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29.11

Jugendmedienschutz: Was die Änderungen im Staatsvertrag bedeuten

von Kristina Hopf unter Jugendschutz

Lange wurde um die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags gerungen, nun sind die Änderungen zum 1. Oktober 2016 in Kraft getreten. Welche Neuerungen gibt es und was bedeuten sie für die Aufsichtstätigkeit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien?

„Eltern fordern mehr Jugendschutz im Internet“: So lautet eines der Ergebnisse der aktuellen Studie des Deutschen Jugendinstituts „Digitale Medien: Beratungs-, Handlungs- und Regulierungsbedarf aus Elternperspektive“. Fast 90 % der befragten Mütter und 80 % der Väter fordern eine verschärfte Durchsetzung des Jugendschutzes im Internet. Da passt es, dass gerade der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) novelliert wurde, der für Rundfunk und Telemedien (Radio, TV und Internet) gilt.

Änderungen im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag seit 1. Oktober 2016 in Kraft

Die Änderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) sind am 1. Oktober 2016 in Kraft getreten. Seit 2003 war der Staatsvertrag nahezu unverändert geblieben. Er stammt aus einer Zeit, in der es noch kein Facebook (2004), keine Smartphones (I-Phone 2007) und kein WhatsApp (2009) gab. Daher wird die Aktualisierung dieses Werks grundsätzlich begrüßt. Die Frage ist aber, ob damit auch eine Verbesserung des Jugendschutzes einhergeht.

Das dem Staatsvertrag zugrundeliegende Prinzip der „regulierten Selbstregulierung“ wird durch die Novellierung weiter gestärkt: Die Selbstkontrolleinrichtungen werden künftig unbefristet anerkannt und erhalten neue Aufgaben, wie z.B. die Eignungsbeurteilung von Jugendschutzprogrammen. Der Medienkonvergenz wurde an verschiedenen Stellen des JMStV Rechnung getragen.

Jugendmedienschutz

Grundlage für die Jugendschutzaufsicht der BLM bildet die Programmbeobachtung.

Beim inhaltlichen Jugendschutz scheinen die Staatsvertragsgeber eine Senkung des Schutzniveaus für Kinder und Jugendliche als Ziel zu verfolgen, und zwar zugunsten der Rundfunk- und Internetanbieter. Etliche Vorschriften sehen vor, dass Maßnahmen der Aufsicht erst später einsetzen (vgl. Übersicht zu den Änderungen unten): etwa durch eine Privilegierung von periodischen Druckerzeugnissen (§5 Abs. 7 JMStV) und durch die Regelung einer Beweislastumkehr zugunsten der Anbieter beim Nachrichtenprivileg (§ 5 Abs. 6 JMStV).

Bislang durften entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte in den Nachrichten und Sendungen zum Zeitgeschehen im Rundunk sowie vergleichbare Angebote in Telemedien verbreitet werden, soweit der Anbieter ein berechtigtes Interesse an dieser Form der Darstellung nachweisen konnte. Nun wird das berechtigte Interesse generell zugunsten des Anbieters vermutet und die Aufsicht muss dies widerlegen.

Im Tagesprogramm kann künftig für FSK-18er Filme geworben werden

Durch die Abkehr vom Akzessorietätsprinzip bei der neuen Trailerregelung des § 10 Abs. 1 JMStV dürfen Programmankündigungen zwar weiterhin keine entwicklungsbeeinträchtigenden und unzulässigen Inhalte enthalten. Die Sendezeit des Trailers muss sich aber nicht mehr danach richten, zu welcher Zeit der beworbene Film gezeigt werden darf.

Früher war die Regel: Film ab 22 Uhr, Trailer auch erst ab 22 Uhr. Jetzt kann ein Trailer für einen FSK-18er-Film (Ausstrahlung ab 23 Uhr) schon im Tagesprogramm gezeigt werden, so dass Kinder tagsüber auf Filme aufmerksam werden, die aufgrund entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte ungeeignet für sie sind.

Einheitliche Altersbewertung im Online- und Offline-Bereich

Seit 1. Oktober gilt das neu eingeführte Bestätigungs- und Durchwirkungsverfahren von Alterskennzeichnungen im Online- und Offline-Bereich. Ist bisher ein Film oder Spiel als Trägermedium durch die FSK oder die USK mit einer Altersfreigabe nach dem Jugendschutzgesetz gekennzeichnet (§§ 12, 14 JuSchG), gilt diese Bewertung nach § 5 Abs. 4 JMStV als Vermutung für die zeitliche Platzierung auch im Rundfunk und in den Telemedien.

Künftig sollen auch Bewertungen der von der KJM anerkannten Selbstkontrolleinrichtungen FSF, FSM, USK.online und FSK.online bindend für inhaltsgleiche Trägermedien von den Obersten Landesjugendbehörden (OLJB)  übernommen werden, und zwar im Rahmen eines so genannten Bestätigungsverfahrens durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Dabei geht es vorwiegend um Fernsehsendungen und -serien sowie Online-Spielangebote, die nach einer Ausstrahlung im Fernsehen oder der Verbreitung im Netz auch als DVD bzw. Blu-ray veröffentlicht werden sollen. Die bereits bekannten Alterskennzeichnungen von FSK und USK sollen dafür verwandt werden.

