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04.06

„Gehst du Bahnhof?“ – Diana Marossek zum „Kurzdeutsch“ in der Umgangssprache

von Bettina Pregel unter Jugendschutz

Kurzdeutsch wie „Bist du mit Auto?“ ist für die Soziolinguistin Dr. Diana Marossek nicht nur typisch für die Kommunikation über Messenger-Dienste. Auf der BLM-Jugendschutz-Fachtagung „Verroht, verkürzt, verbuggt?“ sorgte sie mit ihren Beispielen für Schmunzeln im Publikum. Blmplus sprach mit ihr über den Zusammenhang von Sprache und Medien. Ein Fazit aus ihren Beobachtungen in Schulen: „Jugendliche reflektieren die Sprache in den Medien nicht mehr.“

Dr. Diana Marossek hat den Wandel der Umgangssprache untersucht. Foto: Anja Schwenke

Blmplus: „Verbuggt“, also fehlerhaft, falsch gestrickt, gehört zu den Top 10 der Jugendworte des Jahres 2018. Wie sieht ihre Prognose für 2019 aus?

Dr. Diana Marossek: Das kann ich noch nicht sagen. Das ist ja auch regional so unterschiedlich. Kommt ganz darauf an, ob man den Jugendlichen hier in München zuhört oder in Berlin, Köln und Hamburg. Ganz populär in Berlin ist jedenfalls gerade „Schwör bei Gott“.

„Jugendliche reflektieren die Sprache in den Medien nicht mehr“

Sie haben mit www.kurzdeutsch.de eine Untersuchung zu umgangssprachlichen Veränderungen von Deutsch bei Deutschen vorgelegt. Was ist ihr Fazit im Hinblick auf den Zusammenhang von Sprache und Medien?

Jugendliche reflektieren die Sprache in den Medien nicht mehr, sondern übernehmen sie häufig völlig unkritisch. Ob es nun um Begriffe aus Rap-Texten wie „Opfer“ oder „Bitch“ geht oder die in Messenger-Diensten mit Abkürzungen gespickte Kommunikation wie „Bist du mit Auto?“. Offenbar wird darüber nicht wirklich nachgedacht.

Ich habe vor allem beobachtet, dass selbst Kinder und Jugendliche aus bildungsbürgerlichen Familien zwar gut sprechen, aber teilweise nicht mehr in vollständigen Sätzen schreiben können. Das wurde sonst immer nur dem Nachwuchs aus so genannten bildungsfernen Schichten nachgesagt.

Woran könnte das liegen?

(lacht) Womöglich ist nach vier Stunden Zocken oder Entertainment auf YouTube das Gehirn auf Kurzdeutsch geschaltet, dann bleiben sie eben dabei. Nein im Ernst: Die verkürzte Kommunikation im Alltag ist auch ein Zeichen von Übersättigung. Mit der Abnahme der Sprachtiefe – sowohl mündlich als auch schriftlich – geht auch eine große Themenarmut einher, insbesondere in der Online-Kommunikation. Inhalte werden häufiger in Aggressionen ausgedrückt und all diese Entwicklungen können zu einer Verrohung der gesellschaftlichen Debatte führen.

„Wir wollen alle nicht mehr alt werden“

Ist die mangelnde Sprachtiefe nur ein Phänomen der Jugendsprache?

Nein, überhaupt nicht. Ich möchte „Kurzdeutsch“ auch nicht mit Jugendsprache gleichsetzen. Die Jugendsprache dient nur als Katalysator, Medien und soziale Netzwerke verstärken das Phänomen. In den unterschiedlichen Stadtsprachen und Dialekten können wir zum Beispiel Einflüsse aus dem multiethnischen Zusammenleben erkennen. Nehmen wir das Jugendwort des Jahres 2018 „Ehrenmann, Ehrenfrau“. Da sind natürlich Moralvor­stellungen patriarchalisch bestimmter Kulturen aus dem türkischen und arabisch­sprachigen Raum eingeflossen.

Generell zeigt die Sprachentwicklung, dass wir alle nicht mehr alt werden wollen. Medien und Gesellschaft übernehmen Trends aus der Jugendsprache, wie Zeitungsartikel, Werbeplakate und auch die normale Alltagskommunikation zeigen.

Ihre besten Beispiele?

