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11.10

Algorithmen und Bots: ein zentrales Thema der Medientage München

von Siegfried Schneider unter Netzwelt

Steuert das Ich die Medien oder wird es irgendwann mal andersrum sein? Künstliche Intelligenz ermöglicht schon heute vieles: Auf jeden Fall gehören Algorithmen und Bots zu den Trends, durch die unsere Mediennutzung künftig wesentlich beeinflusst wird. Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind ein zentrales Thema der Medientage München 2016. Eine entscheidende Frage wird sein: Wer wählt aus, was der User will?

Wie Algorithmen und Bots unsere Mediennutzung beeinflussen

Medientage München 2016Ein Roboter, der Messebesucher begleitet; Algorithmen, die unsere Mediennutzung steuern; Chat-Bots, die z.B. Facebook-Nutzer bei der Nachrichtenauswahl unterstützen: Ist das unsere Zukunft? Zumindest sehen sich Nutzer, Zuschauer und Kunden diesen Trends ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund könnte das Motto der diesjährigen Medientage München  „Mobile & Me – Wie das Ich die Medien steuert“ Stoff für spannende Diskussionen zwischen dem 25. und 27. Oktober liefern.

Treiber dieser Entwicklung ist das schnelle Internet, das immer besser verfügbar ist. Mit der aktuellen 4. Mobilfunkgeneration LTE werden mittlerweile Kapazitäten von 150 Mbits/s angeboten, was mit dem Festnetzbereich vergleichbar ist. Das hat natürlich Konsequenzen: „Video first“ gilt für den Content, der auf Smartphones genutzt und geteilt wird. Auch der enorme Erfolg von Snapchat ist sicher u.a. den schnelleren Mobilfunkverbindungen zu verdanken.

Internet der sozialen Plattformen

Messenger und Bots

Beispiele für Chatbots

Die Tatsache, dass Facebook in der ganz jungen Zielgruppe an Attraktivität verliert, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Unternehmen weltweit versucht, eine eigene Medienwelt aufzubauen. Virtual Reality, Live Video, Chatbots für Messenger und Instant Articles sind einige der Produkte, die dazu beitragen sollen, dass die Nutzer möglichst in der Facebook-Welt bleiben und nicht mehr den Links nach außen folgen. In den USA ist dieser Systemwechsel von einem Internet der Websites und mobilen Apps zu einem Internet der sozialen Plattformen, und hier speziell Facebook, schon weit fortgeschritten.

Weitere Trends, die durch den technologischen Medienwandel forciert werden, sind „Augmented Reality“, „Virtual Reality“ und vor allem die 360 Grad-Video-Technologie. Laut dem Marktforschungsunternehmen „Trendforce“ wird der Markt für „Virtual Reality“ im Jahr 2020 rund 70 Milliarden US-Dollar betragen. Mittlerweile sind selbst mit Smartphone-Apps erstaunlich gute 360-Grad-Perspektiven möglich.

Trotz all dieser Innovationen sollten wir jedoch nicht vergessen, dass die traditionellen Medien, z.B. das gute alte lineare Fernsehen, immer noch sehr gut funktionieren, sowohl was die Nutzung angeht, als auch, was das Geschäftsmodell betrifft.

Regionale Medien müssen beim Umwälzungsprozess dabei sein

Angesichts der offen­sichtlich immer mächtiger werdenden globalen Plattformen ist es eine wichtige Frage, wie sich gerade die regionalen Medienangebote in dieser neuen Medienwelt wiederfinden. Ich glaube, dass die lokalen und regionalen Inhalte weiter sehr wichtig bleiben für die Nutzer. Es sind aber eigene digitale Produkte und Entwicklungen notwendig, um bei diesem rasanten Umwälzungsprozess dabei zu sei. Auch wenn die traditionellen Geschäftsmodelle derzeit noch erstaunlich erfolgreich sind, eine Lebensversicherung für die Zukunft sind sie nicht.

Ersetzen Algorithmen den Journalismus?

Das Internet verändert die Art, in der Journalisten recherchieren und Inhalte präsen­tieren. Zugleich treten mit Facebook und Google neue Akteure auf den Plan. Diese so genannten Intermediäre entscheiden mit Diensten wie Instant Articles oder Such­algorithmen zunehmend darüber, welche journalistischen Inhalte von Nutzern gefunden werden. Es gibt Kritiker, die vor einer Abwertung des Journalismus warnen. Diese könnte entstehen, wenn künftig Algorithmen darüber entscheiden, welche Nachrichten von uns wahrgenommen werden.

