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17.12

Medientrends 2022: Hypegier und Empathiebedürfnis

von Bettina Pregel unter Medienkompetenz Netzwelt TV

Steigender Medienkonsum, sinkende soziale Kontakte in der realen Welt: Die Corona-Pandemie hat den digitalen Wandel vorangetrieben und damit auch rasante Veränderungen in der Medienbranche ausgelöst. Welche Trends werden das kommende Jahr bestimmen? Das Mediennetzwerk Bayern hat in seinem Event Medientrends 2022 – von synthetischen Medien bis zu Revivalism – einige Trends gemeinsam mit einer Expertenrunde analysiert.

Viele spannende Entwicklungen sind laut Magnus Gebauer, Trend-Spezialist im Team Vernetzung & Strategische Partnerschaften beim Mediennetzwerk Bayern, in den Bereichen „Content & Storytelling“, „Technologie & Innovation“, „Mensch & Gesellschaft“ sowie „Prozesse & Entwicklungen“ zu erwarten. blmplus hat sich insbesondere die inhaltlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen aus dem Trend-Szenario angeschaut.

Hypegier: Wie „Squid Game“ sich auf die reale Welt auswirkt

Trend-Experte Magnus Gebauer erläuterte, was 2022 die Medienbranche bewegen wird. Foto: Medien Netzwerk Bayern

Für Netflix ist „Squid Game“, die meistgestreamte Serie aller Zeiten, ein Riesenerfolg – für viele Eltern jüngerer Kinder eine Herausforderung. Denn Sechsjährige, so der Elternratgeber FLIMMO: „Die Serie ist sehr harte Kost und kann Kinder nachhaltig verstören. Vor allem die Verbindung von bekannten Kinderspielen und den blutigen, sadistischen Hinrichtungen kann Kinder erschrecken und Ängste auslösen.“

Die Altersangabe bei Netflix lautet ab 16 Jahren. Doch mittlerweile spielen auch Grundschulkinder die brutalen „Spiele“ auf Schulhöfen nach – angeregt durch TikTok-Challenges oder Content auf Gaming-Plattformen wie Twitch. Hier ist die Verantwortung der Eltern gefragt, betonte Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) erst jüngst im Medienrat.

Die koreanische Serie ist im Mainstream angekommen und zahlreiche Unternehmen versuchen „mit ihren Werbekampagnen, vom Squid-Game-Hype zu profitieren“, wie das Mediennetzwerk Bayern analysiert.  „Themen werden hochgespielt, durch die Kanäle getrieben und platzen nicht selten wieder wie eine Seifenblase. Hypes, die in sozialen Medien entstehen, können extreme Auswirkungen auf die reale Welt haben“, erklärte Trend-Experte Magnus Gebauer die Hype-Gier.

Relevanz seriöser Information

Kein Wunder, denn Medienkonsum und Medienaffinität sind in Corona-Zeiten nochmals gestiegen. Egal, ob es den erhöhten Schlagzeilen-Takt im Journalismus betrifft, ein Serien-Event oder den Boom von Dokumentationen und Podcasts: Das Bedürfnis nach Unterhaltung und seriöser Information ist enorm gestiegen. So befinden wir uns laut Magnus Gebauer in der „Sternstunde des Datenjournalismus„.

Noch nie war Expertise im datengetriebenen Storytelling deshalb so gefragt wie heute. Dabei geht es darum, aus den Unmengen von Daten Relevantes herauszufiltern, immer unter dem Motto: Was nützt den Usern? So berichtete Eva Deinert, Creative Producerin für digitale Entwicklungen beim Bayerischen Rundfunk, vom Projekt des Tagesspiegels zum individuellen Impfstatus. Sie plädierte dafür, Nutzerinnen und Nutzer bereits früh einzubinden, um sich „zurückspiegeln“ zu lassen, was gefragt ist bzw. gebraucht wird.

