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18.06

Videos, Autoplay und Native Advertising: Social Networks lernen vom Fernsehen und werden selbst zu Sendern

von Bertram Gugel unter Netzwelt TV

Tipp: Mit der Tastatur (j und k) durch den Facebook Newsfeed zappen.

Tipp: Mit der Tastatur (j und k) kann man sich durch den Facebook Newsfeed zappen.

Social TV war lange Zeit eine Einbahnstraße. Es ging darum, ob und wie die Sender Social Media nutzen und in ihre Formate und Inhalte integrieren. Dieser Mechanismus wandelt sich, denn auch die Social Networks lernen vom Fernsehen – vor allem in Ausgestaltung und Vermarktung ihrer Produkte. Während TV die Nutzung unter den klassischen Medien dominiert, sind es im Digitalen die Social Networks, die – vor allem auf Mobile – die Nutzer anziehen und binden. Eine weitere Annäherung von Fernsehen und Social Networks ist also nur ein logischer nächster Schritt.

Bei dieser Annäherung haben mittlerweile die meisten Sender verschiedene Phasen durchlaufen. Ging es zu Beginn lediglich um eine Präsenz und die theoretische Möglichkeit der Ansprache, wurde in einem nächsten Schritt schon aktiv mit den Nutzern kommuniziert, um anschließend Social Networks als Marketingkanal aufzubauen und darüber die eigenen Inhalte anzupreisen und zu promoten.

Nun werden Social Networks immer stärker als vollwertige Kanäle gesehen, die mit eigenständigen Inhalten bestückt werden und Teil einer übergreifenden Dramaturgie sind. Damit haben sich vor allem im letzten Jahr die Social TV-Aktivitäten emanzipiert. Aus Online First wurde Online Original und Social First.

Auch wenn es noch an einigen Stellen knirscht, zeigt z.B. das aktive Bemühen um Webstars und Influencer, wie wichtig den Sendern und Produzenten Online-Reichweite ist. YouTuber sind nicht nur regelmäßig Teil von Formaten und Events im TV (von Wok WM bis zu SternTV), sondern werden zunehmend als Türöffner zu neuen Publikumsschichten gesehen und sollen in dieser Funktion den Sendern helfen, auch wieder stärker im jüngeren Publikum Fuß zu fassen. Ob NDR mit Freshtorge und AlexiBexi, ProSieben mit Studio71, MDR mit MrWissen2go oder RTL mit Comedy Rocket, sie alle verweben auf unterschiedlichsten Ebenen Online-Personalities mit TV.

Die Sender haben somit eine Lernkurve durchlaufen, an deren Ende sie eine Symbiose mit den Social Networks eingegangen sind. Sie liefern breite Aufmerksamkeit, Inhalte und Protagonisten, während die Social Networks für Online-Reichweite, Engagment und vor allem für die Nutzerbindung im Netz sorgen und den Sendern den Zugang zu diesen auf mobilen Geräten erleichtern.

2Social Networks lernen vom Fernsehen

Auf der anderen Seite haben auch die Social Networks einiges von den Sendern und vor allem vom Fernsehen gelernt.

Videos binden Nutzer. Nach und nach haben die Netzwerke verstanden, wie essentiell vor allem Videos sind, um Nutzer lange im eigenen Angebot zu halten. Die Macht der bewegten Bilder hat dabei zwei Komponenten. Einerseits sorgen sie für eine deutlich längere Verweildauer, die neben einem konstanten Nutzerwachstum die zentrale Kenngröße für Social Networks ist, andererseits sind Videos die von Marken präferierte Werbeform und die einzige Möglichkeit für Social Networks, nachhaltig Budgets aus dem TV abzuziehen. So ist es nicht überraschend, dass Facebook, Twitter, Spotify und Snapchat massiv ihren Fokus auf Video gelegt haben (mehr dazu von mir auf dem Deutschen Social TV Summit am 7. Juli 2015 in München).

Native Advertising ist für das Fernsehen nun wirklich nichts Neues. TV-Werbespots unterschieden sich seit jeher (technisch) nicht vom regulärem Programm und werden natürlich auch im (Broadcast-)Stream ausgeliefert. Facebook und Twitter haben dieses Werbemodell adaptiert und integrieren Werbung so in ihr Angebot, dass sie genauso wie Inhalt behandelt wird (gesponserte Tweets, sponsored Posts) und ebenso in den jeweiligen Streams ausgespielt wird. In diesem Kontext macht es auch Sinn, dass z.B. Facebook im Anthology-Programm noch einen Schritt weiter geht und zwischen Produzenten, die passende Inhalte für die Plattform erstellen, und Werbetreibenden vermittelt.

Autoplay hat Facebook 2014 hoffähig gemacht. Twitter zog vor Kurzem nach und spielt Videos nun auch direkt ab (Twitter Blog). Autoplay im TV ist seit jeher Standard: Fernseher starten direkt ins Programm und nicht in ein Interface. Gerade auf Smartphones in Kombination mit Vertical Videos wird in absehbarer Zeit die Experience auf Social Networks dank Autoplay mehr und mehr einem Kanal-Zapping aus dem TV gleichen, allerdings mit alternativen Inhalten.

Kuration. Snapchat gestaltet extrem erfolgreich sein eigenes Programm, indem dort von einem Redaktionsteam Videos und Bilder zu Stories zusammengefasst werden. So entstehen neue Inhalte, die innerhalb kürzester Zeit millionenfach gesehen werden. Besonders interessant dabei ist, dass über Geofencing viele dieser Geschichten einen starken lokalen Bezug haben und an einen Ort gebunden sind. Damit dringt Snapchat in die lokale, regionale Berichterstattung ein. Snapchat generiert in seiner App mit diesen Inhalten zwei Mrd. Videoabrufe pro Tag (halb so viel wie Facebook) bei gerade einmal geschätzten 100–200 Mio. Usern – ein klarer Erfolg und ein Indiz dafür, dass die Kuration auch für Social Networks ein Erfolgsmodell sein kann. (Artikel dazu auf www.adweek.com)

Diese Annäherung in den Produkten und der Ausrichtung ist nicht wirklich überraschend. Zwei der meist genutzten Mediengattungen sollten durchaus Gemeinsamkeiten aufweisen und werden sich vor allem in Zukunft auch noch weiter angleichen, da die Social Networks dem Fernsehen zunehmend Werbebudgets abwerben wollen. Es ist durchaus denkbar, dass die Netzwerke, wenn sie den eingeschlagenen Weg weiter gehen, irgendwann zu Sendern werden, die Inhalte auswählen, promoten, vermarkten und verbreiten. In dieser Konstellation wird spannend sein, welche Rolle dann die klassischen Sender einnehmen oder ob sie sich bis dahin neu orientiert haben.

Veranstaltungstipp:

Social TV Summit4. Deutscher Social TV Summit
7. Juli 2015 | Literaturhaus München

Das Programm und die kostenfreie Anmeldung finden Sie hier.

Ein Kommentar

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