18.11
Glückliche Hühner und glückliche Schüler – Die tat:funk-Preisverleihung 2014
Trotz des Bahnstreiks hatten es fast alle geschafft zur tat:funk-Preisverleihung 2014 in der BLM. Drei Schülerradiogruppen wurden ausgezeichnet. Vom glücklichen Hühnerleben bis zum NSU-Prozess reichten die Siegerbeiträge des bundesweiten Radiowettbewerbs, der von der Stiftung Zuhören jährlich veranstaltet wird.
Regen, Kälte und Bahnstreik: Was gibt es mehr, um Veranstalter zittern zu lassen? Doch trotz dieser Widrigkeiten hatten am 6. November alle eingeladenen Schülergruppen die Anreise nach München geschafft. Ein Lehrer entschuldigte sich, dass sie jetzt doch nur zu fünft und nicht zu zehnt gekommen wären, aber mehr hätten halt leider nicht in sein Auto gepasst.
Ein originelles tat:funk-Jahr
„Auch dieses Jahr war wieder ein erfolgreiches, spannendes und vor allem originelles tat:funk-Jahr“, begrüßte die Moderatorin der Preisverleihung, Ariane Eiglsberger, die rund 160 Gäste. An den eingereichten Wettbewerbsendungen ließe sich deutlich der Zeitgeist ablesen, denn die meisten Themen der Schülerradiogruppen, spiegelten das politische und gesellschaftliche Jahr wieder. Und Birgit Echtler, Geschäftsführerin der Stiftung Zuhören sowie Jurymitglied beim tat:funk-Wettbewerb, ergänzte: „Es geht kaum noch um Liebe und Herzschmerz wie in vergangenen Wettbewerbsrunden, oder um die klassischen Teenagerprobleme. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass die Themenwahl sehr journalistisch war.“ Ethisch korrektes Leben, Nachhaltigkeit, Flucht und Vertreibung und politischer Extremismus sind zentrale Themen der diesjährigen Einreichungen. Leicht hätte man die Süddeutsche Zeitung damit füllen können.
Im Rahmen von tat:funk, einem Projekt der Stiftung Zuhören, wird das Klassenzimmer zur Hörfunkredaktion. Schülerinnen und Schüler der Oberstufe erhalten den Auftrag, im Laufe eines Schuljahres selbstständig eine eigene Radiosendung zu planen, umzusetzen und zu produzieren. Zur Seite steht ihnen ein professioneller Mediencoach aus dem Radiobereich. Am Ende des Schuljahres werden die drei besten Sendungen von einer Jury gewählt und prämiert. Krönender Abschluss des tatfunk:Wettbewerbs ist die Preisverleihung, die von den beteiligten Stiftern ausgerichtet wird, zu denen auch die BLM gehört.
„Hähnchennuggets sind ein absolutes No Go“
Die rausgeputzten Schülerinnen und Schüle kamen aus Nürnberg, Bamberg oder sogar aus Wittstock zur Preisverleihung nach München und standen – fast schon zu artig – an den weiß gedeckten Tischen im Foyer der BLM. Kein wildes Umherrennen, kein Stimmengewirr. Am Tag zuvor wurden die 150 Portionen Bauernsalate noch als zu viel eingeschätzt, nach der Verleihung sind wir klüger: Die neue Generation isst vegetarisch, teilweise vegan. So bleibt vom Büffet nicht viel übrig, nur noch die Thunfischtramezzinis.
„Früher hätten sich deutlich weniger Leute Gedanken gemacht, wo das Fleisch eigentlich herkommt, aber mittlerweile wissen wir, dass die Hähnchennuggets ein absolutes No Go sind“, begründet eine Schülerin aus Wittstock ihre bewusste Ernährung. Die Gymnasiastin muss es wissen, so wie ihre Teamkollegen, die einen spannenden Krimi über Masttierhaltung produziert haben, mit dem schönen Titel: „Drei Damen vor’m Grill“. Den ersten Preis, eine Reise zur Bundespressekonferenz, gibt’s also für glückliche Hühner und die witzige Umsetzung eines ernsten Themas. Yannick Dabo hat nachgefragt, wie es den Hühnern in ihrem zweiten Leben ergangen ist:
Das Thema NSU-Morde hat sie alle „gepackt“
Den zweiten Platz belegt das Theresia-Gerhardinger Gymnasium am Anger aus München mit einer eindringlichen Sendung über die NSU Morde. Wie sind die Schülerinnen auf dieses doch sehr anspruchsvolle Sujet gekommen? „Wir haben ziemlich lange nach einem Thema gesucht und sind erst spät, über Münchner Kriminalfälle, auf die „NSU Morde“ gekommen, so eine Schülerin des Münchner Mädchengymnasiums. Das Thema habe sie dann alle sehr gepackt, sogar den NSU-Prozess im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße durften sie einmal besuchen. Ihre sehr professionellen Interviews mit Angehörigen, Justizbeamten und Journalisten haben die Schülerinnen, ganz modern, mit dem Smartphone aufgenommen – und freuen sich trotzdem über die zwei Aufnahmegeräte als 2. Preis. Ein dramaturgischer Einfall hat die Jury bei der Sendung besonders beindruckt: Die Geschichten der Opfer wurden in eindringlichen Hörspielsequenzen dargestellt und damit einfühlsam portraitiert.
Rätselhafte Fälle à la X-Factor
Das Johannes-Scharrer-Gymnasium in Nürnberg hat zum ersten Mal beim bundesweiten tat:funk Wettbewerb mitgemacht und auf Anhieb den 3. Platz gewonnen. Das Mystery-Hörspiel „The Impossible“ der Oberstufen-Schüler fällt ziemlich aus dem Rahmen. Aber genau das hat der Jury gefallen – rätselhafte Fälle á la X-Factor, das Ganze in Englisch gesprochen und als spannende Hörspiel-Geschichte produziert. Aber mal ehrlich, die Sprecher und Sprecherinnen waren doch Engländer, oder? „Eigentlich haben wir nur einen einzigen Muttersprachler mit in der Gruppe“, so ein Schüler, „und ich war mal ein Jahr in Australien“, ergänzt eine andere. Dafür klingt ihr Englisch aber ziemlich perfekt. Gerechnet hatten sie überhaupt nicht mit dem Preis:
Enttäuschung hörte man bei den Schülern und Schülerinnen, die es nicht unter die letzten Drei geschafft hatten, kaum: „Wir sind einfach froh, dass es so etwas wie den Tatfunk gibt. Und wir freuen uns, dass wir nach München fahren konnten.“ Die Schule habe schon etwas darunter gelitten, aber das Mitmachen beim Tatfunk-Projekt sei eben manchmal wichtiger als Schule – und schöner.
Kommentar abgeben