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31.03

Hilfe für Radio- und TV-Sender in der Corona-Krise

von Lisa Priller Gebhardt unter Radio TV

„Es geht ums Überleben, ums schlichte Überleben“, so hat es der bayerische Ministerpräsident Markus Söder jüngst in seiner Regierungserklärung zur Corona-Krise auf den Punkt gebracht. Angesichts der Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft geht es nun auch bei vielen privaten TV- und Radiosendern um die Existenz. blmplus hat sich umgehört, wie ihre Lage ist und was für Hilfsmaßnahmen gefordert werden.

Gerade kleinere Stationen sind besonders betroffen

Radiostation, Credit: Adobe Stock

Foto: Adobe Stock

Am härtesten trifft es im Moment die kleinen Radiostationen. Hört man sich unter Senderchefs um, bestätigen diese, dass sie mit 30 bis 50 Prozent Einbußen für den März rechnen, für April sogar mit bis zu 80 Prozent. Ihnen sind laut Willi Schreiner, Chef des Verbands Bayerischer Lokalrundfunk (VBL), je nach Sendergröße innerhalb von 14 Tagen 25.000 bis 140.000 Euro Umsatz durch Stornos weggebrochen. Nicht nur der On-Air-Bereich, auch das Off-Air-Geschäft ist betroffen. Events, Spot-Produktionen für Kunden sowie Konzerte fallen weg. Bei einem größeren Sender sind es gleich 300.000 Euro, die durch Stornierungen von Veranstaltungen und Werbeplätzen fehlen. „Viele überlegen, Kurzarbeit anzumelden“, so Schreiner weiter.

Willi Schreiner, VBL, Foto; VBL

Denn vor allem bei kleineren Sendern ist die Finanzdecke meist sehr dünn, die Liquidität reicht ohne Unterstützung nur noch vier bis sechs Wochen. „Einige Sendestationen werden nicht in der Lage sein, den Sendebetrieb in den nächsten Monaten in der bisherigen Form aufrecht zu erhalten“, sagt Schreiner. Deshalb hat er jüngst in einem Brief an den BLM-Präsidenten Siegfried Schneider um Hilfe gebeten. Sein Vorschlag: Der technische Dienstleister möge allen bayerischen Lokalsendern die Rechnungen für die Sender- und Leitungskosten, zumindest für den Zeitraum März bis Juni, stunden.

BLM-Präsident Schneider wendet sich an MP Söder

Schneider weiß um die Dringlichkeit und hat sich direkt an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gewandt, um die Folgen der Coronakrise auf die Radiosender abzufedern. Doch es stehen nicht nur die Audio-Anbieter unter Druck, auch das lokale Fernsehen leidet.

Denn das Fördermodell nach Artikel 23 des Bayerischen Mediengesetzes gibt den TV-Anbietern nicht die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen, so dass notwendige Rücklagen fehlen. Deshalb sind aus Schneiders Sicht weitere Soforthilfen des Freistaats nötig, um die Handlungsfähigkeit der lokalen Redaktionen in Bayern aufrecht zu erhalten.

Siegfried Schneider, BLM, Foto: BLM

In einem ersten Schritt hat Schneider Schnellmaßnahmen zur Erleichterung der Arbeitsbedingungen bei den privaten Anbietern ergriffen: Dazu zählt, angezeigte Programmänderungen in einem digitalen Verfahren schnell und unbürokratisch zu genehmigen. Kooperationswünschen – etwa mit benachbarten Sendern – wird, soweit möglich, stattgegeben. Die Losung der Stunde: Es soll nach kulanten Lösungen gesucht werden.

Um das Überleben der Branche zu sichern, schlug Schneider dem Ministerpräsidenten vor, gemeinsam mit allen Beteiligten ein Gesamtpaket für die Branche zu schnüren, die durch erschwerte Arbeitsbedingungen und den Ausfall von Werbeeinnahmen zum Teil bereits „akut gefährdet“ sei.

