07.11
Und es gibt sie doch! Neue Geschäftsmodelle in der digitalen Welt
Es lag was in der Luft bei der ersten transformingMEDIA Fachtagung. Gute Luft. Aufbruchstimmung. Es war nicht viel zu spüren von Totengräberstimmung, wie man sie sonst oft auf Tagungen erlebt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich die Referentinnen und Referenten oder auch die Gäste nicht den Herausforderungen stellen wollen. Als Besucher hatte ich den Eindruck, dass die Medienbranche zwar zum großen Teil immer noch am Anfang der digitalen Wende steht und sich viele vor dem entscheidenden Schritt scheuen. ABER es gibt genug Beispiele und Ansätze, die bereits jetzt funktioneren und mit denen tatsächlich auch Geld zu verdienen ist.
Die @krautreporter waren ein Himmelfahrtskommando sagt @vonstreit Es ging darum eine Community für Journalismus zu schaffen #tm14
— Karsten Lohmeyer (@LousyPennies) 5. November 2014
Krautreporter ist eines der Beispiele, wie man im Netz ein Bewusstsein für Journalismus schaffen kann. Ob der Einzelne das Ergebnis nun gut oder schlecht findet, spielt vielleicht gar nicht die große Rolle. Dass ein journalistisches Crowdfunding-Projekt einen so großen Erfolg hat, liegt wohl in erster Linie am Enthusiasmus der Initiatoren und am Mut. Mut, zu dem Alexander von Streit auch in seiner Keynote aufgerufen hat.
“Lasst uns neue Orte für Journalismus schaffen“, fordert @vonstreit #tm14 — Julian Heck (@julianheck) 5. November 2014
Dass Crowdfunding ein guter Start für neue Projekte sein kann, haben die Krautreporter bewiesen, wurde aber auch durch Johanna Stiller von startnext.de bestätigt. Von 2011 bis heute wurden in Deutschland über 12 Millionen Euro via Crowdfunding gesammelt und mehr als 2.000 Projekte umgesetzt. Es ist verrückt, für was Unterstützer die Geldbörse öffnen. So hat eine Absolventin der Deutschen Journalistenschule für eine journalistische Walz durch verschiedenste Lokalredaktionen gesammelt – und das sehr erfolgreich.
Beeindruckend war auch die Vorstellung von sisterMAG, des digitalen Frauenmagazins. Die Idee der Gründung ist aus einer Diplomarbeit entsprungen und wurde dann für 9,99 Euro umgesetzt, wie Antonia Sutter scherzhaft erwähnte. Mittlerweile hat sisterMAG pro Ausgabe ca. 150.000 Leserinnen und Leser. Tolle Zahlen, mit denen sich auch Geld verdienen lässt. Das machen Sie aber nicht über klassiche Anzeigen, sondern über Features, Kooperationen, exklusive Vorstellungen von Produkten usw., sprich Content-Markting, welches aber im Magazin deutlich gemacht wird.
Die erste Ausgabe von @sister_mag hatte technische Kosten von 9,99€. Das gibt einen Eindruck was der digitale Wandel bedeutet. #tm14
— transformingMEDIA (@trnsfMEDIA) 5. November 2014
Wo wir gerade bei beeindruckenden Zahlen sind. Mehr als 1,2 Millionen mal wurde der Basketball-Podcast Got Nexxt von André Voigt in über zwei Jahren bereits runtergeladen. Und das alles hat er geschafft, obwohl er in einer absoluten Nische agiert… nein, weil er in einer absoluten Nische agiert. Er verdient Geld mit einem Abomodell von Patreon, welches ihm Einnahmen garantiert. Das ist auch der große Unterschied zwischen Patreon und anderen Crowdfunding-Plattformen. Das Abomodell ermöglicht ihm mit fixen monatlichen Einnahmen zu planen. Zudem definiert er Milestones im Sammelprozess, welche den Unterstützern verschiedene Zusatzoptionen für das Projekt öffnen. Mittlerweile hat er fünf Mitarbeiter, die mit ihm zusammen an seiner Website, Artikeln, Videos und dem Podcast arbeiten.
