11.12
Bayerns Lokalsender auf dem Weg in die Crossmedialität
Die Kamera mitnehmen? Auf Facepook posten? Die bayerischen Lokalsender sind auf dem Weg in die Crossmedialität, allerdings meist ohne gezielte Senderstrategie und häufig mit wenig Personal. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie über crossmediale Strukturen und Angebote im bayerischen Lokalrundfunk, die vergangene Woche in der BLM vorgestellt wurde. Einige Lokalsender sind aber bereits sehr aktiv, wie BLMplus im Gespräch mit zwei Lokalsendern erfahren hat.
Für die Studie von Prof. Dr. Sonja Kretzschmar und Verena Waßink (Universität der Bundeswehr in München) wurden mittels einer Online-Befragung alle lokalen Radio und Fernsehanbieter in Bayern gefragt. Die Rücklaufquote lag bei 49 Prozent. Die Ergebnisse interpretierte BLM-Präsident Siegfried Schneider als Ansporn, sowohl in der Aus- und Fortbildung als auch mit Hilfe des BLM-Projekts innovate:media den Sendern noch mehr Impulse zu geben, denn: Innovationsbereitschaft sei in hohem Maße vorhanden, allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass ein systematisches crossmediales Arbeiten vielfach noch fehle.
Soziale Netzwerke mittlerweile wichtiger als die eigene Website
Nach den Ergebnissen der Studie, die Kretzschmar zum Auftakt der Veranstaltung präsentierte, lässt sich eine zentrale Veränderung der Arbeitsweise in der Recherche erkennen: Lokale Websites sind hier von größter Bedeutung, direkt gefolgt von sozialen Netzwerken. Twitter und Blogs werden für die tägliche Arbeit nur in geringem Maß für die Recherche genutzt. Bei der Publikation von redaktionellen Inhalten sind die sozialen Netzwerke bereits wichtiger als die eigene Website geworden. Auch die Kamera gehört im redaktionellen Alltag schon dazu – 38,8 % der Befragten gaben an, mehrmals in der Woche Videos mit eigenen Inhalten auf der Website zu publizieren.
An Bedeutung gewinnt die Mobilität der Nutzer: Neben dem jeweiligen Radio- und TV-Sender wird von 69,4% vor allem die eigene Sender-App als besonders wichtiger Kanal angesehen. Optimierungspotenzial gibt es noch mit Blick auf eine gezielte crossmedialen Senderstrategie, die die Nutzung der einzelnen Kanäle systematisch evaluiert und die Publikation der Angebote danach ausrichtet. Generell werden aber sowohl die Vor- als auch die Nachteile der Crossmedialität gesehen: Sie ermöglicht den Zugang zu neuen Zielgruppen (91,8 %), ist aber auch eine Zusatzbelastung für die Redaktion (81,6 %). Diese Janusköpfigkeit spiegelt sich im lokalen Radioalltag wider.
Während der Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass viele Lokalsender das Potenzial des crossmedialen Arbeitens erkannt haben und die neuen Möglichkeiten nutzen. In Berlin ist beispielsweise 98,8 Kiss FM sehr aktiv. Maurice Baiers, Crossmedia-Redakteur und Moderator, demonstrierte, wie Facebook, Whats app, You Tube und die Homepage für eine Story miteinander verzahnt werden können, und die Reaktionen darauf in einem „Connect Center“ (Sammelstelle für verschiedene Kontaktmöglichkeiten) kanalisiert werden. Auf die Nachfrage, wie man denn mit den AGBs von Whats app umgehe, die eine kommerzielle Nutzung untersagten, zeigten sich die Sendervertreter auf dem Podium allerdings etwas ratlos.