Dirk von Gehlen (Mitte) mit Jim Sengl und Moderatorin Sara Weber über „Medientrends 2022“, Foto: Medien Netzwerk Bayern

„Die Medien-Journey beginnt heute auf der Nutzerseite“, betonte auch Dirk von Gehlen, Leiter Social Media und Innovation bei der Süddeutschen Zeitung. Doch, wenn dank Künstlicher Intelligenz (KI) mittlerweile Deepfakes möglich sind, die z.B. von Impfgegnern bewusst eingesetzt werden, birgt der Trend zu synthetischen Medien auch Risiken. Der SZ-Digitalexperte unterschied deshalb zwischen synthetischen Fakes und „absichtsvollen“ Fakes.

Vor diesem Hintergrund plädierte er dafür, die journalistischen Standards noch besser zu vermitteln und „Medienkompetenz in breite Bevölkerungskreise zu tragen“. Es bedarf also einer gewissen Kompetenz, um im Netz zwischen amüsantem Deepfake-Entertainment und schädlichen Inhalten überhaupt noch unterscheiden zu können. Der SZ-Digitalexperte warnte auch davor, bestimmte Trends wie das „Metaverse“, eine „spannende PR-Geschichte“ von Facebook, zu überhöhen und eher die Frage zu klären, wem künftig die Medien-Infrastruktur gehören solle.

Warum Journalisten Community-Building beherrschen sollten

Einig waren sich die Diskussionsgäste darin, dass die klassische Journalistenausbildung mittlerweile durch diverse andere Kenntnisse  ergänzt werden muss. Wer gut funktionierende Communities aufbauen wolle, so von Gehlen, müsse lernen, Mehrwert zu kommunizieren: „Community-Building wird eine bedeutsame Erweiterung des journalistischen Berufsbildes.“ Das bedeutet, die passgenaue Analyse der Zielgruppen wird immer wichtiger.

Doch, was bewegt die unterschiedlichen Zielgruppen in Zeiten von Corona? Die Pandemie hat Menschen und Gesellschaft verändert. Gerade die Jüngeren bewegen sich immer häufiger in virtuellen Welten, während das Bedürfnis nach Empathie und realem sozialen Miteinander wächst. „Derzeit nimmt die Sorgenlast wieder zu“, stellte Martina Vollbehr, Co-Founder und Managing-Director der pilot-Agentur-Gruppe, fest. Deshalb müssten sich Werbekampagnen an der aktuellen, realen Lebenswelt orientieren. Reine Haltungs- oder Durchhaltekampagnen funktionierten nicht mehr.

Revivalism: die Sehnsucht nach der „guten alten Welt“

Corona als Katalysator des Wertewandels; Quelle: Dirk Ziems, Medien Netzwerk Bayern

Beim Medienkonsum gibt es aber auch einen Trend, den die Flucht aus der realen Welt kennzeichnet: Revivalism – die Rückbesinnung auf die gute alte Welt, die beispielsweise auch den Erfolg wieder aufgelegter TV-Shows wie „Wetten daß?“ erkläre, so Jaqueline Hoffmann aus dem Vernetzungs-Team des Medien Netzwerk Bayern.

Die Komplexität und Oberflächlichkeit der heutigen Welt lasse gerade die junge Generation nach nostalgischen Erlebnissen suchen, begründete Trend-Experte Magnus Gebauer die Revival-Wellen.

Die Sehnsucht nach sozialem Miteinander und Wertevermittlung ist auch ein Grund für die gestiegene Nachfrage nach Fernsehformaten mit gesellschaftlichem Mehrwert. Ein Bedürfnis, das insbesondere der Sender ProSieben mit den Dokumentationen von Thilo Mischke oder dem Erspielen werbefreier Sendezeiten zu gesellschaftlich relevanten Themen (Joko & Klaas) erfolgreich bedient.

Weitere Informationen: 

Wer noch tiefer in die künftige Medienwelt eintauchen möchte, kann sich die Präsentationen und den Stream der Veranstaltung hier anschauen.

 

 

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