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03.03

Moralische Konflikte in Computerspielen: Wie Gamer damit umgehen

von Bettina Pregel unter Jugendschutz Medienkompetenz

Shooter sind nicht gerade moralverdächtig. Doch mittlerweile gibt es (Anti-)Kriegsspiele wie „SpecOps: The Line“, die den Spielern moralische Urteile hinsichtlich der Ausübung von Gewalt im Spiel abverlangen. Wie dieser Entscheidungsprozess mit Spielstruktur und Alter der Nutzer zusammenhängt, ist jetzt in einer Vorstudie der Bundeswehruniversität München im Auftrag der BLM untersucht worden. Ein Ergebnis daraus: Eine zu frühe Altersfreigabe gewalthaltiger Games, die moralisch problematische Entscheidungen beinhalten, läuft dem Jugendschutz zuwider.

Podium zum SID15

Das Podium der Veranstaltung „In-Game-Folter ohne mich?“ zum Safer Internet Day 2015

Welche Schlussfolgerungen für Medienpädagogik und Jugendschutz aus den ersten Ergebnissen zu ziehen sind, diskutierten Experten anlässlich des Safer Internet Day 2015 im Februar in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Die Basis für die Vorstudie von Prof. Dr. Manuela Pietraß bildeten die Auswertungen von Spielaufzeichnungen (Let’s Play-Videos) von „SpecOps: The Line“ (SOTL).

In dem Third-Person-Shooter mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren wird von den Spielern virtuelle Gewaltausübung verlangt, durch die sie wiederholt in moralische Dilemmata geraten. Sie können zum Beispiel eine von zwei Geiseln retten, indem sie bewerten, welches Vergehen schwerer wiegt – Diebstahl oder Mord. Beispiele für die schwierigen Entscheidungsprozesse der Spieler sind im Resümee der Vorstudie nachzulesen.

Antikriegsspiel mit Lerneffekten

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Prof. Dr. Manuela Pietraß, Fotos: BLM

Die Analyse der Let’s plays von SOTL hat laut Pietraß gezeigt, dass es „Spieler gibt, die mit diesen moralischen Dilemmata – Gewalt gegen Gewalt – nicht umgehen können. Die schaffen es nicht, sich in eine Wirklichkeit zu begeben, die außerhalb des Spiels liegt, und die es ihnen ermöglicht, einen Urteilsgrad zu erreichen, in dem die Fiktionalität des Spiels klar wird.“

Im Gespräch mit BLMplus betont die Erziehungswissenschaftlerin zum einen die Bedeutung der Altersbeschränkungen, zum anderen aber auch den möglichen Lerneffekt solcher Games. „Letztendlich kann das Resümieren: ‚Ist das, was ich jetzt tue, richtig?‘ ein Bildungsprozess sein.“

Genau diesen Effekt haben die Entwickler von SOTL auch beabsichtigt. Podiumsgast Jörg Friedrich, Design Direktor des Studios Yager Development, beschreibt die Reaktionen der Testpersonen auf diese neue Art von Gamedesign als gespalten:

Hilfreich für die Altersfreigabe

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Jörg Friedrich, Yager Development

Mit „SpecOps: The Line“ hat Yager laut Friedrich einen Shooter entwickelt, der „die Tragik und den Schrecken des Krieges nahebringen soll“. Die Gamedesigner hätten dafür viele Berichte von Soldaten aus dem Irak- und Afghanistan gelesen und festgestellt, „dass die moralischen Dilemmata, die aber keinen guten Ausgang kennen, an der Tagesordnung sind.“ Das Spiel sei bewusst für junge Erwachsene konzipiert worden, damit der geforderte Reflexionsprozess auch geleistet werden könne. Ein Markterfolg scheint der 2012 erschienene Third-Person-Shooter übrigens nicht geworden zu sein. Eher ein Kritikererfolg, berichtet Friedrich. Im Klartext heißt es im Fachblatt  „Gamestar“ über  SOTL: „Keine Käufer für kluge Spiele.“

Ab welchem Alter Computerspiele freigegeben werden, prüft die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), eine freiwillige Einrichtung, der Computerwirtschaft. Die Bedeutung solcher Forschungsarbeiten wie der Vorstudie von der Bundeswehruni sei für die Altersfreigabe-Entscheidungen nicht zu unterschätzen, betont Dr. Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU). Denn schließlich verdeutlicht bereits die Vorstudie, dass zu frühe Altersfreigaben dem Jugendschutz zuwiderlaufen können.

Sensibilisierung für moralische Fragen

Neben dem jugendschutzrechtlichen Aspekt hebt Verena Weigand, Bereichsleiterin Jugendschutz und Medienpädagogik in der BLM, vor allem den positiven Aspekt im Sinne der Medienpädagogik hervor: „Es ist eine tolle Entwicklung, die für Qualität spricht, wenn es Spielen gelingt, eine Sensibilisierung in Bezug auf moralische Fragen zu erzielen.“ Noch gelte das aber nur für wenige Games.

prof koubek

Prof.  Dr. Jochen Koubek, Uni Bayreuth

Prof.  Dr. Jochen Koubek, Experte für digitale Medien an der Universität Bayreuth, sieht diesen neuen Trend im Gamedesign auch als „Ausweitung des Mediums Spiel. Damit haben wir neue Formen von Spielen für verschiedene Rezeptionswünsche. So wie Kino ja auch nicht immer nur Popcornkino ist.“ Es werde auch weiterhin Spiele geben, in denen man diese moralischen Entscheidungen nicht treffen müsse, weil einem das Spiel sage: „Das ist der Weg, geh da lang, das sind die Bösen und die müssen weg.“ Das sei auch in Ordnung so. Spiele, die moralische Entscheidungen verlangen, könnten die Spieler indes in ihrer persönlichen Entwicklung weiterbringen: „Da kann man lernen, besser zu verstehen, wie man selbst mit der Welt umgeht. Und das halte ich für einen großen Gewinn.“

 

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