27.04
Ein Rückblick und ein Ausblick: Dr. Erich Jooß verabschiedet sich nach 24 Jahren Medienrat
Am 27. April geht die 7. Amtsperiode des Medienrats der BLM zu Ende. Dr. Erich Jooß war fast 24 Jahre Mitglied des Medienrats und fast 15 Jahre Vorsitzender des Gremiums. Heute blickt er zurück auf viele leidenschaftliche Sachdebatten und tragfähige Kompromisse. Aber er blickt auch nach vorne auf seinen „Unruhestand“, wie er ihn nennt, mit vielen Buchplänen und Freunden. Ein Kommentar zum Abschied von Dr. Erich Jooß:
Leidenschaftliche Debatten und gesellschaftliche Verantwortung
Mit einer Sitzung, die dem Rückblick und dem Ausblick gewidmet ist, geht heute die siebte Amtsperiode des Medienrats der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien zu Ende. Dann bin ich fast 15 Jahre Vorsitzender des Gremiums gewesen. Das ist im Blick auf die rasanten Medienentwicklungen und die digitale Disruption, die wir derzeit erleben, eine sehr lange Zeit, in der wichtige Weichenstellungen für die Medien (nicht nur) in Bayern erfolgten.
„Es gelang uns, die lokale und regionale Hörfunk- und TV-Struktur hierzulande zukunftsfähig zu machen“
Während dieser Zeit gelang es uns, die lokale und regionale Hörfunk- und Fernsehstruktur hierzulande zu stabilisieren und – nicht zuletzt mit staatlicher Unterstützung – zukunftsfähig zu machen. Dass die privaten Anbieter in einer harten Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehen, der selbst die Formatrezepte der Privaten bis zur Verwechselbarkeit kopiert, soll hier nicht verschwiegen werden. Trotzdem haben sie sich mehr als nur behauptet. Der Konkurrenzvorteil für die lokalen Privatradios und die regionalen Fernsehsender in Bayern bleibt, wenn sie ihre Nähe zu den Zuschauern und den Zuhörern weiterhin journalistisch kompetent ausspielen.
Mit Interesse und mit wachsender Freude verfolge ich derzeit gerade im Hörfunk eine Entwicklung, die wieder stärker zum Wort zu gehen scheint, und stelle, bedingt wohl auch durch die Streamingkonkurrenz, ein intensiveres Nachdenken über alternative Musikkonzepte fest. Die Entwicklungsmöglichkeiten des Mediums Hörfunk sind jedenfalls noch lange nicht ausgereizt. Gleiches gilt für das Fernsehen, bei dem man auf den Tatort-Überdruss vermutlich nicht mehr lange warten muss.
„Wir übten deutlich Kritik, aber der Dialog war uns immer wichtiger als die Konfrontation“
Wir haben in der BLM und im Medienrat einiges bewegt während dieser Jahre. Bei vielen Anhörungen der Programmverantwortlichen übten wir auch deutlich Kritik, wenn diese uns notwendig erschien. Dabei war uns der Dialog wichtiger als die Konfrontation. Die gesellschaftliche Verantwortung, die wir als Aufsichtsorgan wahrnehmen müssen, braucht zu ihrer Durchsetzung überzeugende Argumente und ist auf Weitblick angewiesen. Immer hat uns dabei interessiert, was die Medien mit der Gesellschaft machen und welche Hilfestellungen die Mediennutzer benötigen, damit sie unabhängig und souverän mit den Medien umgehen können.
Dieses Ziel verfolgten wir auch mit der Gründung der Stiftung Medienpädagogik. Sie ist in Bayern durch den Medienführerschein und den Aufbau eines Referentennetzwerkes längst zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Wir wissen freilich, dass die Medienpädagogik allein nicht genügt. Sie braucht flankierend einen wirksamen Jugendmedienschutz und sie kann die Werte, auf die sie sich beruft, nicht aus sich heraus erschaffen. Umso wichtiger dürfte in Zukunft die Medienethik werden.
„Leidenschaftliche Sachdebatten führten zu tragfähigen Kompromissen. Es gab keine Denkverbote“
Im Medienrat haben wir – zuletzt beim afk-Thema – leidenschaftliche Sachdebatten geführt und dennoch in jedem Streitfall tragfähige Kompromisse gefunden. Es gab keine Denkverbote. Wir stritten über Standortfragen, ohne dass wir uns den wirtschaftlichen Erwägungen ausgeliefert hätten. Der Vorteil eines solchen Gremiums ist es, dass jeder seine eigene Biografie und die eigene Medienaffinität einbringen kann.
Unterschiedliche Präferenzen sind dabei nicht ausschlaggebend, aber befruchtend, weil sie neue Blicke ermöglichen: auf die Praxis der Programmförderung zum Beispiel oder auf die Ausbildung des journalistischen Nachwuchses, die uns immer ein zentrales Anliegen gewesen ist. Dafür haben wir in München und Nürnberg Möglichkeiten weit über Laborbedingungen hinaus geschaffen. Wir wollten keinen Nachwuchssender, der ein nützliches Vehikel der örtlichen Musiklandschaft ist, sondern die Chance für junge Leute, sich selbst ohne Quotendruck im Medium auszuprobieren. Hier und bei vielen anderen Sachfragen hat der Medienrat eindeutig Stellung bezogen.
„Ich wünsche dem Gremium auch zukünftig Entscheidungen, die sich überzeugend in die Gesellschaft hinein vermitteln lassen“
Dafür danke ich den Mitgliedern des Gremiums und wünsche ihnen auch in Zukunft Entscheidungen, die sich überzeugend in die Gesellschaft hinein vermitteln lassen.
Ganz besonders danke ich der BLM, ihren fähigen, engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und dem weitsichtigen Präsidenten der Anstalt.
Gemeinsam mit dem Verwaltungsrat führen wir die Aufsicht über die Landeszentrale. Dabei sind wir auf eine reibungsfreie Zusammenarbeit angewiesen, die immer gewährleistet war.
Jetzt werde ich in den Unruhestand gehen mit vielen Buchplänen und einem großen Freundeskreis, der mir in der Gremienarbeit zugewachsen ist.
Ich kehre zurück zu dem alten Medium, das sich so erfreulich behaupten kann in der Vielfalt der sogenannten neuen Medien.
Kommentar abgeben