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15.06

Digital Journalism Hackathon: Tagesschau in 3D

von Christoph Gschossmann unter Netzwelt

Das Nachrichtenstudio der Zukunft? Ein 360-Grad-Projekt wird Sieger beim zweiten Digital Journalism Hackathon des Media Lab Bayern vom 10. bis 12. Juni in München.

Digital Journalism Hackathon: 360 Grad-Kamera

Sieht irgendwie komisch aus: die 360 Grad-Kamera. Fotos: Matthias Rueby

Ein wenig außerirdisch kommt sie daher, diese 360-Grad-Kamera. Man denkt an die Tentakel der Monster aus dem Film Alien oder die Wächter-Roboter aus Matrix. Eher verhalten begegnen die Teilnehmer des Digital Journalism Hackathon 2016 beim Start am vergangenen Freitagabend der neuen Technik. Nur eine schüchterne Nachfrage gibt es, als Experte Thomas Zankl von CrushedEyes die verschiedenen Funktionsweisen der GoPro-Kameras erklärt.

360-Grad-Projekt traut sich kaum ein Team zu

Als kurz darauf Ideen für Teams gesucht werden, die an diesem Wochenende den digitalen Journalismus aufrütteln sollen, melden sich zwar viele der Journalisten, Programmierer und Designer im Münchner Eventspace WERK1. Doch an 360 Grad traut sich zunächst niemand heran. Obwohl die Rundum-Videos zu den Hauptthemen des Hackathons gehören, ist es keine Liebe auf den erstenBlick, mit der die 50 Hacker dieser neuen Art des Storytellings begegnen. Zumindest bei fünf von ihnen aber wird sich das bis zur Preisverleihung drastisch geändert haben.

Djhack: Elf Teams präsentieren funktionsfähige Prototypen

Beim Finale des Hackathons am Sonntag präsentieren elf Teams ihre Ideen und ihre funktionsfähigen Prototypen. Drei Teams greifen 360-Grad-Journalismus auf, darunter auch das spätere, fünfköpfige Siegerteam „Immerse News 360“. Deren Idee klingt einfach, ist aber so noch nie da gewesen.

„Bei 360 Grad Videos denkt man doch immer: Kennste eins, kennste alle“, erklärt Marcus Müller zu Beginn der Präsentation des Projekts Immerse News 360. „Coole Locations, langweiliger Content. Unser Ansatz war, das Ganze umzudrehen.“ Was ist also der langweiligste Ort, den es gibt? Ein leerer Raum. Und den packten Müller und seine Mitstreiter voller Content. Schwer zu erklären, einfach zu erleben – am besten natürlich mit Virtual-Reality-Brille:

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Für die begrenzte Zeit von weniger als 48 Stunden wirkt das Endresultat schon sehr professionell. Ein Nachrichtensprecher, ein Video, eine Infografik, ein Artikel, eine Simultandolmetscherin, eine Weltkarte, ein Tickerband. Alles gleichzeitig, und doch nicht verwirrend. Einen Tipp, den Experte Zankl den Hackern mit auf den Weg gegeben hatte, haben die fünf außerordentlich gut beherzigt: Der Zuschauer muss gezwungen werden zu interagieren. Es darf nicht nur eine Handlung stattfinden, sondern rundherum muss etwas passieren. Der Videokonsument entscheidet selbst, welcher Story er folgt, ohne dafür neue Fenster oder Tabs öffnen zu müssen.

Siegerteam baut den „Newscast of tomorrow“

Den „Newscast of tomorrow“ nennt es Müller. Er erklärt den Hackathon-Juroren, dass bei weitem noch nicht alle Ideen der Teammitglieder ausgeführt worden sind. Eine Live-Version sei möglich, bei denen man bestimmte Sequenzen in Dauerschleife abspielt, bis aktuellere Inhalte erscheinen. Auch interaktive Schaltflächen seien angedacht. Bei all dem erhielten die Hacker Unterstützung von Zankl, ohne den das Video so nicht möglich gewesen sei, wie Müller klarstellt.

Das Team von Immerse News 360 wurde von Experte Thomas Zankl, Crushed Eyes, unterstützt.

Die Jury – der Journalist Richard Gutjahr, die Interactive Designerin Elyse Bellamy von Google, der Tech Evangelist Johann Romefort von Stylight und Oliver Keller, Audience Evangelism Manager Mobile & Game Developer von Microsoft – loben bei der Preisverleihung das große Potenzial der Idee.

Dabei war der Weg bis zum fertigen Produkt nicht gerade stressfrei, was alleine schon der Zeitdruck des Hackathons mit sich bringt. Für 360-Grad-Produktionen blieb sogar noch weniger Zeit als für andere Projekte, denn das Equipment war nur einen Tag lang verfügbar. „Es war im Nachhinein gut, dass wir diesen Druck hatten“, sagt die Journalistin Antonia Schlosser, die im fertigen Video die Gebärdendolmetscherin spielt. „So konnten wir uns am Sonntag auf unsere Präsentation konzentrieren.“

Immerse News 360 wird auf den Lokalrundfunktagen vorgestellt

Das klappte bei Müller, Schlosser und ihren Journalisten-Kollegen Lisa Susu Hahn, Andreas Rossbach sowie dem Programmierer Jeff Franzke ausgezeichnet. Der Lohn: Auf den Lokalrundfunktagen 2016 dürfen sich die Fünf nun als Speaker profilieren. Die Idee soll weiter geführt werden. Immerhin: Die letzten Hackathon-Sieger vom Dezember 2015, „Journu“, sitzen als Fellows mittlerweile dauerhaft im Lab und genießen das Sponsoring und Mentoring des Ideen-Inkubators für digitalen Journalismus.

Auf Rang 2 des bisher größten Hackathons des Media Labs kamen „Breaking Bot“, der mit personalisierter News-Delivery im Facebook-Messenger überzeugen will, sowie „Screen.ly“, ein Projekt, das Artikel von U-Bahn-Infoscreens auf die Smartphones bringt. Wie alle Prototypen sind diese seit der Jury-Deadline online einsehbar.

Auch wenn die Jury diese Projekte ebenso lobte, war der große Sieger am Ende 360 Grad. Die ursprünglich verhaltene Resonanz auf das Thema war da schon längst vergessen. Genauso wie die Tatsache, dass der Experte Zankl auf Nachfrage vor dem Hackathon kein gutes Beispiel für 360-Grad-Storytelling parat hatte. Es gebe keine guten, meinte er nur.

Beim nächsten Mal hat er vermutlich eine andere Antwort darauf.

 

all aboard the 360 hypetrain #djhack @tonischl @Lisa_susu @edelgruen – Spherical Image – RICOH THETA

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