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16.04

Leitlinien Digitale Ethik – ein Gespräch mit BLM-Medienrat Michael Voss

von Bettina Pregel unter Inside Medienkompetenz

Für eine am Menschen orientierte Digitalisierung setzt sich der Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien in seinen „Leitlinien Digitale Ethik“ ein, die am 11. April 2019 verabschiedet wurden. Unter dem Motto „Technisierung verantwortungsvoll gestalten“ sind die Leitlinien im Medienkompetenz-Ausschuss und im Digitalausschuss beraten worden. BLMplus hat mit Michael Voss, dem Vorsitzenden des Medienkompetenz-Ausschusses, über die Leitlinien und ihre gesellschaftspolitischen Ziele gesprochen.

BLMplus: Der Medienrat der BLM hat gerade die „Leitlinien Digitale Ethik“ verabschiedet. Mit welchem Ziel?

Michael Voss, Vorsitzender des Medienkompetenz-Ausschusses der BLM. Foto: BJR

Michael Voss: Mit den Leitlinien soll ein Anstoß zu einer gesellschaftspolitischen Debatte über Innovationen und ihre Folgen im Zeitalter der Digitalisierung gegeben werden. Es ist der BLM ein Anliegen, sich nicht nur intensiv mit politischen, wirtschaftlichen und strukturellen Folgen der Digitalisierung zu befassen, sondern sich auch und gerade mit ihren ethischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Handlungsleitend war die Frage, auf welchen Ebenen gesellschaftliche Regeln für den Umgang mit neuen Technologien verankert werden können.

Denn technisches Wissen allein reicht im Umgang mit Medien für ein verantwortungsbewusstes Handeln in der digitalen Gesellschaft nicht aus. Vielmehr braucht es Orientierung und ein stabiles Wertegerüst, um sich im Netz sicher bewegen zu können. Kein Zweifel, es ist Zeit für eine am Menschen orientierte Digitalisierung. Letztlich geht es um nicht weniger als die Meinungsbildung in unserer digitalen Welt. Meinungsfreiheit heißt auch Verantwortung. Eine Verantwortung, der sich die Gesellschaft und Politik in Zeiten von Social Media, aber auch die Medien selbst stellen müssen.

Wie Medienkompetenz helfen kann

Unter dem Titel „Digitalisierung ist Gegenwart und Zukunft“ heißt es: „Ziel muss sein, das Potenzial der neuen Technologien zu nutzen (…), sich aber gleichzeitig möglicher Problematiken bewusst zu sein.“ Welche möglichen Probleme sehen Sie denn aus Sicht der Medienkompetenz?

Medienkompetenz soll Menschen befähigen, mit den digitalen Medien „richtig“ umzugehen. Gerade Heranwachsende sollen diese Medien effektiv und kreativ nutzen können, sich aber auch der Gefahren bewusst sein. Besonders wichtig ist diese Kompetenz im Umgang mit Social Media. Hier sind die Nutzer gleichzeitig aktiv Gestaltende und geben über ihre Kommunikation bereitwillig und oft völlig naiv sensible persönliche Daten weiter. Aktives Wissen und Nutzen, aber auch kritische Distanz sind daher die zentralen Vermittlungsziele.

In Punkt 3 der Leitlinien wird die Förderung der Entscheidungssouveränität jedes Einzelnen angesprochen. Um solche Eigenverantwortung wahrzunehmen, brauchen die Nutzerinnen und Nutzer entsprechende Kompetenzen. Wie kann die Medienpädagogik hier helfen?

Zum Glück wird die Medienpädagogik heute nicht mehr als reine Bewahrpädagogik verstanden. Fakt ist: Medien gehören zu unserem Leben. Und es gibt keine „guten“ oder „schlechten“ Medien – entscheidend ist lediglich der Umgang mit ihnen. Zum Glück hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass die Vermittlung von Medienkompetenz eine wichtige pädagogische Aufgabe ist, welche durch den Bildungs- und Erziehungsauftrag in allen Einrichtungen des Bildungssystems begründet und ausgebaut wird. Auch die Beratung und Information von Erziehungsberechtigten sind wichtige Arbeitsschwerpunkte der Medienpädagogik.

Social-Media-Plattformen stärker in die Verantwortung nehmen

Wer Opfer von Cybermobbing oder Hass im Netz wird, dem fällt es schwer, souverän zu handeln. Inwiefern könnten bzw. sollten Social Media-Plattformen hier selbst mehr Verantwortung übernehmen?

Bei Cybermobbing findet die Kommunikation meistens anonym statt und ermöglicht es der Aufsicht nicht, den verantwortlichen Inhalteanbieter aufzuspüren. Umso wichtiger ist es, dass Betreiber von Social-Media-Plattformen den Nutzern die Möglichkeit bieten, aktuelle Vorfälle melden zu können. Erhalten die Plattformen Hinweise auf Mobbing, müssen diese umgehend Inhalte löschen, die illegal sind oder gegen die Community-Richtlinien verstoßen. Problematisch sind Angebote, in denen kein „Melde-Button“ integriert ist, um solche Vorfälle zu melden. Social Media-Anbieter müssen in Zukunft noch stärker in die Verantwortung genommen werden, um geltendes Recht besser und schneller umzusetzen.

In den Leitlinien wird auch betont, dass der Medienrat weiter den Dialog zu Fragen der digitalen Ethik führen und fördern wird. Angesprochen wird in diesem Zusammenhang die Tonlage der Kommunikation im Netz. Wie hat sich diese Ihrer Ansicht nach in den letzten Jahren verändert?

Es gibt gerade in Social-Media-Angeboten eine problematische Grenzverschiebung. Das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und dem zunehmenden Hass, Mobbing und Extremismus im Netz nimmt erkennbar zu. Die häufig zu beobachtende Verrohung der Sprache in den Kommentarspalten verdeutlicht eine unmissverständliche Zunahme rassistischer und menschenverachtender Haltungen. Im digitalen Zeitalter sind freie Kommunikation und Meinungsäußerung im Netz so einfach und so populär wie nie zuvor. Häufig wird die so wichtige verfassungskonforme Streitkultur missachtet. Irgendwie ist es wie Fluch und Segen zugleich. Wichtige ethische Fragen – unterhalb der gesetzlichen Vorschriften – bleiben dabei leider zu oft auf der Strecke.

Zur Person:

Michael Voss ist seit 2013 Mitglied im Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und seit 2017 Vorsitzender des Medienkompetenz-Ausschusses. Als Vizepräsident des Bayerischen Jugendrings vertritt er die Jugendorganisation im Medienrat.

Weitere Informationen:

Das Positionpapier mit den sieben Leitlinien Digitale Ethik ist hier zu finden.

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