Ein Medizinratgeber in einer   Tageszeitung mit der Schlagzeile: „Deutschland hat Reizdarm“, ein Werbebanner mit der Aufschrift „Wunstorfer Bauverein – …weil besser!“ oder ein Hinweis der Deutschen Bahn mit der freundlichen Empfehlung: „Bitte nutzen Sie zweite Treppe der Bahnsteige 3-10“.

Typisch Kurzdeutsch

Was ist daran typisch Kurzdeutsch?

Kurzdeutsch lässt sich u.a. an folgenden Charakteristika erkennen: die Artikelvermeidung („Guck dir Turm an!), das Weglassen von Präpositionen („Ich gehe Fußball“), rituelle Beschimpfungen („Du Knecht“, „Ihr Opfer“), Code-Switching – der Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen in einem Dialog oder Sch-Laute („Isch mach Vortrag“).

Das Phänomen der mangelnden Sprachtiefe lässt sich häufig auch in sozialen Netzwerken beobachten. Verändert die Digitalisierung die Art und den Inhalt unserer Kommunikation?

Die Abnahme der Sprachtiefe ist nicht nur in der Online-Kommunikation zu beobachten, sondern generell in den Medien, z.B. auch in den Fernsehnachrichten. Die Nachrichten werden so gestaltet, dass sie einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne gerecht werden. Twitter ist ein gutes Beispiel dafür, wieviel Aufmerksamkeit einer Information heute noch geschenkt wird. Generell habe ich das Gefühl, dass in den Redaktionen auch die Zeit abgenommen hat, Fakten zu recherchieren und sprachlich an Artikeln oder Beiträgen zu feilen.

Weitere Infos:

Mehr zur 5. Fachtagung Jugendschutz „Verroht, verkürzt, verbuggt? Beiträge zum Thema Sprache und Medien“ finden Sie hier.

Mit „Kommst du Bahnhof oder hast du Auto? Warum wir reden, wie wir neuerdings reden“ hat sie eine der größten Untersuchungen zu umgangssprachlichen Veränderungen von Deutsch bei Deutschen im Hanser Verlag veröffentlicht. Basis dafür waren verdeckte Beobachtungen in Schulen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und während Städtereisen in ganz Deutschland. Die Ergebnisse sind Sozialraum- und milieuunabhängig.

 

9 Kommentare

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9 Kommentare zu: „Gehst du Bahnhof?“ – Diana Marossek zum „Kurzdeutsch“ in der Umgangssprache

  1. Hanno sagt:

    Das ist alles sehr schön aber nicht gut genug recherchiert. Die Wandlung geht noch weiter: Substantivierung aller Verben durch Verwendung nur eines einzigen Verbs „machen“ : Isch mach nach Hause Gehung, isch mach Einkaufung, etc…
    Ausserdem die Adaption der Artikel ans englische: de Haus, de Mond, de Sonne…
    Letztlich Einfügung von „e“ zwischen „s“ und „t“ zum Beispiel Schetuhl anstatt Stuhl etc…

    Das ganze haben Erkan uns Stefan schon vor zig Jahren durch…

    Isch mach schon Gebung von Scheprachekurse
    Grüße aus Berlin 🙂

  2. Anna sagt:

    Ernst gemeinte und interessierte Frage: Inwiefern unterscheidet sich das Konzept „Kurzsprache“ von dem von Heike Wiese schon vor Jahren erforschten Phänomen „Kiezdeutsch“? Mir erscheint das gerade ausgesprochen deckungsgleich…?

  3. Bode, C. sagt:

    Wem ist Rad vor Tür?
    Ich.

    • Bettina Pregel sagt:

      Ja, die deutsche Grammatik ist wahrlich nicht einfach. Und wenn dann auch noch alles verkürzt wird, weil das im Messenger-Dienst schneller geht, versteht bald kaum jemand noch etwas.

  4. Hallo!
    Ich finde den Begriff „Kurzdeutsch“ viel zu verharmlosend. Für mich ist das bestenfalls „Deppendeutsch“ – mal ganz vorsichtig formuliert. Leider verbreiten selbst die großen Medien mit ihrem unsäglichen Schlagzeilengeschmiere diese Art Halbsprache, die sich nur noch wenig von einem lauten Rülps unterscheidet …

    • Bettina Pregel sagt:

      Sprache befindet sich kontinuierlich im Wandel. Dieser Wandel spiegelt sich, wie Sie selbst festgestellt haben, natürlich auch in den Medien wieder.

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