy vorstellte, die Werbewirkung für Marken.
Dank Social Media gibt es mittlerweile genügend Möglichkeiten, crossmediales Storytelling im Fernsehen zu realisieren, wie die Produzentin Janna Nandzik am Beispiel der Arte-Serie „About:Kate“ erläuterte. Einen Schritt weiter geht das Netwars Project, das die MIQO-Studios produziert haben. Dort werden ganze Storyworlds transmedial aufgebaut – von einer TV-Doku über die TV-Serie und das E-book bis hin zu den passenden Webformaten.
Im Idealfall klappt der „Austausch zwischen Sender und Zuschauer auf Augenhöhe“ (BLM-Präsident Siegfried Schneider in der Eröffnung), wenn die Social Media Kommunikation ins Fernsehgeschehen integriert wird. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen: Denn 2014 ist das „Jahr des Smartphones“, in dem es auf der Welt erstmals mehr Smartphones als TV-Geräte gibt, wie Josh Partidge von Shazam in seiner Keynote erläutert. Also besitzen immer mehr Menschen ein mobiles Zweitgerät (second screen), mit dem sie sich vor, während oder nach dem Fernsehkonsum austauschen.
Die Preisfrage: Worüber tauschen sie sich am meisten aus? Über dramatisch gute oder dramatisch schlechte Inhalte, meint zumindest Felix Segebrecht. Eine weitere Erkenntnis an diesem Tag: Das so wichtige Bewegtbild funktioniert viral nur in fünf Prozent aller Fälle, stellt Martin Dräger von Unruly Media fest. Trotzdem lautet seine Devise: Show, don’t tell. Dass die Bewegtbilder, selbst wenn es PR-Filme sind, aber auch mit Sinn und Verstand eingesetzt werden sollten, demonstriert das ansonsten ambitionierte Medienkompetenz-Projekt www.kiddify.com, in dessen Rahmen Kinder Kniffe für den Videofilmdreh und den Austausch auf sozialen Kanälen verraten bekommen. Im PR-Film dafür muss ein Zehnjähriger allerdings einen kaum erträglichen Marketing-Sprech bewältigen.
Das Fazit von Bertram Gugel aus den vielen Vorträgen und Diskussionsrunden lässt sich einfach merken: Social TV ist erwachsen geworden, nun muss der Weg vom Zuschauer zum Fan gehen.
Mein persönliches Fazit: Einem solch langen Tag tun Breaks durch unterhaltsame Diskussionsrunden einfach gut. Mein persönliches Entertainment-Highlight: die Diskussionsrunde mit Thomas Elstner, Christoph Krachten und Dr. Sebastian Weil. Moderator Michael Praetorius berichtete über ein Foto mit zwei Karohemden von ihm und Christoph Krachten, das im Social Web hohe Aufmerksamkeit genoss. Prätorius zu Krachten: “ Wenn dein Content so relevant ist wie zwei Karohemden, dann brauchst du ein You Tube-Netzwerk.“
Wer noch mehr wissen will, informiert sich am besten auf www.medienpuls-bayern.de.
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