Neue Aufgaben für die Landeszentrale mit Bestätigungsverfahren

Der JMStV sieht eine 14-Tage-Frist für das Bestätigungsverfahren vor. Um ein schnelles KJM-Bestätigungsverfahren sicherzustellen, wird dieses vom KJM-Vorsitzenden als Einzelprüfer für die KJM übernommen. Dieser bedient sich zur Vorbereitung der Einzelfälle der vier Prüfgruppensitzungsleiter der KJM, die den Landesmedienanstalten LMK, MAHSH, NLM und BLM angehören.

Im Einzelnen bedeutet dies für die BLM, dass die Prüfgruppensitzungsleiterin der Landeszentrale für den KJM-Vorsitzenden prüft, ob die Alterskennzeichnung durch die jeweilige, anerkannte Freiwillige Selbstkontrolle die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschreitet. Dies geht einher mit einer Sichtung und inhaltlichen Prüfung des Angebots sowie einer anschließenden Formalbeurteilung des Beurteilungsspielraums. Dafür ist die Begründung der Alterskennzeichnung durch die anerkannte Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle zu überprüfen.

Die Prüfgruppensitzungsleiter sollen für ihre Prüfung nicht länger als sieben Tage benötigen, damit der vom JMStV vorgegebene Zeitrahmen eingehalten werden kann. Für den Fall, dass der KJM-Vorsitzende aufgrund einer Einschätzung der Prüfgruppensitzungsleiter den Beurteilungsspielraum als überschritten ansieht, wird ein Prüfausschuss der KJM mit dem Fall befasst.

Zusätzlich nehmen die Prüfgruppensitzungsleiter beispielsweise Termine der AG „Durchwirkung“ der KJM wahr. Auch Berichte über die neuen Verfahrensabläufe sind zu erstellen. Neue Verfahrensschritte sind zu entwickeln und Verfahrensfragen zu klären. Handlungsempfehlungen für die Anbieter sowie Formblätter wurden erstellt und müssen auch künftig aktualisiert werden. Darüber hinaus müssen die Prüfungen dokumentiert werden und die Ergebnisse an den KJM-Vorsitzenden und die Gemeinsame Geschäftsstelle kommuniziert werden. Ein enger Austausch zwischen den Prüfgruppensitzungsleitern ist sicherzustellen, um eine einheitliche Beurteilungspraxis zu ermöglichen.

Erste Bestätigungen sind erfolgt

Das neu eingeführte Bestätigungsverfahren ist bereits angelaufen. Die ersten zu prüfenden Alterskennzeichen sind bei der KJM eingegangen und wurden nach einer Vorprüfung durch die Prüfgruppensitzungsleiterin der Landeszentrale vom KJM-Vorsitzenden gegenüber dem Antragsteller – einer nach dem JMStV anerkannten Selbstkontrolleinrichtung – zeitnah bestätigt. Weitere Angebote wurden inzwischen auch von anderen Prüfgruppensitzungsleitern geprüft.

Die Obersten Landesjugendbehörden (OLJB) haben für das Durchwirkungsverfahren zunächst einen sechsmonatigen Modellversuch gestartet. Sie fordern eine Kosten auslösende Antragstellung über die Selbstkontrolleinrichtungen des Jugendschutzgesetzes (FSK bzw. USK). Außerdem haben die OLJB angekündigt, zunächst nicht alle Altersstufen – ohne eigenständige inhaltliche Prüfung – zu übernehmen, da es noch keine ausdrückliche Regelung im JuSchG gibt. Noch ist unklar, in welchem Umfang Anbieter von Rundfunk- und Telemedienangeboten bzw. Selbstkontrolleinrichtungen oder Dritte das neue KJM-Bestätigungsverfahren in Anspruch nehmen werden.

Fazit zur Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages

Auch wenn Eltern mehr Jugendschutz im Internet fordern, hat sich der Staatsvertragsgeber dafür entschieden, das Schutzniveau bei Trailern zu senken. Eine stärkere Berücksichtigung der digitalen Gegebenheiten und der Nutzungsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen wäre wünschenswert gewesen. Das neu eingeführte Bestätigungs- und Durchwirkungsverfahren ist im Hinblick auf die damit einhergehende Vermeidung von Doppelprüfungen gleicher Inhalte in unterschiedlichen Angeboten durch verschiedene Selbstkontrolleinrichtungen zu begrüßen.

Literaturtipp: Ein erstmaliger Kommentar zum reformierten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag von Prof.  Roland Bornemann und Prof. Dr. Murad Erdemir erscheint am 8. Dezember im Nomos-Verlag. Die Praxis im Blick erläutert der Kommentar alle Auswirkungen und Fragestellungen der Reform unter besonderer Berücksichtigung der Schnittstellen mit dem Jugendschutzgesetz.

Im Folgenden haben wir für Sie die wichtigsten Neuerungen im JMStV zusammengestellt:

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