In sozialen Netzwerken erstellen Computerprogramme längst aus unseren digitalen Spuren ein Profil unserer vermeint­lichen Vorlieben und kreieren ein darauf abgestimmtes Informationsangebot. Im Hinblick auf die öffentliche Funktion des Journalismus sind solche Selektionskriterien problematisch, weil nicht mehr die gesellschaftliche Relevanz die Bedeutung eines Themas oder Beitrags bestimmt, sondern die größtmögliche zu erreichende Aufmerk­samkeit.

Daraus ergeben sich zwei unterschiedliche Effekte: Durch das Wissen über die Identität des Nutzers kann man sehr effektiv Werbung zuspielen, und es werden dem Nutzer nur noch Artikel angeboten, die ihn interessieren, also z.B. viel Fußball, wenig Politik. Der Nutzer wird so in einer Wohlfühlzone gehalten, die mit der Realität möglicherweise wenig zu tun hat.

Qualitätsjournalismus wird auch weiterhin von Menschen produziert

Man muss aber auch die Chancen dieser Entwicklung sehen: die Darstellungs- und Präsentationsformen journalistischer Inhalte sind so vielfältig wie nie zuvor – etwa durch multimediales Storytelling. Dank Datenjournalismus lassen sich komplexe Zusammenhänge analysieren. Mit Hilfe sozialer Medien erfahren Redaktionen von spannenden Ereignissen und Themen. Nie war der Kontakt mit dem Publikum einfacher und intensiver.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass z.B. Mathias Müller von Blumencron, der Digital-Chef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, vor kurzem in einem Interview mit dem Branchendienst Horizont gesagt hat: „Das Internet ist das beste Instrument, was Journalisten je in die Hand gegeben wurde.“ Richtig ist auch die Aussage von Jochen Wegner, Digital-Chef der ZEIT: „ Bestimmte Standards im Qualitätsjournalismus ändern sich nicht, und das ist auch gut so, seine digitalen Fundamente ändern sich aber dramatisch.“

Ich persönlich glaube nicht, dass Algorithmen den Journalismus ersetzen. Qualitätsjournalismus wird auch weiterhin von Menschen produziert werden.

Wer wählt aus, was der User will?

Auch die Antwort auf diese Frage führt uns wieder zu den Algorithmen. Sie werten unsere Suchanfragen, Kommentare, „Gefällt mir“-Buttons und Kaufentscheidungen aus und suggerieren uns dann Wünsche, denen wir uns selbst oft gar nicht bewusst sind. Damit lässt sich der Kundenservice verbessern, gleichzeitig wird aber unsere Willensfreiheit eingeschränkt.

Wenn die Algorithmen personalisiert sind, passen sie sich dem Nutzer im Laufe der Zeit immer mehr an. Das bedeutet, nachdem die Algorithmen die Daten vorgefiltert haben, sortieren sie die Ergebnisse nach unseren vermeintlich persönlichen Präferenzen. Studien haben gezeigt, dass wir uns von den Ergebnissen stark beeinflussen lassen.

Transparenz durch gesetzlichen Rahmen schaffen

Letztlich geht es also um Fragen wie: Sind Algorithmen neutral? Kann man Algorithmen nach ethischen Gesichtspunkten programmieren? Gibt es Fragestellun­gen, für die Algorith­men nicht eingesetzt werden sollten? Bedrohen Algorithmen das Prinzip der Selbst­bestimmung? Letztlich brauchen wir eine Ethik und Transparenz von Algorithmen. D.h. Prozesse algorithmischer Entscheidungsfindung müssen nachvollziehbar sein, damit sie demokratisch kontrolliert werden können.

Diese Transparenz muss durch Gesetze und Regeln formuliert und durchgesetzt werden. Dafür müssen sich Staaten und Parlamente nicht nur gegen mächtige Interessengruppen durchsetzen, sondern auch vorher mögliche Probleme erkennen. In einem klar definierten gesetzlichen Rahmen können wir gemeinsam Entwicklungspfade definieren, die einer demokratischen Gesellschaft im digitalen Zeitalter angemessen sind.

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