28.07
Die nächste Fernseh(r)evolution – DVB-T2 HD
Ab Mitte des kommenden Jahres vollzieht die Fernsehverbreitung (wieder einmal) einen Evolutionssprung. Diesmal betrifft es das digitale Antennenfernsehen DVB-T, das nach seiner Einführung 2005 durch den neuen Standard DVB-T2 HD abgelöst wird.
Warum überhaupt Terrestrik?
Einige Kabel- und Satellitenkunden stellen sich nun womöglich die Frage, wozu man terrestrisches Fernsehen überhaupt braucht. Im Vergleich zu den Nutzeranteilen dieser „großen“ Verbreitungswege liegt die Terrestrik tatsächlich etwas zurück. Laut Funkanalyse Bayern 2015 nutzen gegenwärtig 3,1% der TV-Haushalte in Bayern die Terrestrik als Hauptempfangsweg, wobei der Anteil je nach Standort variiert und in Ballungszentren bei ca. 10% liegt. Auf den ersten Blick erscheint dieser Anteil relativ gering, entspricht aber auch in etwa dem der IPTV-Nutzung.
Diese Daten sagen allerdings nichts darüber aus, welcher Empfangsweg konkret wie stark genutzt wird. Bei Mehrfachnennungen wird immer nur der „hochwertigste“ gezählt. Die Wertigkeit wird durch die Anzahl der empfangbaren Programme ermittelt. In der Praxis bedeutet das, dass Satellit vor IPTV, IPTV vor Kabel und Kabel vor Terrestrik gezählt und somit beispielsweise ein DVB-T-Empfangsgerät nicht mehr gezählt wird, wenn im gleichen Haushalt auch Satellit genutzt wird.
Interessanter ist die Nutzung von Empfangswegen inklusive der Nutzung von Zweit- oder Drittgeräten. Hier zeigt sich, dass viele Kabel- oder Satellitenkunden auch DVB-T nutzen. Der Anteil der Haushalte, in denen grundsätzlich DVB-T genutzt wird, liegt in Bayern bei knapp 26%. Über ein Viertel der bayerischen Haushalte nutzen demnach DVB-T.
Warum DVB-T2 HD?
Für die Weiterentwicklung zu DVB-T2 HD gibt es mehrere Gründe. Für den Fernsehzuschauer selbst sind zunächst zwei relevant:
- Der neue Standard DVB-T2 HD ermöglicht im Gegensatz zum alten Standard DVB-T auch HD-Programme.
- Gleichzeitig wird es durch das eingesetzte Kompressionsverfahren HEVC möglich, erheblich mehr Programme zu übertragen.
Aus der Perspektive der Anbieter beinhaltet der DVB-T2 HD-Standard eine wichtige Ergänzung. Es ist zukünftig möglich, Programme verschlüsselt zu übertragen und darüber Geschäftsmodelle zu entwickeln, wie sie auf Satellit oder Kabel längst etabliert sind. Nur wenn es für die Anbieter tragfähige Geschäftsmodelle gibt, werden sie ihre Programme auf einer Plattform verbreiten. Bei DVB-T war dies für einige Anbieter, wie beispielsweise in München für RTL, nicht der Fall, so dass sie aus der DVB-T-Verbreitung ausgestiegen sind. Bei der DVB-T2 HD-Einführung sind diese Programme (höchstwahrscheinlich) wieder mit dabei. Was dann auch wieder von Vorteil für die Zuschauer ist.
Weitere große Treiber für den DVB-T2-Umstieg waren die Mobilfunkindustrie und die Politik. Da DVB-T2 ein geringeres Frequenzspektrum benötigt, wurden die freiwerdenden Frequenzblöcke durch die Bundesnetzagentur im Juni an die Mobilfunkbetreiber versteigert, was der Staatskasse etwa eine Milliarde und den Mobilfunkern weitere LTE-Frequenzen einbrachte.
Was bedeutet das für den Endverbraucher?
Für den Endverbraucher bedeutet der gesamte Vorgang, dass er keine Wahl hat und auf DVB-T2 umsteigen muss, wenn er weiterhin terrestrisches Fernsehen empfangen möchte. Die DVB-T-Frequenzen sind an die Mobilfunker verkauft und an einer Abschaltung – nach einer Übergangsphase – ist nicht mehr zu rütteln.
Die meisten Nutzer sehen es positiv, wenn zukünftig HD-Programme auch terrestrisch empfangen werden können und das Programmangebot größer wird.
Es sind auch weitere Empfangsgebiete und damit eine erheblich bessere Abdeckung der privaten Angebote geplant. Die öffentlich rechtlichen Programme werden flächendeckend verfügbar sein.
Allerdings ist DVB-T2 HD nicht abwärtskompatibel. Das bedeutet, dass (fast) alle Empfänger, seien es externe oder in Fernsehgeräten selbst integrierte Receiver, die heute verwendet werden, nicht für den Empfang von DVB-T2 HD geeignet sind und neue Geräte gekauft werden müssen.
