14.08
Hauptberuflich Influencer – ein Gespräch mit Füsun Lindner
Füsun Lindner wagte vor drei Jahren den Sprung in eine neue Karriere und startete ihren Instagram-Account „Shortstoriesandskirts“. Das war zu einer Zeit, als kaum jemand mit der Berufsbezeichnung Influencer was anfangen konnte. Füsun Lindners Themenfokus liegt auf Mode und Lifestyle. Das kommt nicht von ungefähr: Sie war früher in der Anzeigenabteilung der Zeitschrift Cosmopolitan tätig. Inzwischen zählt ihr Instagram-Account weit über 300.000 Follower – das macht sie auch interessant für Werbepartner.
Hauptberuflich Influencer
„Wir treffen uns um 14 Uhr zum Shooting in der Residenzstraße, vis-a-vis der Oper“, sagt die zweifache Mutter am Telefon. Ihr Mann Victor, der zwar kein klassischer „Insta-Husband“ ist und seinem Hauptberuf als Banker nachgeht, kommt kurz vorbei und schießt routiniert zwischen Fußgängern und Radfahrern Fotos für den nächsten Post. Zahlreiche Passanten drehen sich nach der attraktiven Frau im gelben Rock um. Dann schnell ins Café zum Interview. Pünktlich um drei muss Füsun Lindner weg, um die Kinder aus Kita und Schule abzuholen. Und logisch, in der Social-Media-Szene duzt man sich.
BLMplus: Füsun, hast Du heute schon was gepostet?
Klar, denn ich lade jeden Tag zwei neue Posts hoch. Das erste ist schon online.
Was macht ein Influencer?
Es gibt ja immer noch viele Menschen, die denken, Influencer würden lauter schöne Dinge geschenkt bekommen, den ganzen Tag im Café chillen und dazwischen ein paar hübsche Bilder machen. Wie erklärst du denen Deinen Job?
Meine Hauptaufgabe ist es, andere Menschen zu inspirieren. Damit das gelingt, ist einiges an Arbeit nötig. Ich muss Kontakte zu Kunden knüpfen, Angebote verhandeln, Stylings recherchieren sowie zu den Presseterminen der Modeagenturen gehen, um die Samples, also die Kollektionsteile, zum Fotografieren zu bekommen. Zudem muss ich das Shooting organisieren.
Wenn mein Mann keine Zeit hat, muss ich einen eigenen Fotografen und manchmal auch eine besondere Location suchen. Man darf nämlich nicht an allen öffentlichen Orten fotografieren. Nach dem Shooting suche ich die besten Fotos aus und bearbeite sie nach, damit sie in die Bildsprache meines Accounts passen. Die Samples werden im Übrigen alle zurückgeschickt.
Und dennoch stellen sich viele Menschen Dein Leben recht glamourös vor.
(Lacht). Aber nur, weil ich keine Fotos von mir poste, wenn ich die Spülmaschine einräume, Hemden bügle oder Legosteine aufräume. Das Leben mit meiner Familie ist bodenständig und nicht immer so glamourös. Wir leben auf dem Land und fallen da gar nicht weiter auf.
Kannst Du inzwischen von Deinem neuen Hauptberuf leben?
Ich habe 2016 meine erste, wenn auch noch recht kleine, Rechnung für eine Modekooperation geschrieben. Inzwischen ist die Zahl meiner Follower stark gestiegen und seit diesem Jahr verdiene ich ungefähr so viel wie in meinem alten Job im Anzeigenverkauf beim Verlag Marquard Media.
„Heute bin ich meine eigene Chefin“
Hand aufs Herz – was ist entspannter: dein ehemaliger Job in der Anzeigenabteilung von Cosmopolitan oder dein aktueller?
Bei beiden Jobs kommt keine Langeweile auf. Aber heute bin ich meine eigene Chefin und führe mein eigenes kleines Unternehmen. Ich arbeite täglich von früh bis spät, mit Unterbrechungen für die Familie. Mein Tag beginnt um 6.30 Uhr und endet um 11 oder 12 abends. Wenn die Kinder im Bett sind, suche ich die Bilder aus. Oft hilft mir mein Mann dabei, der mich in meiner Selbständigkeit sehr unterstützt. 80 Stunden dürften in einer Woche wohl zusammenkommen. Ich hatte seit 2015 kein freies Wochenende, keinen Urlaub oder freie Tage, aber ich fühle mich freier als in jedem anderen meiner bisherigen Jobs.
Manch hauptberuflicher Influencer leidet darunter, durchgängig kreativ sein zu müssen. Du auch?
Nein, das eigentlich nicht. Was mir allerdings schon zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass ich meine Freunde sträflich vernachlässige.
Werbekennzeichnungspflicht nimmt Füsun Lindner ernst
In letzter Zeit gab es einige Urteile in Sachen Werbekennzeichnungspflicht. Die Medienanstalten haben dazu eine FAQ-Liste herausgegeben. Wie hältst Du es damit?
Ich kennzeichne schon seit längerem jeden Post, der auf einer Partnerschaft basiert, mit „Ad/Werbung“. Wenn ich Samples erhalte oder meine eigenen Klamotten poste, kennzeichne ich diese ebenfalls und setze beispielsweise den Hinweis „Affiliate Link“ dazu. Das finde ich zwar ungerecht, weil es ja meine redaktionelle Entscheidung ist, ob ich ein Produkt, das nicht von einem Werbepartner kommt, poste oder nicht. Printredakteure schreiben über die von ihnen ausgewählten Produkte ja auch nicht „Werbung“. Aber um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, handhabe ich das so.
Ups, schon so spät. Füsun Lindner packt ihr Equipment und saust in ihren Sneakern zum Auto – die Kinder sollen nicht auf die Mama warten müssen.
Wer mehr über die Werbekennzeichnungspflicht wissen möchte, kann sich im Flyer der Medienanstalten informieren.
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