Mo
25.05

Gift aus der Grauzone – BLM-Magazin tendenz mit Fokus auf Wandel des Meinungsklimas

von Bettina Pregel unter Netzwelt

Der Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung durch die digitale Kommunikation verstärkt sich.  Die Frage, wie sich der Wandel von der Medien- zur Netzwerkgesellschaft auf das Meinungsklima auswirkt, steht im Fokus der aktuellen tendenz-Ausgabe, u.a. mit Artikeln zum Strukturwandel der Öffentlichkeit, zu Hassrede, Fakten statt Fakes und zur Rolle von Influencern. Insbesondere gegen das „gefährliche Gift aus der Grauzone“ von Pöblern, Trollen und Hasspredigern gibt es mittlerweile eine Reihe von Initiativen wie die der BLM und des bayerischen Justizministeriums www.konsequent-gegen-hass.de.

Foto: Rose Pistola/BLM

„In Zeiten der Corona Krise und der notwendig gewordenen sozialen Distanz zu unseren Mitmenschen erleben wir so deutlich  wie selten, welche zentrale Rolle Information und Kommunikation in unserem Leben spielen. Social-Media-Plattformen und Video-Konferenzen bieten uns eine Reihe von Chancen, auch in Zeiten des „Social Distancing“ ein bisschen Normalität und soziale Nähe aufrechtzuerhalten. Nie zuvor hatten digitale Medienangebote eine größere Bedeutung. Nie zuvor aber ließen sich online auch so viele falsche Fakten und Verschwörungstheorien verbreiten, waren verunsicherte Menschen so anfällig für Fakes und Fiktion. Das Meinungsklima droht mancherorts zu kippen“, betont BLM-Präsident Siegfried Schneider im Editorial der tendenz 1.2020. Wie Hass und Hetze den öffentlichen Diskurs bedrohen, hat Nora Frerichmann für tendenz recherchiert.

Meinungsfreiheit der einen schränkt die der anderen ein

Hate Speech ist in Deutschland kein eigenständiger Straftatbestand. Menschenverachtende Äußerungen gegen Einzelne oder Gruppen, die im Internet wegen Eigenschaften wie ihrer Herkunft, Hautfarbe, oder Sexualität, ihres Geschlechts oder Alters, ihrer Behinderung, Religion oder politischen Haltung verbal angegriffen werden, sind nicht immer justiziabel. Dafür müssen die Postings straf- oder zivilrechtlich relevant sein, etwa wegen Volksverhetzung, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Beleidigung, Verleumdung, Nötigung oder Bedrohung.

Laut einer Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena (IDZ) bringen mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) wegen Hate Speech oder aus Angst davor seltener ihre politische Meinung in Online-Diskussionen ein. Die Meinungsfreiheit der einen schränkt damit gewissermaßen die Freiheit anderer ein. Betroffene kritisieren, dass juristische Verfahren noch zu oft ohne Konsequenzen für die Täter bleiben.

Gesetz gegen Hasskriminalität

Das Bundeskabinett reagierte Ende 2019 mit dem Entwurf eines Gesetzespaketes zur Ahndung von Hasskriminalität. Während das 2017 verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz dafür sorgen soll, dass rechtswidrige Inhalte gelöscht werden, sieht der Entwurf für die neuen Regelungen beispielsweise vor, Beleidigungen im Internet als öffentlich anzusehen, Strafen etwas zu verschärfen und die Verfolgung Verdächtiger zu vereinfachen. Facebook & Co. sollen strafbare Postings künftig nicht mehr nur löschen, sondern in schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden. Der Bundesrat setzt sich zudem dafür ein, Anbieter sozialer Online-Netzwerke zu verpflichten, Strafverfolgungsbehörden Auskünfte über Urheber von Hass-Postings zu geben.

Konsequent gegen Hass vorgehen

Um das World Wide Web mit seinen aktuellen Regeln nicht den Hetzern zu überlassen, haben sich mehrere Initiativen gebildet. So unterstützt HateAid zum Beispiel Opfer von Hate Speech seit Sommer 2019 rechtlich und psychologisch. Konsequentes Vorgehen gegen Hassrede ist das Ziel mehrerer Projekte verschiedener Medienanstalten.

So richtet sich beispielsweise die gemeinsame Initiative der  BLM und des bayerischen Justizministeriums Justiz und Medien – konsequent gegen Hass bewusst an Medienhäuser. Sie soll Redaktionen helfen, Hassrede unkompliziert an Staatsanwaltschaften zu melden. In Bayern beteiligen sich laut Justizministerium etwa 65 Unternehmen aktiv daran. Bislang konnten bereits mehr als hundert Prüf- und Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Eine erste Evaluation des Projekts ist für Sommer 2020 geplant.

Weitere Initiativen der Medienanstalten sind Projekte wie Verfolgen statt nur löschen (Landesanstalt für Medien NRW und mabb), Verfolgen und Löschen (Medienanstalt Rheinland-Pfalz), Resignation ist keine Option (Brema) oder Doppeleinhorn (LMS).

Wenig Gegenwehr

Neben juristischer Verfolgung spielen aber auch Medienkompetenz und Engagement der digitalen Gesellschaft eine Rolle. Laut einer Umfrage der Landesanstalt für Medien-Nordrhein-Westfalen von 2019 positioniert sich lediglich ein Viertel (24 Prozent) der Befragten kritisch gegen Hate Speech und antwortet auch darauf. „Viele sagen noch nichts, weil sie sich nicht trauen, weil sie Angst haben oder weil sie nicht wissen wie“, sagt Buchautor und Journalist Hasnain Kazim, der sich seit Jahren öffentlich gegen Angriffe wehrt. „Denen möchte ich einen Impuls geben, den Mund aufzumachen.“ In der aktuellen tendenz-Ausgabe haben wir mit ihm darüber gesprochen.

 

 

 

 

Kommentar abgeben

Kommentar abgeben

Bitte achten Sie auf höfliche und faire Kommunikation. Mehr dazu unter Blogregeln.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit einem * markiert.

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen und mir ist bewusst, dass meine Daten zur Verarbeitung meines Kommentares gespeichert werden.