Auch aktuell am Markt verfügbare Geräte sind überwiegend nicht DVB-T2 fähig. Es wäre gegenwärtig also ein schlechter Zeitpunkt, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen. Sicherheit bieten nur Geräte mit dem offiziellen DVB-T2 HD-Logo.
In zahlreichen anderen Ländern wurde DVB-T2 zwar bereits eingeführt, aber vom Kauf der dort verfügbaren Geräte kann nur abgeraten werden, da sie in Deutschland nicht funktionieren werden. Deutschland setzt als bislang einziges Land auf den HEVC-Codec, der auch für Ultra-HD verwendet wird, während sonst auf MPEG-4 gesetzt wird. Das heißt, die meisten dieser Fernseher, die zwar einen DVB-T2-Tuner integriert haben, sind in Deutschland für den terrestrischen Empfang ungeeignet.
Ein weiterer Wehrmutstropfen ist die oben bereits angesprochene Möglichkeit zur Signalverschlüsselung. Ähnlich wie bei Kabel und Satellit wird der Netzbetreiber für die HD-Angebote der Privatsender eine zusätzliche Gebühr erheben. Der Kostenrahmen wird sich voraussichtlich an der Höhe der Jahresgebühr von HD+ orientieren und in etwa bei 60 € pro Jahr liegen. Einige private SD-Programme, die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (in HD) und die lokalen Programme werden unverschlüsselt empfangbar sein.
Wann ist es soweit?
Der gegenwärtige Zeitplan des Netzbetreibers Media Broadcast sieht vor, im Mai 2016 in ausgewählten Städten mit einer Einführungsphase zu starten. Innerhalb dieser Einführungsphase wird kostenfrei ein reduziertes Programmangebot angeboten. Dieser Starttermin hängt mit der Fußball-Europameisterschaft im Juli zusammen, die auch terrestrisch in HD empfangbar sein soll.
Anschließend wird im letzten Quartal 2016 oder ersten Quartal 2017 auf eine verschlüsselte Gratisphase umgestellt, bei der bereits das vollständige Programmangebot enthalten, aber eine sechsmonatige Gratisfreischaltung verfügbar sein wird. Ab Mai wird dann schrittweise nach Ablauf der jeweiligen Gratisphase eine kostenpflichtige Verlängerung erforderlich.
Wie lange ein Parallelbetrieb von DVB-T und DVB-T2 HD aufrechterhalten wird, ist derzeit noch unklar. Die Tage von DVB-T sind jedenfalls gezählt.
4 Kommentare
Hallo Herr Eisenberg,
sehe ich es richtig, dass ich keine andere Wahl habe, als kostenpflichtig zu freenet TV zu wechseln oder mir einen alternativen Empfangskanal auszusuchen? Ich bin in diesem Beitrag https://www.smartphonepiloten.de/ratgeber/freenet-tv-wissenswertes-antworten-zur-umstellung-auf-dvb-t2-hd nur auf Satellit, Kabel und IPTV gestoßen. Gibt es denn keine andere Möglichkeit, weiter kostenlos fernzusehen? Schließlich zahle ich doch auch GEZ?
Herzlichst,
Georg Mayer
Auch nach der Umstellung auf DVB-T2 werden die öffentlich-rechtlichen Sender, die über den Rundfunkbeitrag finanziert werden und einen Grundversorgungsauftrag haben, unverschlüsselt empfangbar sein. Diese Programme werden dann sogar in HD verbreitet werden. Wenn Sie nur die unverschlüsselten Programme nutzen, benötigen Sie kein Abo. Ein kostenpflichtiges Abo ist allerdings für die Entschlüsselung der privaten Programme erforderlich. Was allerdings in jedem Fall benötigt wird, ist ein DVB-T2-fähiges Empfangsgerät. Dabei ist darauf zu achten, dass dabei auch der Standard HEVC unterstützt wird, da in einigen anderen Ländern DVB-T2 mit einem anderen, nicht kompatiblen Codec verbreitet wird.
Weitere Informationen bekommen Sie auch über das Informationsportal zu DVB-T2 HD unter http://www.dvb-t2hd.de/
Hallo Herr Mayer,
also zumidest öffentlich-rechtliche Sender können Sie auch per dbbt2 kostenlos empfangen. In der Testphase, die aktuell in einigen großen Städten läuft, können sogar private Sender kostenlos empfangen werden. Weitere Infos sind hier nachzulesen http://dvbt2-fernseher-test.de/was-kostet-dvb-t2/
Wer zusätzlich zu unserem Blog-Interview noch weitere Informationen sucht, kann sich zum einen auf unserer Website unter https://www.blm.de/aktivitaeten/technik/infrastruktur_tv/dvb-t/dvbt2-hd.cfm informieren und zum anderen über das offizielle Informationsportal http://www.dvb-t2hd.de/.