Di
01.07

Ach Europa!

von Johanna Fell unter TV

Der technologische Wandel schafft Fakten, die Regulierer ziehen nach. Das gilt nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch für die europäische Medienregulierung. Ein mühseliges Geschäft!

Im Alltagsgeschäft des Regulierers – wie wohl auch der Anbieter – geht es nicht nur um das Bayerische Mediengesetz und den Rundfunkstaatsvertrag, sondern auch immer um Europa – genauer gesagt, um Brüssel und die EU-Kommission. Seit dem „Urknall“ der europäischen Medienregulierung im Mai 1989, die durch den Europarat und seine Konvention zum grenzüberschreitenden Fernsehen erfolgte, während die Kommission mit der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ ein halbes Jahr hinterherhinkte, hat sich die europäische Medienregulierung grundlegend gewandelt – zwar nicht so sehr wie die Branche und die Technik, aber doch so, dass es kein Entkommen mehr gibt – es sei denn, ein Angebot ist rein lokal/regional ausgerichtet und nicht über die heute üblichen Verbreitungswege zu empfangen.

Paragraf, Europarecht, Europäische Union, EU, Gesetzgebung

Die Gesetzgebung der EU hinkt der Realität hinterher.

Brüssel ist auch bei den Medien gründlich – was für den Agrarbereich die Vorschrift zur Gurkenkrümmung war, ist für den Fernsehanbieter die Vorgabe zu den Werbezeiten. Und auch dieses Beispiel zeigt wieder einmal, wie langsam die Mühlen doch arbeiten, insbesondere die europäischen: Der Verbraucher, Nutzer oder – neudeutsch – Prosument – hat das Thema Werbung längst mental in die Klamottenkiste der Urzeit des Fernsehens gesteckt, während Veranstalter und Werbetreibende weiterhin (mehr oder minder) brav Sekunden wie Erbsen zählen.

Bei der letzten Novellierung des europäischen Rechtsrahmens konnte sich die Kommission 2007 nicht dazu durchringen, die Werbezeitengrenzen aufzuheben. Eigentlich erstaunlich, sollte man doch meinen, dass das Diktum vom Markt, der alles regelt, gerade hier gelte. Offensichtlich ist aber die Kunde vom zappenden Zuschauer noch nicht bis in die Brüsseler Amtsstuben vorgedrungen. Merkwürdig kann einem diese Haltung auch deshalb anmuten, weil sich die Kommission doch auf die Fahnen geschrieben hat, zur Vollendung des Binnenmarktes alle Hindernisse abzubauen, die den freien Dienstleistungsverkehr unter den nunmehr 28 Mitgliedstaaten behindern. Ist das nun die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis oder ein besonderer Fall von hartnäckigem Beharrungsvermögen?

Nachdem sich die Kommission seit Inkrafttreten der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie (AVMD-RL) 2009 vor allem damit beschäftigt hat, wie die Mitgliedstaaten sie in nationales Recht umgesetzt haben, hinkt die Regulierung den Gegebenheiten des Jahres 2014 weit hinterher. Selbst der „light-touch“ approach für Angebote im Internet hat sich bislang noch nicht wirklich als der Weisheit letzter Schluss erwiesen. Und es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis sich die Aktivitäten Brüssels wieder konkretisieren. Nach der Europawahl am 25. Mai mussten erst wieder die Posten verteilt werden und das dauert. Und natürlich ist – wie man auch von den Novellierungen des Rundfunkstaatsvertrags bzw. des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags weiß – die Abstimmung von Texten auf dem Brüsseler-Straßburger Parkett (das Europäische Parlament redet bekanntlich klar mit) ein zweifellos mühseliges Geschäft – ach, Europa!

 

 

 

Kommentar abgeben

Kommentar abgeben

Bitte achten Sie auf höfliche und faire Kommunikation. Mehr dazu unter Blogregeln.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit einem * markiert.

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen und mir ist bewusst, dass meine Daten zur Verarbeitung meines Kommentares gespeichert werden.