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14.07

Spontane Alleskönner sind gefragt – Ausbildung bei lokalen Stationen

von Kerstin Prange unter Radio TV

Wer beim Lokalradio oder beim regionalen Fernsehen ein Volontariat macht, darf viel ausprobieren, viel arbeiten und viel lernen. Aber nicht nur »learning by doing« hilft weiter, sondern auch praxisrelevante Tipps und etwas Theorie von erfahrenen Profis. Die BLM hat deshalb  seit 1990 bereits über 400 Workshops für Volontäre im lokalen Radio und Fernsehen angeboten, an denen mehr als 4200 Volontäre mit Erfolg teilgenommen haben. Wir haben Medienmenschen nach ihren Erfahrungen mit der Ausbildung in bayerischen Lokalstationen befragt. Einer davon ist Jürgen Irlbacher.

Jürgen Irlbacher

Jürgen Irlbacher, Creative Director bei Pilot Entertainment

Irlbacher ist seit Ende 2013 Creative Director von Pilot Entertainment und produziert beispielsweise Web-TV für Otto P&G. Sein Handwerk lernte er in mehr als sieben Jahren als neben- und hauptberuflicher Redakteur, Autor und Moderator bei Privatsendern wie Radio Gong Würzburg, Radio Plassenburg in Kulmbach, Radio Mainwelle in Bayreuth, Radio Eins in Coburg oder Antenne Bayern, bevor er zum ZDF wechselte. Danach war Jürgen Irlbacher von 2002 bis 2013 als TV-Produzent und Head of Development bei First Entertainment tätig.

BLMplus: Wenn Sie an Ihr Volontariat beim Lokalfunk zurückdenken – was hat Ihnen am besten gefallen?

Jürgen Irlbacher: Um damals – in den frühen 90ern – kreativ arbeiten zu können, benötigte man die entsprechende Technik. Ein Mikrofon, ein Mischpult und eine Bandmaschine. So etwas gab es nicht zu Hause, sondern nur bei einem professionellen Unternehmen wie bei einem Radiosender. Glücklicherweise gab es damals in Oberfranken schon drei Radiowellen. Die technische Eintrittshürde war damals viel höher als heute. Mit den technischen Möglichkeiten eines iPhones könnte man heutzutage einen Radiosender bzw. einen Podcast betreiben. Innerhalb weniger Sekunden könnten man „senden“ bzw. online gehen. Damals benötigte es richtig teure Sendetechnik und die gab es eben nur beim Lokalradio. Als ich das erste Mal an einem Mischpult bei Radio Plassenburg saß, war ich zutiefst beeindruckt von den vielen Reglern und Anzeigen. Meine Augen leuchteten wie bei einem Kind im Disneyland. Das hat extrem motiviert, weil es einen Hauch von Magie und Exklusivität hatte.

Auf der anderen Seite hatte man viel Freiheit: Man konnte einfach machen und Erfahrung sammeln. Ich erinnere mich noch an die Produktion meiner Radiocomedy „Radio Schnabelbach“, für die ich später mit dem BLM Preis ausgezeichnet wurde. Abends ab 20 Uhr hatte ich das Studio für mich alleine und ich konnte bis tief in die Nacht herumwerkeln. Der Morningman hat sich darüber gefreut, wenn am nächsten Tag in seiner Sendungskiste noch ein (lustiger) Beitrag mehr lag. Für Comedy gab es kein Budget damals, da war man froh über jeden zusätzlichen Content. Es ging mir in dieser Zeit um umsetzen und machen, nicht um Geld. Das Privatradio hat es ermöglicht damals mit seinem extrem gut ausgebauten Netzwerk. Das war eine tolle Zeit, an die mich gerne zurückerinnere.

Von welcher Erfahrung aus dem Volontariat (evtl. auch von welchem BLM-Workshop) profitieren Sie bis heute in Ihrem Arbeitsalltag?

Die Basis für meine Karriere ist sicherlich das Handwerk und die langjährige Erfahrung. Es ist gut zu wissen, dass man mal selbst an einer Bandmaschine einen Beitrag geschnitten, eine Live-Sendung moderiert und eine Sondersendung zu einem gesellschaftlich-relevanten Thema vorbereitet hat. Diese breite Erfahrung gibt einem Sicherheit in der Kommunikation mit den eigenen Mitarbeitern und auch dem Kunden. Als TV-Produzent war ich es gewohnt, eine Show mit einem Apparat mit über 80 Leuten herzustellen.

In Zeiten von Youtube ist man wieder mehr gefordert, „alleine“ zu bestehen mit einfachen Mitteln – ohne Bühnenbild, Lichteffekte und Zuschauer. Die Youtube-Stars von heute sitzen ganz normal vor einer Kamera und einem Mikrofon – so wie ich damals angefangen habe. Man könnte sagen, es geht wieder zurück zu den Basics: „back to the roots“. Viele etablierte Moderatoren fangen plötzlich an, kreativ ihren Facebook-Account zu pflegen oder YouTube Videos zu produzieren. Warum? Vielleicht weil sie die Leichtigkeit und Unbeschwertheit spüren wollen wie zu den Anfangszeiten. Zu Weihnachten letztes Jahr habe ich meine eigene Weihnachts-Radioshow moderiert – zuhause am Computer mit einem Mikrofon. Nur für mich. Das war ein tolles Gefühl – wieder selbst machen zu können, nachdem man selbst viele Jahre in einem großen Produktionsbetrieb tätig war.

Wo wollen Sie beruflich in Zukunft hin?

Ich habe den Weg übers Lokalradio zum TV gefunden, erst zum ZDF und dann in die freie Produktionslandschaft. Seit ein paar Monaten bin ich bei Pilot – einer der führenden Media- und Digitalagenturen Deutschlands. Ich habe 1000e Stunden im Radio moderiert, ein TV Volontariat absolviert und mit den bekanntesten deutschen TV-Moderatoren Shows produziert. Nun möchte ich Bewegtbild fürs Internet produzieren. Treiber für diesen Markt sind natürlich Marken, die immer mehr selbst zu Broadcastern werden. Sie stehen jetzt in meinem Fokus. Immer mehr Formate werden im Netz stattfinden, quer durch alle Medien und Plattformen. Es wird eine der großen Herausforderungen der Zukunft sein, im Web gefunden zu werden. Das reizt mich sehr, denn der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Jeden Tag kann eine neue App oder ein technisches Tool unser Leben verändern. Dies alles zusammenzubringen in einer kreativen Lösung, die Menschen lieben, dass ist mein Ziel für die Zukunft. Als Creative Director bei Pilot Entertainment kann ich in einem großartigen Team 360 Grad denken und arbeiten, das motiviert und macht neugierig auf die Aufgaben und kreativen Herausforderungen von Morgen. An die Zeit im Lokalradio werde ich immer wieder gerne zurückdenken. Manchmal liebäugele ich sogar damit, irgendwann wieder selbst vor dem Mikrofon zu sitzen.

Mehr Kurzinterviews zum Thema Ausbildung im Lokalfunk finden Sie in der neuen Tendenz, dem Magazin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Die Tendenz kann unter www.blm.de bestellt oder als E-Paper abgerufen werden

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