Wahrheit bei #tm14 von @drevoigt: “Die Leute wollen den Content nicht den Rachen runtergerammt bekommen. Ist es anders, bezahlen sie auch.” — Stefan Westphal (@westisays) 5. November 2014
Readly ist erst vor kurzem in Deutschland gestartet. Bei transformingMEDIA wurde das Flatrate-Modell erstmals einem Publikum vorgestellt. 9.99 Euro für eine Flatrate von Magazinen sind ein Kampfpreis. In Schweden und vielen weiteren Ländern klappt das Modell allerdings schon sehr gut. Zum Start in Deutschland waren über 70 Magazin-Titel im Portfolio, welches aber stetig erweitert werden soll. Momentan ist Readly in Verhandlungen mit großen deutschen Verlagen. Es bleibt abzuwarten, welche Titel auf der Plattform landen und wie attraktiv diese damit für Leser ist. Damit steht und fällt der Erfolg von Readly. Ohne namhafte Magazine zur Auswahl darf bezweifelt werden, ob das Modell in der Form Erfolg hat.
Dass neue Bezahlmodelle auf den Markt kommen, begrüßt Cosmin Ene. Er ist einer der Macher von LaterPay und freut sich über jedes Geschäftsmodell von journalistischen Inhalten im Netz. Allerdings glaubt er nicht an Abomodelle, sondern an Micropayment-Lösungen. Er zog einen ausgefallenen Vergleich zu Hilfe: die Entbündelung der Kartoffel. Die Kartoffel wandelt sich zu Pommes und wird damit attraktiver. Auch hat man Vertrauen in die Pommes, weil es dem Gewohnten, der Kartoffel entspringt. Vertrauen auf eine Marke und deren Inhalte sind laut Ene eine Grundvoraussetzung für die Bereitschaft des Zahlens. Zugegeben, man braucht Fantasie für diesen Vergleich und die Interpretation, was das für die Medienwelt bedeutet. „Wenn Gutjahr die SZ wäre, könne er bei der Bereitschaft seiner Blog-Leser zu zahlen, pro Artikel bis 32.000 Euro verdienen“, rechnete Ene anhand einer kleinen Milchmädchenrechnung hoch. Richard Gutjahr würde sich wohl freuen. (Blog-Interview mit Cosmin Ene zu LaterPay)
Vorbild der Transformation von einem ins andere Zeitalter ist: die Kartoffel! #tm14 pic.twitter.com/ovHWsvF9XX
— Lina Timm (@Luisante) 5. November 2014
Wer schon immer mal wissen wollte, was die Rhein-Zeitung seit der Einführung der Bezahlschranke erreicht hat, konnte auf Twitter beim Chefredakteur Markus Schwarze fündig werden. Schwarze kündigte an, dass die Rhein-Zeitung in Zukunft auf eine knallharte Paywall setzen wird. Das heißt, es wird schon bald keine frei nutzbaren Artikel mehr geben. Wer konsumieren will, muss zahlen.
Spickzettel fürs Gespräch mit @gutjahr @msgish @cosmoene @charlestonmat über #Bezahlschranke #Paywall auf der #tm14 pic.twitter.com/UjvYwN7mPY — Marcus Schwarze (@MarcusSchwarze) 5. November 2014
Über das Phänomen BuzzFeed und deren erfolgreichen Nachahmer sprach Martin Giesler. Wie es sich für das Thema gehört, hat er seine Präsentation in Form einer Liste vorbereitet: „23 Gedanken über BuzzFeed, Journalismus, Social Media, Technologie und den Medienwandel„. Ein Thema hob Giesler besonders hervor, weil er glaubt, dass es 2015 für BuzzFeed eine sehr große Rolle spielen wird: Video. Perfekt für Social Media angepasste Videos würden der Klickmaschine eine rosige Sharing-Zukunft schenken, da die Inhalte perfekt für die Zielgruppe optimiert werden, meint Giesler.
23 Gedanken über BuzzFeed, Journalismus und Technologie – mein heutiger Vortrag bei #tm14: http://t.co/eeFlTyDTnp http://t.co/0UaTrmQ8wg
— martingiesler (@martingiesler) 5. November 2014
Eine Zusammenfassung des Tages gab es am Schluss von Karsten Lohmeyer von Lousy Pennies:
Mein Fazit: Ein spannender Tag mit interessanten Vorträgen, die Mut machen auszuprobieren, zu testen und neue Ideen für das eigene Medienhaus anzupassen und zu transformieren.
@trnsfMEDIA Danke für den inspirativen Tag. Und auch danke an alle Referenten für so unglaublich viel Input #tm14
— MonsieurS82 (@Bruce_Will_Es) 5. November 2014
Weitere Info, Bilder, Videos und Co. auf:
www.transformingmedia.de
Lesetipp:
Lousy Pennies – 10 Dinge, die du erfährst, wenn du auf Medien-Konferenzen gehst