Di
30.08

Messenger und Chatbots – Ein Überblick

von Benjamin Eimannsberger unter Netzwelt

Aktuell nutzt über eine Milliarde Menschen weltweit den Facebook Messenger. Bereits im April wurde die eine-Milliarde-aktive-Nutzer-Marke bei dem ebenfalls zu Facebook gehörenden Messenger WhatsApp geknackt. Andere Messengerdienste wie Threema, Telegram oder Kik weisen zwar erheblich geringere Nutzungszahlen aus, aber auch dort sind aus Sicht der jeweiligen Unternehmen sehr positive Entwicklungen zu beobachten.

Gegenwärtig versuchen alle Plattformanbieter die Verweildauer in ihren Angeboten zu erhöhen und die Anzahl der Ausstiegspunkte zu reduzieren, an denen die Nutzer animiert werden das jeweilige Angebot zu verlassen. Das betrifft nicht nur Messengerdienste sondern alle Plattformen und somit auch soziale Netzwerke und den Handel. Die „rundum-sorglos-Strategie“ von Amazon, mit der versucht wird, nahezu sämtliche Einkaufs- und Unterhaltungsbedürfnisse der Kunden zu befriedigen, ist hierfür ebenso als Beispiel zu sehen, wie die Einbindung von „instant articles“ auf Facebook.  Hier wird versucht, die Nutzer bei den Aktionen, bei denen sie zuvor auf die Angebote Dritter gewechselt wären, auf der eigenen Plattform zu halten und dafür die relevanten Inhalte direkt in den eigenen Plattformen einzubinden.

Ein ähnliches Vorgehen ist gegenwärtig auch bei Messengerdiensten zu beobachten. Die ursprünglich reinen Kommunikationsplattformen wandeln sich zu umfassenden Serviceplattformen, über die Dienstleistungen aller Art abgewickelt werden können. Der Internetvordenker Chris Messina, der auch als Erfinder des Hashtags gilt, bezeichnete dies als „conversational commerce“, also Geschäfte, die mittels Konversation abgeschlossen werden, was als natürlichstes menschliches Verhaltensmuster einzuschätzen sei.

Was Messenger alles können

In den USA und großen Teilen Asiens ist es bereits jetzt möglich, direkt über Messenger Geld zu verschicken, Taxis (oder ähnliches) zu bestellen oder einzukaufen. Generell wird der Zugang zu Dienstleistungen über Messenger als niederschwelliger betrachtet als über Apps. Der Messenger ist bereits installiert und vertraut. Apps anderer Anbieter müssten erst heruntergeladen werden.

Die Nutzer müssen ihre Messenger-App nicht mehr verlassen, sondern lediglich innerhalb dieser App den richtigen Ansprechpartner haben. Die Rolle der Ansprechpartner übernehmen überwiegend sogenannte Bots. Dabei handelt es sich um automatisierte Chatpartner der einzelnen Dienstleister. Chatbots selbst sind keine neue Erfindung (der Erste wurde von Joseph Weizenbaum 1966 entwickelt – nachzulesen auf Wikipedia) und sie werden bereits seit einiger Zeit auf vielen Websites im Support eingesetzt. Neu sind allerdings die ständig steigende Qualität, die Personalisierung durch das Anlegen und Auswerten von Nutzerprofilen und die massenhafte Einbindung in die Ökosysteme von Kommunikationsdienstleistern.

Im April dieses Jahres verkündete Mark Zuckerberg in seiner Keynote auf der Facebook-Entwicklerkonferenz F8, dass von nun an Chat-Bots innerhalb der Facebook-Messenger-App unterstützt würden. Kurz darauf stellten bereits etliche Händler, Unternehmen und auch Medienhäuser eigene Bots auf die von Facebook bereitgestellte Plattform. Auch in anderen Messengerdiensten wie Telegram oder Kik sind zahlreiche Bots verfügbar. Allein im Facebook-Messenger sind inzwischen über 11.000 Bots implementiert.

Messenger und Bots

Facebook selbst arbeitet an auch einem eigenen Bot für seinen Messerdienst. „M“ soll als digitaler Concierge dienen und wird wohl auch die Schnittstelle zu vielen Diensten bilden, die keine eigenen Bots implementiert haben.

Taxi bestellen via Facebook Messenger

Ein gutes Beispiel für die Funktionsweise eines schlichten, aber für den Zweck vollkommen ausreichenden Bots ist der Taxi Messenger, über den man sich direkt aus dem Facebook-Messenger ein Taxi bestellen kann.

Die steigende Nutzung von Messengern (insbesondere der jüngeren Zielgruppen) stellt auch für Medienunternehmen eine Herausforderung dar, bietet aber auch zugleich Chancen.

