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05.02

Braucht unsere Gesellschaft eine digitale Ethik? 3 Fragen an Prof. Johanna Haberer

von Elena Lorscheid unter Netzwelt

Johanna Haberer ist Professorin für Christliche Publizistik und Mitglied des Medienrats der BLM. Wir haben sie gefragt, ob unsere Gesellschaft eine digitale Ethik braucht und welche Bedeutung ein Gremium wie der Medienrat dabei erhält.

Blmplus: Liebe Frau Prof. Haberer, benötigt unsere Gesellschaft eine spezielle digitale Ethik, die über die grundlegenden gesellschaftlichen Werte hinausgeht?

Unsere Gesellschaft braucht Aufklärung und Informationen über die Möglichkeiten, Spielräume und Gefahren der Digitalisierung. Sie braucht eine öffentliche Debatte, wie mit den neuen digitalen Möglichkeiten der Information, aber auch der Überwachung umgegangen werden soll.

„Wir müssen kulturell anschlussfähige ethische Leitlinien formulieren“

Die Haltungen dazu sind kulturell sehr unterschiedlich, zum Beispiel berichtet die Wochenzeitung DIE ZEIT vor wenigen Wochen, dass ein großer Teil der chinesischen Bevölkerung die totale Überwachung mit der Einordnung der Bürger in vertrauenswürdiger und nichtvertrauenswürdige Bürger mitträgt und für gut befindet. Bei uns wäre das undenkbar. Wir müssen also kulturell anschlussfähige ethische Leitlinien formulieren, aus denen dann neue Gesetze werden in einer Welt, in der sich neue Handlungsspielräume eröffnen, deren gesellschaftliche Einordnung und Wertung wir erst noch leisten müssen.

Was sind für Sie die besonderen Aspekte einer digitalen Ethik?

Die Digitalisierung bedeutet auch, dass der Staat oder Hacker oder begabte Scherzbolde oder Unternehmen völlig neue und umfassende Möglichkeiten haben, zu überwachen, zu manipulieren, einseitig zu informieren, zu verdienen usw.

„Eine digitale Ethik fragt, wie sich die digitalen Kommunikationstechniken auf die Würde des Menschen auswirken.“

Eine digitale Ethik fragt danach, was digitale Technologien für den Wohlstand und die Wertschöpfung einer Gesellschaft beitragen, wie sich Verantwortlichkeiten verschieben, was das für die Demokratie, die Gerechtigkeit unter den Bürgern und ihre Solidarität untereinander bedeutet, und wie sich der Umgang mit den digitalen Informations- und Kommunikationstechniken auf die Würde des Menschen, seine Selbstbestimmung, seine Privatsphäre und seine Sicherheit auswirkt.

Welche Bedeutung hat ein Gremium wie der Medienrat der BLM für eine Implementierung einer digitalen Ethik in unserer Gesellschaft?

Ich denke, dass sich die Gremien der „alten“ Medien damit auseinandersetzen müssen, dass die Formen der Kontrolle von (global) verbreiteten Inhalten sich verändern. Hier müssen wir an der Gesetzgebung und den Fragen rund um die Verantwortlichkeit von Gremien arbeiten, die vom Gesetz her auf Bundesländer bezogen sind und dennoch mit global distribuierten Inhalten umgehen.

Weiter hat sich die BLM ja in den vergangenen Jahren vorzüglich in der Ausbildung von Medienmachern, in der Medienbildung für Eltern und Lehrer und in der Medienpädagogik etabliert. Es ist ungemein wichtig, sich in diesen unübersichtlichen Zeiten hier zu verstärken und Journalistinnen und Journalisten auszubilden, die eine ethische Haltung zu ihrem Beruf haben und sich in den digitalisierten Informations- und Kommunikationswelten bewegen können.

 

 

Johanna Haberer

Johanna Haberer wurde 1956 in München geboren und studierte Germanistik, Theaterwissenschaft und Theologie. Nach ihrer ersten Pfarrstelle in Schongau/Oberbayern arbeitete sie u.a. als Rundfunkbeauftragte der ELKB, als Redakteurin bei der Ev. Filmgesellschaft EIKON, als Chefredakteurin des Sonntagsblattes und als Rundfunkbeauftragte des Rates der EKD. Seit 2001 ist Johanna Haberer Professorin für Christliche Publizistik an der Theologischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Theologin war von 2002 an vier Jahre lang Sprecherin des „Wortes zum Sonntag“. Sie ist unter anderem auch Mitherausgeberin von Publik-Forum – Zeitung kritischer Christen. Johanna Haberer hat eine Tochter.

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