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09.06

Nachrichten auf YouTube und die Meinungsfalle

von Lisa Ludwig unter Netzwelt TV

„Lieber Text als Video – YouTube-Nachrichten haben einen schweren Stand“, so lautet der Titel einer Diskussionsrunde beim 5. Deutschen Social TV Summit am 23. Juni in München, an der auch unsere Gastautorin Lisa Ludwig teilnimmt. Die Chefredakteurin vom VICE-Channel Broadly Deutschland hat sich Gedanken gemacht, wie die junge Zielgruppe mit Nachrichten auf YouTube erreicht werden kann.

Nachrichten auf YouTube: meinungsgeladen und unterhaltend

„Nachrichten im Internet müssen zwingend so sein, dass sie mit dem Zuschauer interagieren“,  hat Christoph Krachten mal in einem Videobeitrag der Deutschen Welle gesagt. Damals noch beim Multichannel-Netzwerk Mediakraft, verantwortete er unter anderem „What’s Up“, ein Format, das tagesaktuelle Nachrichten alternativ für die junge Zielgruppe aufbereiten sollte. Für junge Menschen, die sich — wie gerne mal zynisch eingeworfen wird — nur noch für Beauty-Tutorials, ihren Social-Media-Feed und Videospiele interessieren und für herkömmliche Medien nicht mehr erreichbar sind.

Lisa Ludwig

Lisa Ludwig diskutiert beim Dt. Social TV Summit über Nachrichten auf YouTube. Foto: VICE Media

„What’s Up“ ist Geschichte. Einer der ehemaligen Hauptträger des Sendeformats, LeFloid, betreibt mit „LeNews“ allerdings eine der wenigen News-Rubriken im deutschen YouTube-Kosmos, die tatsächlich die Massen erreichen. Gewohnt hektisch, dafür aber doch vergleichsweise ausführlich, hangelt sich der 28-jährige Florian Mundt dabei durch eine überschaubare Anzahl von Themen, die nicht nur subjektiv ausgewählt, sondern auch subjektiv kommuniziert werden.

Mehr Kommentar als Berichterstattung also, wenngleich man dem YouTube-Star aus journalistischer Sicht zugute halten kann, dass er seine Quellen in der Infobox angibt. Wer sich weiterführend informieren möchte, kann das also rein theoretisch tun. Eines schafft LeFloid aber in jedem Fall: Er regt junge Menschen dazu an, sich im Kommentarbereich mit den angesprochenen Themen auseinanderzusetzen. Auch argumentativ.

Den Unterschied zwischen sich und einem Nachrichtensprecher beschrieb Mundt mal so, dass er „die Möglichkeit habe, noch meinungsgeladen zu agieren. Sehr subjektiv, sehr schnell, der Unterhaltungswert ist dem Informationsgehalt nicht unterlegen.“

Aufmerksam nur bis zum nächsten Hashtag?

Unterhaltung: Das ist wichtig auf YouTube. Und weil Emotion und Persönlichkeit in der Regel unterhaltsamer sind als Nüchternheit und Objektivität, tauchen in Verbindung mit YouTube-Nachrichtenformaten insbesondere zwei Worte in schönster Regelmäßigkeit auf: „Haltung“ und „Meinung“.

In der ehemaligen News-Rubrik der Rocket Beans wurde der Spagat zwischen subjektiver Relevanzwahrnehmung aktueller Themen und möglichst breit gefächerter Berichterstattung dadurch gelöst, dass man viele verschiedene Leute zu Wort kommen ließ. Mit einem Mikrofon lief der Moderator durchs Büro und ließ sich von ausgewählten Redakteuren erklären, was sie gerade so beschäftigt und wie sie dazu stehen.

Auch beim jüngst wiederbelebten YouTube-Angebot des Westdeutschen Rundfunks, WDR #3sechzich, heißt es auf dem Kanal: „Wir veröffentlichen Videos zu aktuellen Themen, zu denen wir eine Haltung haben.“ Gleichzeitig zeigte das Format „Newsshaker“ aber auch ziemlich deutlich, was passiert, wenn Nachrichten von Menschen gemacht werden, die augenscheinlich die Position vertreten, dass die Aufmerksamkeitsspanne junger Menschen nur noch so lange reicht, bis ein Trending Hashtag vom nächstem abgelöst wird.

Unter ziemlich ergebnisoffenen Videotiteln („Party hard!“, „Ihr Hurensöhne!“) gab es ein aus dem Off eingesprochenes Potpourri an Informationen—vom NSU-Prozess zu Rap-Veranstaltungen. In den unter zwei Minuten Laufzeit durfte man Menschen beim Adventskalenderauspacken zugucken, während kleinformatige Fotos eingeblendet wurden.

Wie lässt sich die junge Zielgruppe erreichen?

Nun ist es nicht unbedingt einfach, junge Menschen anzusprechen, ohne zu anbiedernd und angestrengt cool zu wirken. Zugleich kann man zweifelsohne kritisieren, dass Information, die sich insbesondere an junge, leicht beeinflussbare Menschen richtet, eben nicht meinungsgefärbt sein sollte. Dass es doch möglich sein muss, eine Art „Tagesschau“ für das jüngere Publikum zu schaffen.

Was dabei aber verstanden werden muss: Um Jugendliche zu erreichen, die sich eben nicht für herkömmliche Berichterstattung interessieren, muss man ihnen entgegenkommen. Man muss ihnen erklären, warum diese aktuelle politische Bewegung, diese mögliche Gesetzesänderung, diese gesellschaftliche Entwicklung für sie relevant ist — auch wenn sie die Auswirkungen vielleicht noch nicht am eigenen Leib zu spüren bekommen haben.

Einblicke in eigene Gedankenwelt gewähren

Social TV SummitDas lässt sich aber nicht durch Einbindung möglichst vieler Memes und Gifs, reißerische Headlines und vermeintliche Jugendthemen erreichen. Das schafft man, indem man der Zielgruppe auf Augenhöhe begegnet und sie ernst nimmt. Und in dem man ihnen zeigt, warum man selbst interessiert an dem ist, was man ihnen da gerade erzählt.

YouTube bietet die Möglichkeit der Interaktion und der Identifizierung mit einer Person, die eben nicht nur Informationen weitergibt und eine Rolle spielt, sondern Einblicke in die eigene Lebensrealität und Gedankenwelt gewährt. Wer diesen Aspekt vernachlässigt oder aus vermeintlichen Seriositätsgründen vollkommen außen vor lässt, muss sich über die fehlenden Aufrufe nicht wundern.

Veranstaltungshinweis:

Die Anmeldung zum  5. Deutschen Social TV Summit  am 23. Juni im Münchner Literaturhaus ist noch möglich. Das Motto des Summit: „Sichtbar, präsent, abhängig? Der Kampf um den Nutzer im Social Web“. Mit dabei mit Keynotes oder als Diskussionsteilnehmer sind außer Lisa Ludwig u.a. Claus Strunz, Bertram Gugel, Thore Schölermann und Christian Nienaber, den das Mediennetzwerk Bayern zum Social TV Summit interviewt hat. Die Moderation übernehmen Michael Praetorius und Geraldine de Bastion.

Ein Kommentar

Ein Kommentar zu: Nachrichten auf YouTube und die Meinungsfalle

  1. Nina sagt:

    Und die Moral von der Geschicht? Keine? Was ist hier die Aussage?

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