10.12
Politische Internet-Memes: Eine Chance für die politische Bildung?
Ob das Thermi-Lindner-Meme im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 oder das Merkel-Meme im Zuge des G7-Gipfels 2015 – nahezu jedes politische Großereignis wird mittlerweile durch politische Internet-Memes begleitet. Und die sind weitaus mehr als reiner Internet-Quatsch, sie sind ein fester Bestandteil der partizipatorischen Kultur im Internet.
Memes als kreative Imitationspraktik
Als Richard Dawkins im Jahr 1976 in seinem Buch The Selfish Gene mit dem Begriff „Meme“ ein kulturelles Gegenstück zur genetischen Evolution etabliert hat, ahnte der Evolutionsbiologe wohl nicht, dass er einmal Pate eines beliebten Internet-Phänomens werden würde. Grundsätzlich sind Memes Informationen, die sich durch Imitation verbreiten. Im Sinne Dawkins’ handelt es sich dabei vor allem um kulturelle Praktiken wie Ideen, Melodien oder Kleidungsstile. Mit kreativen Imitationspraktiken durch die Nutzerinnen im Internet hat sich das klassisches Meme-Konzept jedoch weiterentwickelt. So haben sich besonders prototypische Internet-Memes etabliert, die auf einer Kombination von bildlichen und sprachlichen Elementen beruhen und meist referenziellen Charakter besitzen. Meme-Generatoren helfen dabei, diese sogenannten „Image Macros“ zu erstellen und zu verbreiten.
Politische Partizipation durch Internet-Memes
Dieser relativ einfache technische Zugang zur Produktion und Distribution hat dazu geführt, dass gerade politische Bilder häufig zum Meme werden. Politische Bilder gelten generell als symbolkräftig und wirkmächtig und genießen eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei müssen politische Internet-Memes nicht zwangsläufig humorvoll sein. In ihnen drückt sich vielmehr die Identität und persönliche Meinung der Urheberinnen aus. Oft dienen sie der politischen Persuasion (top-down) oder dem Ausdruck von Graswurzelbewegungen (bottom-up).
Generell sind Internet-Memes und Politik stark miteinander verwoben. So belegt die noch junge aber rasant an Fahrt aufnehmende Forschung zu politischen Internet-Memes, dass diese eine neue Form der politischen Partizipation darstellen. Die Forschung betont beispielsweise das Mobilisierungspotenzial von Internet-Memes im Kontext von politischem Aktivismus. Sie werden zudem als Möglichkeit zur sozialen Kritik eingesetzt und begleiten häufig politische Großereignisse und weltpolitische Themen.
Politische Internet-Memes: eine Chance für die politische Bildung junger Menschen
Politische Internet-Memes besitzen aufgrund ihrer Funktionen und gerade wegen ihrer Beliebtheit vor allem unter den jungen Nutzerinnen im Internet großes Potenzial für die politische Bildung. Ihr mobilisierender und unterhaltender Charakter ermöglicht es, ein Phänomen aus dem Lebensalltag der Jugendlichen und Heranwachsenden in Bildungskontexte zu integrieren. Als Beispiel ist hier das Projekt bildmachen.net zu nennen. Es zeigt, wie sich aus politischen Internet-Memes Informationen gewinnen lassen, Rückschlüsse auf Meinungen und Erfahrungen der Jugendlichen möglich sind und sich diese schließlich zur Prävention nutzen lassen.
Damit politische Bildung mit Internet-Memes jedoch gelingt, ist eine gewisse „Meme-Literacy“ für pädagogische Fachkräfte unerlässlich. Dies betrifft vor allem die Fragen, wo politische Internet-Memes verbreitet werden, wie sie zu lesen sind und wie sie öffentliche Diskurse beeinflussen. Nur dann können Internet-Memes auch zu einer neuen Form politischer Bildung werden.
Zum Autor:
Michael Johann ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Digitale und Strategische Kommunikation an der Universität Passau. Er lehrt und forscht insbesondere zu den Themen Public Relations/Unternehmenskommunikation, Digitale Kommunikation und Politische Kommunikation. Er promoviert zur dialogorientierten Unternehmenskommunikation in den sozialen Medien.
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