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25.08

AVMD-Richtlinie der EU: Achtung, es geht los!

von Johanna Fell unter TV

Es ist ja allerhand los im Europa dieser Tage. Selbst die Medien ereilt nun die REFIT-Strategie zum Bürokratieabbau von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, nachdem die fällige Überarbeitung der 2010 verabschiedeten Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste in den letzten Jahren nicht so richtig vorankam. Die Europäische Kommission hat die AVMD-Richtlinie in die Strategie für den digitalen Binnenmarkt (kurz: DSM-Strategie) integriert, die bis Ende 2017 umgesetzt sein soll. Ein höchst ehrgeiziger Zeitplan, der zu Wetten über sein Gelingen geradezu verlockt.

Das DSM-Strategiepaket umfasst drei Säulen mit insgesamt 16 Initiativen und enthält so knifflige Bereiche wie den Rechtsrahmen zum Urheberrecht, die Regulierung der Telekommunikations-Infrastruktur, die Regulierung von Suchmaschinen, die Modernisierung der AVMD-Richtlinie und noch so einiges mehr. Gerade ist die EU-Kommission unter großem öffentlichem Echo eines der Themen angegangen: das Geoblocking, das EU-Kommissions-Vizepräsident Andrus Ansip seiner eigenen Aussage nach „aus tiefstem Herzen verhasst“ ist.

Wird das Geoblocking untersagt?

Ein Verbot des Geoblocking hätte für die Medienbranche weitreichende Folgen. Mit der fehlenden Portabilität von TV- oder Filmabonnements können Medienunternehmen die Vermarktung ihrer Produkte nach nationalen Märkten steuern. Sprich: Deutsche Urlauber schauen im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre, wenn sie in Mallorca oder anderswo ihre Pay-TV-Abonnements nutzen wollen, es aber nicht können. Fällt das Geoblocking weg, dürfte das für Verbraucher und Mediennutzer ein Anlass zum Jubeln sein, betroffenen Branchen aber schlaflose Nächte bereiten und sie in höchste Betriebsamkeit und verstärkte Lobby-Aktivitäten in Brüssel versetzen.

AVMSD

Was gehört heute alles zur audiovisuellen Medienwelt? Die AVMD-Richtlinie der EU soll überarbeitet werden. Foto: EU-Kommission

Die Kommission hat für ihren aktuellen Vorstoß das Instrumentarium des Wettbewerbsrechts ausgepackt, und man darf sehr gespannt sein, wie weit sie damit gegenüber den mächtigen Lobbyverbänden im Bereich des Films und des Sports kommt, denen im Grunde der Boden ihres auf nationale Märkte ausgerichteten Geschäftsmodells entzogen würde.

Einige ihrer Argumente  (Förderung des Breitensports aus den Vermarktungserlösen) sind längst bekannt. Wie stark die Lobbyverbände die Kommission mit diesen und anderen Argumenten zu beeindrucken vermag, bleibt abzuwarten. Es kann – wie immer im Sport – nur einer gewinnen, und wer zumindest einer der Verlierer des aktuellen Vorstoßes wäre, haben die Unternehmen auch schon angekündigt: der Verbraucher, der mehr zahlen müsste – welch eine überraschende Prognose!

„Murphy-Urteil“ als Meilenstein

Neu ist das Thema tatsächlich nicht: Den eigentlichen Meilenstein setzte der Europäische Gerichtshof bereits 2011 mit den Rechtssachen RS C-403/08 und C-429/08, besser bekannt als Murphy-Urteil, mit dem der englische Ligaverband den Kürzeren gegen eine Pub-Besitzerin in Südengland zog, die in ihrem Pub Liveübertragungen von Spielen der ersten englischen Liga gezeigt hatte und dazu keine Gaststättenlizenz von Sky, sondern einen Satelliten-Decoder von Nova nutzte, der seinerzeit die Übertragungsrechte für Premier-League-Spiele in Griechenland besaß.

Zwar ging es in dem Verfahren vordergründig um einen Verstoß gegen englisches Urheberrecht, doch befand der Gerichtshof, dass Sportereignisse nicht, wie vom Premiere League-Verband behauptet, urheberrechtlichen Schutz genießen. Zudem sei mit der EG-Fernsehrichtlinie von 1989 und der Satelliten-Richtlinie aus dem Jahr 1993 durch die EU der Übergang von den nationalen Märkten zu einem einheitlichen Markt für die Produktion und Verbreitung von Programmen eröffnet. Eine Beschränkung von Sendelizenzen und Fußballübertragungsrechten verstoße insofern gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit.

Salomonisches Regelwerk für digitales Medienzeitalter

Für die Tauglichkeitsanalyse der AVMD-Richtlinie hat die Kommission mit der ERGA (European Group of Regulatory Authority) im März 2014 als Hilfstruppe einen ThinkTank aus den europäischen Medienregulierern geschaffen, der derzeit fleißig die Praktikabilität der einzelnen Bestimmungen der Richtlinie analysiert. Es darf davon ausgegangen werden, dass sich einiges davon in den Papieren der Kommission wiederfindet. Auch die Sicht des Bürgers selbst ist inzwischen gefragt: Die Kommission hat gerade eine öffentliche Konsultation eingeleitet, an der sich jeder bis zum 30. September beteiligen kann, und bei der alle Beiträge öffentlich gestellt werden – sozusagen Transparenz am Objekt.

Auch bei der Richtlinie geht es darum, Interessen gegeneinander abzuwägen und ein geradezu salomonisches Regelwerk für das digitale Medienzeitalter zu gestalten: Es muss der konvergenten Entwicklung genauso Rechnung tragen wie den Weiterungen des Internets mit seinem grenzenlosen Angebot für jedermann. Die Belange der Inhalteanbieter müssen genauso berücksichtigt werden wie die Grundrechte und Schutzbedürfnisse der Verbraucher. Es geht vor allem auch um die Frage, ob der derzeitige Geltungsbereich der Richtlinie auf neue Dienste und Akteure ausgeweitet wird. Und schließlich darf die Richtlinie nach dem Subsidiaritätsprinzip nur das regeln, was die Mitgliedstaaten nicht selbst regeln können. Gefragt ist also nichts weiter als die eierlegende Wollmilchsau, wie der Bayer sagen würde. Und natürlich soll dieses ganz unkomplexe Thema bis Ende 2017 „durch sein“. Denkt man an den letzten Revisionsprozess mit 1., 2. und 3. Lesung im Parlament, Trilog und den restlichen Verfahrenssträngen zurück, ein nicht ganz unehrgeiziges Ziel – man darf gespannt sein.

 

2 Kommentare

2 Kommentare zu: AVMD-Richtlinie der EU: Achtung, es geht los!

  1. Chris sagt:

    „Es muss der konvergenten Entwicklung genauso Rechnung tragen…“
    Was für eine konvergente Entwicklung ist hier gemeint? Die Monopolisierung der Medien? Und warum muss man der Rechnung tragen?

    • Bettina Pregel sagt:

      Gemeint ist mit der konvergenten Entwicklung in diesem Kontext üblicherweise, dass Inhalte zunehmend über mehrere Verbreitungswege verfügbar werden, während die Regulierung bislang zwischen linear und nicht-linear verbreiteten Inhalten differenziert. Das führt dazu, dass der gleiche Inhalt je nach Verbreitungsweg mal mehr, mal weniger strikt reguliert wird. Mit Blick auf die Wirkung von Inhalten dürfte aber unstreitig sein, dass der Maßstab für die Regulierung der gleiche sein muss, egal, ob sie nun über DVB-T oder das Internet angeboten werden.

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