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14.04

YouNow – Live aus dem Kinderzimmer ins Netz

von Stefanie Reger unter Jugendschutz Medienkompetenz

YouNow

Bild: YouNow

Erst war es Facebook, dann Instagram und jetzt steht seit ein paar Monaten die Live-Streaming-Plattform „YouNow“ ganz weit oben auf der Beliebtheitsskala bei älteren Kindern und Jugendlichen im Netz. Erwachsene beunruhigt der neue Teenie-Trend, per Webcam live und in Echtzeit Videos von sich ins Internet zu stellen. Mich auch. Theoretisch könnte meine 10-Jährige Tochter das schon ausprobiert haben. Ich bin beruhigt, als sie meine Frage, ob sie YouNow kenne, verneint. Doch das kann sich schnell ändern… Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Phänomen YouNow und den damit verbundenen Risiken.

1. Welche Idee steckt dahinter?

Die Plattform wurde 2011 in Amerika gegründet – ursprünglich für Musiker und YouTube-Videoproduzenten, die darüber mit ihren Fans in Kontakt treten können sollten. Doch richtig erfolgreich wurde das Angebot erst, als es Heranwachsende für sich entdeckten: Bei YouNow kann man sich nämlich selbst zum Programm machen. „Berichterstattung“ live aus dem Kinderzimmer sozusagen, ganz oben auf der Liste stehen die übliche Teenie-Themen wie Klamotten, Musik, Liebe… Was erstmal vermeintlich harmlos (und fast langweilig) klingt, wird durch das Chatfenster neben dem Stream problematisch: Hier gehen die Zuschauer direkt auf das Video ein, schicken Fragen oder Kommentare, die dann auch direkt live beantwortet werden. Fragen wie „Wie alt bist du?“, „Was hast du an?“ und „Wo wohnst du?“ gehören zu meistgestellten.

2. Wie funktioniert das Ganze?

Ganz einfach. Oder besser – zu einfach. Man meldet sich mit seinem Facebook-, Twitter oder Google+-Account an, auf eine funktionierende Altersprüfung wird dabei aber verzichtet. Wie bei Facebook muss man auch bei YouNow offiziell mindestens 13 Jahre alt sein – die Angaben überprüft aber keiner. Um loslegen zu können, braucht man dann nur noch ein Smartphone mit der entsprechenden YouNow-App oder einen Computer/ein Tablet mit Kamera. Wer nicht selbst streamen oder chatten, sondern nur zuschauen will, der muss sich nicht einmal registrieren.

3. Wie erfolgreich ist YouNow – und warum?

Seit Ende 2014 wächst die die Plattform in Deutschland explosionsartig. Laut „Stern“ hat es im Januar 16 Millionen Live-Streams deutscher Nutzer gegeben, was 16 Prozent aller gesendeten Videos entspricht. Innerhalb von zwei Monaten sei die Zahl der deutschsprachigen Nutzer um 250 Prozent angestiegen. Kategorien wie „deutsch-girl“ oder „deutsch-boy“ gehören zu den beliebtesten des Angebots. Was die Faszination dieses Angebots ausmacht? Ganz klar die Suche nach Selbstdarstellung und Selbstbestätigung, auf der Kinder kurz vor und Jugendliche in der Pubertät nun einmal sind. Hier können sie in die Fußstapfen ihrer You-Tube-Stars treten und ein mehr oder weniger großes – anonymes – Publikum gewinnen. Und genau an dieser Stelle kann es gefährlich werden: Ein in YouNow integriertes Belohnungssystem motiviert die Nutzer nämlich, möglichst viel von sich preiszugeben: Denn nur dann schauen auch viele zu. Und nur wer eine Menge Zuschauer und Fans hat, von ihnen virtuelle Likes in Form von Herzchen oder hochgestreckten Daumen bekommt, steigt im Ranking nach oben.

4. Was sind die Gefahren?

Man muss nicht lange auf YouNow unterwegs sein, bis man auf eindeutig zweideutige Fragen und Kommentare von Nutzern stößt: Dazu gehören Fragen nach Adresse und Telefonnummer, Aufforderungen, Beine, BHs und mehr zu zeigen, aber auch Beleidigungen u.ä.. Wer diese Fragen stellt, ob das Gleichaltrige oder im schlimmsten Fall Erwachsene mit pädophilen Neigungen sind, bleibt offen… Birgit Braml, stellvertretende Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz, fasst die Risiken von YouNow so zusammen: „Durch den Livestream und den gleichzeitigen Chat geben Jugendliche oft Informationen von sich preis, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind – zum Beispiel Name, Adresse, Telefonnummer. Zudem besteht die Gefahr, dass sich Leute an die Jugendlichen wenden, die auf dieser Plattform nichts zu suchen haben. Hinzu kommt, dass der Livestream für die Übertragung problematischer Inhalte aus der rechtsextremen oder pornografischen Szene missbraucht werden kann.“ Neben dem Schutz der eigenen Privatsphäre ist die Verletzung von Bild- und Persönlichkeitsrechten anderer eine weitere Problematik. Das Filmen beispielsweise von Mitschülern oder Lehrern, die dem nicht zugestimmt haben, aber trotzdem im Stream zu sehen sind, verletzt das Recht am eigenen Bild und andere Persönlichkeitsrechte. Lassen YouNow-Nutzer beim Streamen im Hintergrund Musik laufen, könnten sie eine Klage ins Haus bekommen, weil für Musik in Online-Videos Gema-Gebühren gezahlt werden müssen. Gestern nun hat YouNow auf die Kritik reagiert und verkündet, ab sofort Mitglied der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) zu sein, „um Kinder und Jugendliche online zu schützen“. Ein erster – wichtiger – Schritt für mehr Jugendschutz, dem weitere folgen müssen…

5. Was können Eltern tun?

Mit erhobenem Zeigefinger oder mit Kommentaren wie „verschwende Deine Zeit nicht mit so einem Quatsch“ Verbote auszusprechen, bringt gar nichts. Ganz egal, was Jugendliche im Internet machen und entdecken – sie sollten immer wissen, dass sie sich an ihre Eltern wenden können, wenn ihnen etwas Unangenehmes passiert ist. Wichtig ist deshalb, dass Eltern wissen, was ihre Kinder im Internet tun und sich darüber mit ihnen regelmäßig austauschen. „Tue in der virtuellen Welt nichts, das du nicht auch in der realen Welt tun würdest“ – das ist eine der wichtigsten Regeln, die Eltern ihren Kindern auf den Abenteuerspielplatz Internet mitgeben sollten. Wirksamer als elterliche Argumentationen („sei grundsätzlich misstrauisch in sozialen Netzwerken“) könnte außerdem sein, sich gemeinsam Videos von bekannten You-Tube-Stars, unter denen sich Widerstand gegen YouNow formiert hat, anzuschauen. „Mach erst den Kopf an, dann den Internet“, sagt beispielsweise Le Floid in seiner sehenswerten Videobotschaft zum Thema.

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