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25.10

Europas AVMD-Richtlinie: zwei Schritte vor, einer zurück

von Johanna Fell unter TV

Die Einigung auf europäische Regulierungsvorgaben für Audiovisuelle Mediendienste erweist sich als äußerst mühsamer Prozess: Im aktuellen Änderungsvorschlag für die AVMD-Richtlinie ist von dem Ziel „gleiche Regeln für gleiche Inhalte“ nach wie vor erst wenig zu erkennen. Auch bei der Beschränkung der Werbezeit im Fernsehen gibt es eine neue Kehrtwende. Wie die einzelnen Positionen derzeit aussehen, ist nicht nur in der aktuellen tendenz-Ausgabe nachzulesen. Das Thema Audiovisuelle Dienste steht auch beim Europatag der Medientage München auf dem Programm.

Neuer Berichtsentwurf für Europas AVMD-Richtlinie

Die Echternacher Springprozession reicht weit ins Mittelalter zurück: In der Aufklärung überstand sie erfolgreich etliche Verbote  und findet in der ältesten Stadt Luxemburgs bis heute an jedem Dienstag nach Pfingsten statt. Im Jahr 2010 schaffte sie es auf die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO.  Die Schrittfolge hat im Lauf der Jahrhunderte einige Variationen erfahren, und im Volksmund steht das Klischee „zwei Schritte vor, einer zurück“ für besonders mühsame Prozesse.

Europas AVMD-Richtlinie - tendenz

So lässt sich auch das Procedere bei der laufenden Revision der Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie, kurz AVMD-RL, beschreiben. Es ist ein mühsamer Prozess, bei dem eigentlich nichts wirklich vorangeht. Schon die Richtlinie aus dem Jahr 2005 setzte das Ziel, „technologie-neutral“ zu regulieren, nicht um, sondern differenzierte nach linear bzw. nicht-linear verbreiteten Angeboten. Und die im Mai dieses Jahres vorgelegten Vorschläge behalten die Differenzierung weiter in großen Teilen bei.

Was wird aus der 20-Prozent-Grenze für die Werbung?

Betrachtet man den Bereich Werbung – neudeutsch „kommerzielle Kommunikation“ – sieht das Bild kaum anders aus: Auch hier traut sich die Kommission offensichtlich nicht, die tradierte 20 Prozent-Grenze für Werbung im Fernsehen im Zeitalter der globalen Kommunikation ganz fallen zu lassen. Für die Verbreitung von Inhalten über das Internet gibt es dagegen keine Vorgaben für den Werbeumfang. Das Fernsehen jedoch soll nach dem Willen der Kommission weiterhin mit einer 20 Prozent-Beschränkung leben, allerdings als pauschale Grenze pro Tag anstelle der derzeitigen Begrenzung von 20 Prozent pro Stunde.

Der Anfang September veröffentlichte Berichtsentwurf des Kulturausschusses sieht einen weiteren Rückschritt vor: Die 20-Prozent-Grenze pro Stunde will das Europäische Parlament für die Hauptsendezeit wieder einführen. Der aktuelle Änderungsvorschlag ist auch in anderen Punkten stark auf Erhalt oder gar Stärkung der bestehenden Regelungen und Mitsprachemöglichkeiten angelegt. Während sich also beim Rechtsrahmen nichts zu bewegen scheint, wird die Geschwindigkeit, mit der sich der Mediensektor fortentwickelt, immer höher.

Hin und Her bei den Roaming-Gebühren

Ein anderes Beispiel für das Hin und Her sind die Roaming-Gebühren. Zum Amtsantritt der Kommission wurden die Gebühren als eines der Themen identifiziert, bei denen der Konsument endlich einmal von den Errungenschaften und Vorteilen eines einheitlichen Binnenmarkts überzeugt werden hätte können (die Abschaffung des Geoblockings war ein anderes). Erst wurde die Abschaffung propagiert, nach entsprechender Einflussnahme der Mobilfunker dann kostenfreies Roaming für maximal 90 Tage verkündet und dieser Vorschlag binnen Tagen nach massivem Protest von Parlament und Verbraucherschützern wieder kassiert.

Die AVMD-Richtlinie: ein Procedere wie bei der Echternacher Springprozession.

Womit wir irgendwo zwischen der Echternacher Springprozession und der Quadratur des Kreises angelangt wären. Kurz gesagt: Es geht um einen Versuch, der ohne Lösung bleiben muss. So etwa scheint es der Kommission derzeit zu gehen. Sie versucht höchst ehrgeizig, den Binnenmarkt voranzubringen, alle Interessen zu berücksichtigen, im komplexen Geflecht zwischen Bürgern, Parlament, Industrie, Lobbyisten und nationalen Gegebenheiten einen gangbaren Weg zu finden. Doch ist dieser so steinig, dass zwei Schritte vor, einer zurück schon fast Spitzengeschwindigkeit sind.

€uro-Visionen: Thema der aktuellen tendenz

Immerhin hat man in anderen Bereichen mit viel Mühe Erfolge erzielt, etwa bei der Datenschutzreform oder der Netzneutralität, aber deren tatsächlicher Effekt muss sich erst noch weisen. Das viel beschworene „level playing field“ hingegen scheint nach wie vor in weiter Ferne zu liegen – für die audiovisuellen Medien in Europa zumindest ist von gleichen Regeln für gleiche Inhalte nach wie vor erst wenig zu erkennen. Und Maßnahmen, durch die auch der Nutzer gestärkt würde, etwa in punkto Medienkompetenz, fehlen im aktuellen Änderungsvorschlag vollständig.

Wie die Regulierung der audiovisuellen Medien letztlich aussieht, wird sich aus der  Befassung der zuständigen Gremien, insbesondere des Europäischen Parlaments, und dem weiteren Konsultationsverlauf, ergeben. Wie sich die Positionen derzeit darstellen, ist gut nachlesbar in der neuen tendenz. Unter dem Titel „€uro-Visionen“ wird die europäische Medienpolitik und die Gesetzgebung im Fluss an den Beispielen AVMD-Richtlinie, Netzneutralität und Datenschutz genauer analysiert. Diese Themen werden auch auf dem Europatag des Instituts für Europäisches Medienrecht und der BLM im Rahmen der Medientage München am 27. Oktober diskutiert.

 

 

 

 

 

 

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