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17.06

Digitalradio: Notwendige Maßnahmen zur Weiterentwicklung

von Siegfried Schneider unter Radio

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird seit Frühjahr eine Debatte über Digitalradio geführt, die BLM-Präsident und DLM-Vorsitzender Siegfried Schneider am 15. Juni mit folgendem Beitrag fortgesetzt hat. Darin schildert er die notwendigen Maßnahmen zur Weiterentwicklung von DAB+. 

DAB+ oder Internet? Beide Wege ergänzen sich

Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Zukunft des Radios digital sein wird. Ebenso offensichtlich ist, dass es im Hinblick auf die digitale Verbreitung von Radioprogrammen nicht den alleinigen Königsweg gibt. Mit DAB+ und dem Internet stehen zwei Verbreitungswege zur Verfügung, die beide Vor- und Nachteile für Verbraucher und Anbieter haben und sich gerade deshalb ideal ergänzen.

DAB+ ist nach einer not­wendigen Simulcastphase deutlich kostengünstiger für die Anbieter als UKW und Internetradio. Für die Hörer bietet es im Vergleich zu UKW eine größere Programmvielfalt, die andererseits aber nicht annähernd an die Vielfalt des Internets heranreicht. Auch die Rückkanalfähigkeit des Internets ist bei DAB+ nicht gegeben. Dafür ist DAB+ im Gegensatz zum Internetradio für die Nutzer kostenfrei sowie problemlos mobil und ohne vertragliche Bindung empfangbar.

Digitalradio DAB+

Digitalradio via DAB+ zu verbreiten, ist für Hörer und Anbieter wirtschaftlicher. Foto: digitalradio.de

DAB+ ist also für Anbieter und Hörer deutlich wirtschaftlicher. Das liegt auch an der längeren Wertschöpfungskette im Internet, bei der vor allem die Internetserviceprovider im stationären und WLAN-Bereich und zusätzlich Mobilfunkbetreiber im mobilen Bereich profitieren. Darüber hinaus erscheint es politisch und gesellschaftlich geboten, etwa in Krisensituationen über einen flächendeckenden terrestrischen Kommunikationsweg zu verfügen.

Eine Fortführung des heutigen Geschäftsmodells für Hörfunkprogrammveranstalter wird über das Internet nur sehr schwer möglich sein, wohingegen dies mit einer DAB+-Verbreitung im digitalen Zeitalter realisiert werden kann.

Unterstützende Maßnahmen der Politik notwendig

DAB+ wird also nicht das einzige System sein, über das Digitalradio verbreitet wird. Aber es gibt eine Reihe guter Gründe, warum DAB+ eine sehr wichtige Rolle bei der digitalen Verbreitung von Radioprogrammen spielen kann und sollte. DAB+ wird in Deutschland aber nur dann erfolgreich sein, wenn sich beide Säulen des dualen Systems engagieren und die Politik unterstützende Maßnahmen in die Wege leitet.

Tatsache ist, dass es eine völlig unterschiedliche Ausgangslage für die beiden Seiten des dualen Systems gibt. Während die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) den Landesrundfunkanstalten 89,4 Mio. Euro und Deutschlandradio 63,6 Mio. Euro für die weitere Entwicklung von DAB+ in der Beitrags­periode zwischen 2017 und 2020 zur Verfügung stellt, müssen die privaten Anbieter die Kosten für eine unbestimmt lange Simulcastphase aus ihren Werbeeinnahmen finanzieren.

Das ist für landesweite Anbieter eher machbar als für lokale und regionale Hörfunkanbieter. Belegt wird das durch die Ergebnisse der Studie zur wirtschaftlichen Lage des Rundfunks in Deutschland, die für landesweite Anbieter einen deutlichen höheren Kostendeckungsgrad ausweist als für lokale und regionale Angebote. Auch wenn die Verbreitungskosten in den Hörfunkunternehmen eine eher kleine Größe darstellen, so stellen diese Zusatzkosten im lokalen/regionalen Bereich eine sehr hohe und im Grunde kaum leistbare Finanzierungshürde dar.

Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Markteinführung mit KEF-Mitteln entsprechend unterstützt wird, muss man in dieser Phase zumindest auch die lokalen Anbieter in einer angemessenen Weise fördern.

Digitalradio: Faire Ausgangsbedingungen schaffen

Um hier faire Ausgangsbedingungen zu schaffen, müssen sowohl die Politik als auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Beitrag leisten, um eine erfolgreiche Marktdurch­dringung von DAB zu erreichen. Notwendig sind insbesondere folgende Maßnahmen:

  • Eine schrittweise Reduzierung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk auf 60 Minuten nach dem Beispiel des NDR- und des WDR-Gesetzes, um die Einnahme­situation der privaten Hörfunkanbieter zu verbessern.
  • Es muss die Möglichkeit der Bereitstellung von kostengünstigen Sendeplätzen für lokale und landesweite private Angebote auf den DAB-Multiplexen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geben. Die privaten Anbieter könnten dadurch ihre Programme zu kalkulierbaren Fixpreisen verbreiten. Auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk würde das zu einer Senkung der eigenen Kosten führen. Die Netze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind von allen Rundfunkteilnehmern durch ihre Beiträge finanziert. Sie sollten daher auch privaten Marktteilnehmern zur Verfügung stehen, zumindest für eine Übergangsphase.
  • Verzicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Frequenzwechsel von bisher rein digitalen Programmen auf das analoge UKW, wie das der Bayerische Rundfunk mit seinem Jugendprogramm „Puls“ für 2018 plant. Ein solches Vorgehen schmälert die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Privatprogrammen in einem erheblichen Ausmaß und verhindert wiederum notwendige Investitionen in die digitale Zukunft.

Staatliche Förderung während Simulcastphase

Die genannten Maßnahmen sind notwendig, aber nicht ausreichend, um eine annähernde Chancengleichheit bei der Einführung von DAB+ zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem privaten Rundfunk sicherzustellen. Unabdingbar ist darüber hinaus eine zeitlich begrenzte staatliche Förderung während der Simulcastphase. Aus der Versteigerung der Rundfunkfrequenzen im vergangenen Jahr (Digitale Dividende II) haben Bund und Länder insgesamt 1,33 Milliarden Euro Gesamterlöse erzielt, die zu gleichen Teilen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt wurden. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass die Mittel für den Breitbandausbau und die Digitalisierung eingesetzt werden sollen.

Es wäre meines Erachtens also naheliegend, aus diesen Erlösen für die privaten Anbieter eine bestimmte Fördersumme zur Verfügung zu stellen. Diese Mittel sollten zeitlich begrenzt solange zur Verfügung stehen, bis eine Hörfunknutzung auf DAB erreicht ist, die eine realistische Möglichkeit bietet, die privaten Programme erfolgreich vermarkten zu können. Für die privaten Anbieter ist die Verbreitung über das Internet unabdingbar. Damit sind aber bei den kleineren und mittelständischen Rundfunkanbietern die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten erreicht. Auch das unterstreicht die Notwendigkeit einer Förderung der DAB+-Verbreitung.

Multinorm-Empfangschips in neuen Radios und Smartphones

Ergänzt werden müssen diese Maßnahmen um drei weitere Aspekte:

  • Auf europäischer Ebene muss im Rahmen der Diskussion zur Universaldienste-Richtlinie eine verpflichtende Ausstattung von Audio-Empfangsgeräten mit Multinorm-Empfangschips erreicht werden. Neue Radios müssen UKW-, DAB+- und Internet­empfang anbieten.
  • Die Automobilbranche sollte verpflichtet werden, dass jedes neue Autoradio sowohl UKW als auch DAB+ empfangen kann.
  • Die Politik sollte verbindlich festlegen, dass Multinormchips auch in Smartphones eingebaut werden müssen. Auf allen Geräten, mit denen man Radiohören kann, muss das technologieneutral möglich sein.

