Mi
07.01

Kann ein Bundesgericht regionale Rundfunkwerbung erlauben?

von Prof. Roland Bornemann unter TV

Schon wieder aufregende Nachrichten aus Leipzig: Am 17. Dezember 2014 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ProSieben regionale Werbespots senden darf, so die Headline der Pressemitteilung. Seitdem ist viel geschrieben worden. Nicht geklärt ist die Frage, warum Werbung, die nach dem Wortlaut des Gesetzes Programmbestandteil ist, „Sonderfreiheiten“ gegenüber anderen Programmbestandteilen genießen soll.

Im Verfahren 6 C 32.13 geht es um eine Sprungrevision von ProSieben gegen ein Urteil des VG Berlin vom 26. September 2013 – 27 K 231.12. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu bisher nur die Pressemitteilung Nr. 84/2014 herausgegeben. Laut PM-Text geht es nicht um die Ausstrahlung regionaler Werbespots im bundesweit über Satellit verbreiteten Programm, sondern um eine regional unterschiedliche Verbreitung von Werbespots über andere Rundfunkübertragungswege (Kabel oder terrestrische Sender).

Bundesverwaltungsgericht Leipzig

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil zu regionalisierter Werbung für Diskussionen gesorgt. Foto: eyewave/Fotolia

Seit Bekanntwerden des Urteils haben sich Landesmedienanstalten, Rundfunkanbieter- und Verlegerverbände in der Presse geäußert. Dürftig dagegen blieben bisher die Äußerungen des Gerichts, denn es hat noch keine schriftlichen Urteilsgründe vorgelegt. Der Inhalt der Pressemitteilung lässt überzeugende Gründe vermissen.

Eigentliche Streitfrage nicht geklärt

Streitgegenständlich war die Frage, ob die von der Medienanstalt Berlin-Brandburg (mabb) auf Grundlage eines ZAK-Beschlusses erteilte Zulassung zur bundesweiten (Satelliten-)Verbreitung des Fernsehprogramms ProSieben ausschließlich die Verbreitung eines einheitlichen Programms inklusive Werbung ermöglicht, oder ob es im Rahmen der Zulassung erlaubt sei, die Werbung regional „auseinanderzuschalten“.

Laut seiner Pressemittelung hat das Bundesverwaltungsgericht für entscheidungserheblich gehalten, dass Gegenstand des rundfunkrechtlichen Lizenzierungserfordernisses nur die redaktionellen Programminhalte seien, nicht hingegen die Werbung. Hinsichtlich des „ob“ und „wie“ der Werbung sei der Veranstalter frei, solange er die werberechtlichen Bestimmungen einhalte.

Das ist allerdings nicht die Frage. Es geht nicht darum, ob der zugelassene Rundfunkveranstalter berechtigt ist, über die Aufnahme von Werbespots in sein Programm zu entscheiden. Das ist er. Er darf noch viel mehr. Im Rahmen einer genehmigten Programmkategorie darf ein privater Rundfunkveranstalter ohne Mitspracherecht der zulassenden Landesmedienanstalt über einzelne Sendungen, Filme und dergleichen frei entscheiden, solange er sich dabei an den gesetzlichen Rahmen hält. Das hatte niemand bestritten. Für die eigentliche Streitfrage ist diese Erkenntnis völlig belanglos.

Werbung ist Bestandteil des Programms

Entscheidend ist, dass der Rundfunkveranstalter auf Grundlage einer bestimmten Genehmigung berechtigt ist, ein Rundfunkprogramm zu veranstalten. Im Falle der bundesweiten (Satelliten-)Verbreitung ist die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) für die Zulassung zuständig. Im Fall der landesweiten Verbreitung beispielsweise in Bayern wäre anstelle der ZAK der Medienrat der Landeszentrale für die Entscheidung zuständig. Die genehmigten Programme dürfen Werbung im Rahmen des rundfunkrechtlichen Werberegimes und der allgemeinen Gesetze enthalten.

Dass die ins Programm integrierte Werbung Bestandteil des Programms ist, kann man vernünftigerweise nicht bestreiten. Es steht so im Gesetz. Nur, wenn Werbung Programmbestandteil ist, ist die Formulierung in § 7 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) sprachlogisch sinnvoll, wonach Werbung oder Werbetreibende „das übrige Programm“ inhaltlich und redaktionell nicht beeinflussen dürfen. Für die sog. Unterbrecherwerbung macht § 7 Abs. 3 Satz 3 des RStV deutlich, dass der Werbespot als Bestandteil der Sendung angesehen wird, der eindeutig „von anderen Sendungsteilen“ abgesetzt werden muss.

Zwar ist umstritten, ob Rundfunkwerbung nur in ihrer Funktion als Finanzierungsinstrument für das redaktionelle Programm von der Rundfunkfreiheit geschützt wird, oder auch hinsichtlich ihres Inhalts. Dabei ist anerkannt, dass Werbung durchaus meinungsbildend sein kann. Für komplette Werbe- oder Teleshoppingkanäle hat der Rundfunkgesetzgeber keinen Zweifel gelassen, dass sie einer Rundfunkzulassung bedürfen.

Was das Bundesverwaltungsgericht genau meint, wenn es von einem rundfunkrechtlichen Lizenzierungserfordernis spricht, das sich nur auf die redaktionellen Programminhalte beziehe, wird man erst wissen, wenn die schriftlichen Gründe ausgewertet werden konnten. Es wird aber schon jetzt erkennbar, dass das strenggenommen nicht zum Thema gehört.

Die zeitgleiche und unveränderte Weiterverbreitung

Für die Frage, ob in einer regionalen Kabelanlage ein bundesweit erstverbreitetes Programm zeitgleich und unverändert weiterverbreitet wird (§ 51b Abs. 1 Satz 1 RStV) oder ob ein Programm mit anderen Bestandteilen als im Satellitenprogramm, d.h. nicht unverändert und zeitgleich, weiterverbreitet werden soll, spielt es überhaupt keine Rolle, in welchem Ausmaß ein Rundfunkveranstalter berechtigt ist, Programminhalte in seinem Programm gegen andere ohne Genehmigung auszutauschen oder nicht.

Deshalb berechtigt die bundesweite Zulassung für einen Spielfilmsender nicht dazu, neben dem Satellitenprogrammsignal unter dem Etikett der Weiterverbreitung in verschiedenen Kabelregionen unterschiedliche Filme parallel auszustrahlen. Auch dann nicht, wenn sämtliche Filme die zur Ausstrahlung kommen, sendefähig sind und vom Programmveranstalter ohne ausdrückliche Genehmigung seiner Zulassungsanstalt im Rahmen des genehmigten Programms ausgestrahlt werden dürfen.

Warum für Werbesendungen in einem Programm oder Bestandteile von Sendungen in einem Programm etwas anderes gelten sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Kommentar abgeben

Kommentar abgeben

Bitte achten Sie auf höfliche und faire Kommunikation. Mehr dazu unter Blogregeln.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit einem * markiert.

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen und mir ist bewusst, dass meine Daten zur Verarbeitung meines Kommentares gespeichert werden.