„Private Sender haben Systemrelevanz“

Die notwendige Hilfe begründet der BLM-Präsident folgendermaßen: „Die lokalen Hörfunk- und Fernsehanbieter leisten im Freistaat aktuell einen wichtigen Beitrag zum Nachrichten- und Informationsangebot sowie zum Risiko- und Krisen­management. Und das nicht nur, weil sie alle wichtigen Informationen der örtlichen Behörden und politisch Verantwortlichen melden, sondern auch, weil vor allem im kulturellen Bereich gerade viele kreative neue Programminhalte entstehen. (…) Daran wird einmal mehr deutlich: Nicht nur die öffentlich-rechtlichen Medien und die Presse haben Systemrelevanz. Vielmehr kommt gerade auch den privaten Sendern mit ihren wichtigen Informationen vor Ort in unserem dualen Rundfunksystem eine herausragende Bedeutung zu.“

Retten, was zu retten ist

Hans Demmel, Vaunet, Foto: Priller-Gebhardt

Auch vor den großen Sendergruppen RTL und ProSiebenSat.1 machen die Folgen der Pandemie nicht Halt. „Während die privaten Sender ihr Millionenpublikum zu den aktuellen Entwicklungen informieren und einen zentralen Anker für den Zusammenhalt der Menschen bilden, stehen ihre Arbeits- und Refinanzierungsgrundlagen durch die aktuelle Situation unmittelbar und teilweise erheblich unter Druck“, gibt Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender des Vaunet, zu bedenken.

Noch liegen keine konkreten Zahlen vor. Das erste Quartal ist noch nicht abgeschlossen. „Natürlich spüren auch wir die Herausforderungen der Corona-Pandemie im Werbegeschäft. Aktuell ist aber noch nicht absehbar, welche Konsequenzen das Coronavirus insgesamt auf die allgemeine konjunkturelle Lage, für den Konsum und auf die Werbekunden hat“, sagt Thomas Wagner, Vorsitzender der Geschäftsführung SevenOne Media. Jetzt geht es in erster Linie darum, retten was zu retten ist. „Wir stehen im engen Dialog mit unseren Kunden und unterstützen mit Beratung und Orientierung“, so Wagner weiter.

Werbeumsätze sinken, Nutzerzahlen steigen

Während die Werbeumsätze sinken, steigen gleichzeitig die Nutzerzahlen. Die Menschen bleiben zuhause, um sich und andere nicht dem Ansteckungsrisiko auszusetzen. Dass sie zuhause bleiben, dafür setzen sich auch die beiden großen Privatsendergruppen ProSiebenSat.1 und RTL ein. Sie blenden seit der Ansprache von Kanzlerin Angela Merkel neben ihren Logos inzwischen den Hashtag #WirbleibenZuhause ein. Die Sender wollen nicht nur informieren, sondern auch ihren Anteil leisten, um das Publikum auf die Zeit in den eigenen vier Wänden einzuschwören.

„Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die TV-Nutzung werden immer deutlicher sichtbar“, sagt Kerstin Niederauer-Kopf, Vorsitzende der AGF Videoforschung. Die Zuschauer suchen nach gut recherchierten Informationen und seriösen Quellen. Erstmals seit langem ist die Sehdauer nicht mehr rückläufig, sondern sogar steigend. Sie erhöhte sich im Vorjahresvergleich bereits im Februar beim Gesamtpublikum um drei Minuten auf 229 Minuten. Diese Entwicklung verstärkt sich weiter. Die Forscherin Niederauer-Kopf geht davon aus, dass aktuell eine Push-Situation vorliegt – die Zuschauer also wieder ganz gezielt einschalten. „Besonders Nachrichtenformate und Talks zum Thema Coronavirus werden derzeit sehr stark genutzt“, so die AGF-Vorsitzende. Der Anspruch der TV-Sender, das Publikum so aktuell wie möglich und präzise recherchiert zu informieren, scheint honoriert zu werden.

„Schnelles Handeln gefragt“

Demmel begrüßt die vom Staat zugesagten Hilfen. Ihm ist jedoch klar, dass zudem auch in den jeweiligen Bundesländern Förderungen für die Kultur und Medienanbieter unumgänglich sein werden. „Die Verantwortlichen auf Bundes- und Länderebene dürfen den privaten Rundfunk nicht vergessen und müssen entsprechende Schutzschirme auch für ihn vorsehen“, so der Vaunet-Vorstandsvorsitzende.

Damit die Medien, unabhängig davon, über welchen Kanal sie ihre Informationen ausspielen, das weiter tun können, ist schnelles Handeln gefragt. Denn die Lage bei kleineren Sendern und lokalen Medienunternehmen ist laut Vaunet-Chef Demmel „schon heute dramatisch“.

Hilfsmaßnahmen und Anlaufstellen für die privaten Sender und Kreative sind hier zu finden:

Informationen für VAUNET-Mitglieder

Übersicht bei XPLR:Media in Bavaria für Medienschaffende in Bayern

 

 

 

 

 

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