„Trial and Error“-Prinzip: Das kann nicht jeder umsetzen
Der Münchner Ausbildungssender afk.tv kann unter nicht-kommerziellen Bedingungen einiges ausprobieren, was sich die meisten Lokalsender im redaktionellen Alltag aufgrund von Zeit- und Personalmangel nicht leisten können: projektbezogenes Arbeiten und das „Trial and Error“-Prinzip. Für die Entwicklung neuer Formate, auch im crossmedialen Bereich, braucht man eben Zeit, meinte Programmleiter Klaus Kranewitter. Zeit für die Produktion und Zeit für das Erlernen der neuen Arbeitsweisen. Daran mangelt es nach den Studienergebnissen aber noch kräftig. Die meisten Sender erkennen den notwendigen Schulungsbedarf, aber die Mitarbeiter/innen nehmen nur selten an Schulungen teil.
Interaktivität: Kommunikation ja, User Generated Content nein
Als Rückkanäle werden Twitter, Facecook und Co bereits intensiv für die Kommunikation mit Hörern und Zuschauern genutzt. So betonte Julia Schutz, die Programmchefin des Günzburger Radiosenders Donau 3fm: „Der Kontakt zu den Hörern ist über crossmediale Kanäle viel intensiver.“ Diese Erfahrungen werden auch in der Studie bestätigt. Alle befragten Sender nutzen die sozialen Netzwerke, um mit ihren Hörern und Zuschauern zu kommunizieren. Eigene Inhalte, also User Generated Content, kann das Publikum jedoch selten über Apps an den Sender weiterleiten.
Die neuen Möglichkeiten zu nutzen, ist für Schutz übrigens nicht nur eine innovative Arbeitsweise, sondern es mache auch Spaß und motiviere das Team. Deshalb plädiert sie auch dafür, die neuen Kanäle nicht als enorme Zusatzbelastung zu sehen, sondern als „Muss“, um mit Hilfe des Hörer-Feedbacks ein besseres Programm gestalten zu können. BLM plus hat die Programmleiterin des Lokalsenders nach ihren Erfahrungen gefragt.
„Mehrwert für das Storytelling“
Social Media als wichtiger Faktor für die Markenbildung
Die Begeisterung des Redaktionsteams für den Einsatz von Social Media zu fördern, ist für Torsten Cuck, Leiter Online Redaktion & Social Media von TV Oberfranken, ganz wichtig. Mittels Monatsranglisten mit der Auswertung von Online-Beiträgen der Mitarbeiter sorgt TV Oberfranken für die Motivation der Redaktion. Der Hofer Lokalsender nutzt von Spotify über flickr, instagram, Facebook, Google+, Twitter und You tube bis hin zu Yelp alle Kanäle, berichtete Cuck in München. Er ist übrigens nur für die Online-Aktivitäten verantwortlich und bekommt noch Unterstützung aus der Redaktion – ein Einsatz von Personalressourcen, der bisher bei den bayerischen Lokalsendern eher selten ist.
Was die Themen betrifft, sind neben den Haustieren („Cats and Dogs gehen immer“) insbesondere Brände, Zeugenaufrufe oder auch eigens kreiierte, regionale Vereinsmeisterschaften dankbare Stories. Mit der Strategie „Social Media meets TV“ verfolgt TV Oberfranken ganz klare Ziele: die Anregung zur Interaktion, die stärkere Identifizierung der Zuschauer mit dem lokalen Medium, die Steigerung der Reichweite und vor allem das Vorantreiben der Markenbildung. Auch wenn sich das Engagement nicht sofort in Zuschauerreichweite auszahlt, gibt Cuck im Gespräch mit BLMplus zu bedenken, sei es auf jeden Fall ein wichtiger Faktor für die Markenbildung.
Fazit der lebhaften Podiumsdiskussion, die auf medienpuls.bayern dokumentiert ist: Es gibt bereits gute „Best Practice“-Beispiele, der crossmediale Redaktionsalltag wird zum großen Teil gelebt und ist vor allem für die jüngeren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bereits selbstverständlich. In Sachen Schulung und zielgerichtete Strategie besteht aber noch Nachholbedarf.
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