Zahlreiche namhafte Medienhäuser haben eigene Bots entwickelt, um ihre Inhalte über Messengerdienste zu verbreiten. Das große Ziel aller Medienhäuser (und auch aller anderen Anbieter) ist es, über die Messenger ihre eigenen Inhalte auf dem Lockscreen präsentieren zu können und damit eine hohe Präsenz zu erreichen.

Die im Folgenden vorgestellten Dienste sind zwar Bots für den Facebook-Messenger, sie stellen aber nur eine sehr kleine Auswahl dar und vergleichbare Angebote lassen sich auch für andere Messenger finden.

CNN

Der CNN-Bot ist einer der bekanntesten Nachrichten-Bots. Er liefert sofort nach dem Start die Überschriften und die ersten Zeilen der Top Stories und wird dies zukünftig täglich als Push-Meldung tun, so lange die Konversation im Messenger bestehen bleibt. Daneben kann man dem Bot beliebige Schlagworte geben, zu denen er Meldungen heraussucht. Zusätzlich kann man sich Meldungen anzeigen lassen, die basierend auf den bisher gelesenen Nachrichten von Interesse sein könnten.

Der Bot funktioniert technisch einwandfrei und passt sich im Laufe der Zeit an die Interessen der Nutzer an. Obwohl es sich überwiegend um Weltnachrichten handelt, ist die starke Fokussierung auf US-amerikanische Inhalte und die mangelnde Regionalisierungsmöglichkeiten allerdings ein Nachteil für Nutzer in Deutschland.

Wall Street Journal

Auf den ersten Blick sieht der Chat-bot des Wall Street Journals dem von CNN (bis auf die inhaltliche Ausrichtung) sehr ähnlich. Allerdings sind bis auf die Aktivierung von Pushnachrichten keine weiteren Personalisierungsmöglichkeiten gegeben.

Digg

Einen spannenden Ansatz verfolgen die Entwickler von Digg. Dieser Bot liefert eine anbieterübergreifende Auswahl von Artikeln, entweder auf der Basis von Suchbegriffen der jeweiligen Nutzer oder was gegenwärtig als „trending“ identifiziert wurde.

 

Bild

Innerhalb der deutschen Medienbranche sind Bots noch eher eine Ausnahme. Bild hat ein relevantes Angebot geschaffen.

Im Gegensatz zu den oben vorgestellten Bots, die viele Themenfelder abdecken, beschränkt sich der Chatbot allerdings standardmäßig auf Tickermeldungen zur Bundesliga. Bei entsprechenden Ereignissen gibt es dann den Olympia-Gold-Ticker oder den Dschungelticker innerhalb des Messengers. Mit anderen Bots kann man inzwischen auch einfache Konversationen führen und sie beispielsweise nach ihrem Namen und Befinden fragen. Der Bild-Bot versteht nichts dergleichen.

 

In Deutschland ist momentan die RESI News App von Martin Hoffmann in aller Munde. Nach einer Testphase ist die App seit kurzem für iOS verfügbar (Android-Version soll folgen). RESI News schickt Nachrichten unterhaltsam aufbereitet. Man bekommt in der App Fragen beantwortet, die man sonst nur seinen Kumpel stellen würde. Die Meldungen werden stark vereinfacht. Allerdings bekommt der Nutzer auch immer einen Longread zu einem Thema vorgeschlagen. (Lesetipp: Wie funktioniert RESI?)

Chat-Bots waren und sind von sehr unterschiedlicher Qualität und bieten alle noch einiges an Entwicklungspotential, aber sie lassen ahnen, wohin die Reise geht. Wenn die Entwicklung der Bots weiter voranschreitet und echt wirkende Konversationen ermöglicht (wie sie im Bereich der Dating-Plattformen anscheinend bereits möglich sind – zur Story auf Gizmodo.com), ist es nur noch eine Frage der Zeit bis sich durch die Kombination mit Roboterjournalismus neue Formen des Journalismus und neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen.

Bis aber ein selbstlernender Chatbot unbeaufsichtigt frei agieren darf/kann, wird noch einige Zeit vergehen. Denn was dabei alles schiefgehen kann, konnte man sehr gut am außer Kontrolle geratenen Twitter-Bot Tay von Microsoft sehen.

Kommentar abgeben

Kommentar abgeben

Bitte achten Sie auf höfliche und faire Kommunikation. Mehr dazu unter Blogregeln.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit einem * markiert.

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen und mir ist bewusst, dass meine Daten zur Verarbeitung meines Kommentares gespeichert werden.