Landesmedienanstalten für zweiten bundesweiten DAB+-Multiplex

Für die Landesmedienanstalten spielt die terrestrische Verbreitung  bei der Digitalisierung des Hörfunks weiterhin eine wichtige Rolle. Deshalb unterstützen die Landesmedienanstalten die Markteinführung von DAB mit zahlreichen Maßnahmen.

  • Die Landesmedienanstalten sprechen sich für die Einrichtung eines zweiten bundes­weiten DAB+-Multiplex aus und werden die Kapazitäten nach einem Frequenzzuordnungsverfahren bundesweit ausschreiben.
  • Für ihren jährlichen Digitalisierungsbericht beauftragen die Landesmedienanstalten eine Studie über Stand und Entwicklung der Digitalisierung des Hörfunks in Deutsch­land und legen damit jährlich aktuelle Zahlen vor.
  • Die von den LMAs 2015 beauftragte Reichweitenstudie hat den Anbietern von privaten Digitalradioprogrammen erstmals repräsentative Reichweitendaten zur Werbe­vermarktung geliefert.
  • In 2016 werden sich die Landesmedienanstalten an einer Studie beteiligen, deren Zielsetzung es ist, die Grundlage für einen Ausweis regelmäßiger Reichweitendaten von DAB+ Angeboten über die AGMA zu schaffen.

Die Forderung nach einem konkreten Abschalttermin für UKW ist in der aktuellen Situation nicht förderlich. Die Hörfunkverbreitung über UKW muss für die privaten Anbieter solange gegeben sein, solange sie UKW für eine erfolgreiche Vermarktung benötigen. Eine Abschaltung der UKW-Verbreitung für die privaten Hörfunkprogramme muss folglich von den Unternehmen selbst bestimmt werden können. Dabei muss aber auch klar sein, dass UKW-Frequenzen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk abschaltet, keiner weiteren Verwendung im Hörfunk zugeführt werden dürfen.

DAB+ kann für private Anbieter attraktiv sein

Ich bin überzeugt, dass sich die privaten Anbieter in DAB+ engagieren müssen und werden, sollte die Nutzung von DAB+ in den kommenden Jahren die 20-Prozent-Grenze überschreiten. Diese Marke erscheint vor dem Hintergrund der Entwicklung in den zurückliegenden Jahren durchaus realistisch. Dabei bietet DAB+ die Chance, die technischen Nachteile und Versorgungsprobleme vor allem von lokalen und regionalen UKW-Radios zu beheben und damit Chancengleichheit in der Versorgung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk sowie innerhalb des privaten Rundfunks herzustellen.

Förder­maßnahmen von Landesmedienanstalten für die DAB+-Verbreitung von lokalen und regionalen Hörfunkprogrammen zeigen, dass die bereitgestellten Übertragungskapazitäten weitgehend vollständig nachgefragt werden. Dass DAB+ für private Anbieter attraktiv sein kann, belegen die Beispiele München und Nürnberg, wo neben bundes-, und landesweiten Angeboten auch lokale Programme ausgestrahlt werden. Insgesamt stehen den Hörern dabei 48 bzw. 47 Programme zur Verfügung, davon 30 bzw. 26 Programme von privaten Anbietern. Die Anzahl der lokalen Bewerber war dabei in beiden Städten höher als die zur Verfügung stehenden Kapazitäten.

Weitere Informationen:

Im Rahmen der Digitalradio-Debatte in der FAZ sind u.a. noch Beiträge von Jürgen Brautmeier (LfM-Direktor) und Marc Jan Eumann (Medienstaatssekretär von NRW); Willi Steul, Karola Wille und Ulrich Wilhelm (Deutschlandradio, NDR und BR) sowie von Kai Fischer (Antenne Niedersachsen) erschienen. Die Landesmedienanstalten laden am 5. September wieder zum Digitalradiotag in Berlin ein.

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