Do
16.04

Always on oder einfach mal abschalten? Zur Mediennutzung Jugendlicher

von Olaf Selg unter Medienkompetenz

Always on und das möglichst noch mobil: Die Smartphone-und Internet-Nutzung liegt bei den 12-bis 19-Jährigen laut der JIM-Studie 2014 mit deutlichem Abstand vor dem Fernsehen. Doch gibt es nicht schon wieder einen leichten Gegentrend im Mediennutzungsverhalten Jugendlicher? Dr. Olaf Selg hat für BLMplus genauer hingeschaut und festgestellt, dass es in Zukunft auch mal heißen könnte: „einfach mal abschalten“.

Jugendliche vor Laptop

Egal ob stationär oder mobil: Jugendliche sind heute fast „always on“. Foto: John/BLM

Die vermeintliche Überlegenheit der „Digital Natives“ in der Handhabung der so genannten neuen Medien und ihr Drang, den ganzen Tag über schier unendlich viele Medieninhalte aufzunehmen, sorgt in der älteren Generation teilweise immer noch für Erstaunen. Je nach Alter und Lebensphase der 12- bis 19-Jährigen werden die Medienangebote sehr unterschiedlich genutzt, wie die JIM-Studie 2014 (Jugend, Information, (Multi)media) zeigt.

Stärker als ältere Jugendliche folgen die Jüngeren neuen Trends und unterliegen außerdem einer gehörigen Portion Gruppendruck durch Mitschüler/innen bzw. Freundeskreis, um weiterhin „dazuzugehören“. In ihrer Lebenswelt werden „reale“ und „virtuelle“ Welt nicht mehr getrennt: Wer über Facebook (Nutzungstendenz nimmt 2014 erstmals stark ab) und WhatsApp (Nutzung steigt rasant) nicht schnell zu erreichen ist, verpasst seine Dates.

Digital Natives nutzen Medien mobil

Kommunikation Jugendlicher im InternetHervorzuheben ist die mobile Mediennutzung Jugendlicher. Konnte der Umgang mit stationären Geräten durch Eltern und Pädagogen noch stärker begleitet bzw. kontrolliert werden, verschwindet die Medienaktivität Jugendlicher nun aus dem Blickfeld der Erwachsenen.

Ca. 88 Prozent der Jugendlichen waren laut der aktuellen JIM-Studie (erschienen im November 2014) im Besitz von Smartphones mit Internetzugang. Hinzu kommen Laptops, Tablet-PCs und Wireless LAN. Mobil einsetzbare Geräte ermöglichen die Nutzung aller medialen Optionen für Kommunikation, Unterhaltung und Information.

Zu den am stärksten favorisierten Optionen gehören Online-Communities, Telefonieren/Skypen, Chat- und Messenger-Dienste, Musik- und Videorezeption (30 % finden die Videoplattform YouTube „besonders gut“, sogar mehr als Facebook mit 23 %), digitale Spiele sowie die Nutzung von Suchmaschinen (85 %) und Wikipedia (40 %).

Kommunikation mit Nebenwirkungen

Kommunikation, die wichtigste Online-Aktivität für Jugendliche, ist mehr als der Austausch von Sprachnachrichten oder Nettigkeiten. Problematische Entwicklungen wie Cybermobbing, das Versenden von Porno- und Gewaltvideos sowie Sexting (das Versenden erotischer/sexueller Bilder/Videos von der eigenen Person) nehmen zu.

Nach den Ergebnissen JIM-Studie berichten immer mehr Jugendliche davon, dass im eigenen Bekanntenkreis Sexting-Inhalte verbreitet werden (27 % aller Befragten) oder schon mal jemand „im Internet oder übers Handy fertig gemacht wurde“ (2014: 38 %, zum Vergleich 2010: 23 %). Mädchen sind insgesamt stärker betroffen als Jungen.

Während die Themenkomplexe „Verletzung der Privatsphäre“ bzw. „Missachtung von Persönlichkeitsrechten“ einerseits also an Brisanz gewinnen, gibt es andererseits in punkto „Datensicherheit“ auch Erfreuliches zu vermelden: Das Misstrauen der Jugendlichen gegenüber Online-Communities hat zugenommen. Nur noch 46 % denken 2014, dass ihre Daten in den Communities „sehr sicher/sicher“ aufgehoben sind (2013 noch 56 %).

Internet- und Smartphone-Nutzung deutlich vor dem Fernsehen

Medien in der FreizeitSmartphone/Handy- und Internetnutzung liegen in der Medienbeschäftigung mit 94 % bzw. 93 % auf Platz eins und zwei („täglich/mehrmals pro Woche“; 2014: 192 Min. online / 2013: 179 Min.). Erstmals mit einem ganz deutlichen Abstand, folgt auf Platz drei dann das Fernsehen (83 %, alle Verbreitungswege; 2014: 102 Min. / 2012: noch 111 Min.,).

Das langjährige „Sorgenkind“ von Eltern und Pädagogen verliert bei Jugendlichen offenbar zunehmend an Bedeutung. Wie immer ist aber Vorsicht geboten bei Durchschnittszahlen: Formal geringer gebildete Jugendliche sehen wesentlich mehr fern als formal höher Gebildete.

Die Favoriten im Fernsehen

Als beliebteste TV-Sendungen liegen Sitcoms und Comedy weiterhin stabil an der Spitze (z. B. „How I met your mother“), gefolgt von Scripted Reality (insbes. „Berlin – Tag & Nacht“). Außerdem schauen Jungen gerne Comics bzw. Zeichentrick (z. B. „Die Simpsons“) sowie Wissensmagazine und Sportsendungen. Mädchen mögen Krimis/Mystery-Formate (diverse CSI-Sendungen). Die Attraktivität von Castingshows als „Lieblingssendung“ hat hingegen nachgelassen.

Tendenz zum Second-Screen

Die Internetaffinität der Jugendlichen lässt zweierlei vermuten: erstens eine häufige, sendezeitunabhängige Online-Rezeption von Fernsehsendungen und zweitens die verstärkte Hinwendung zur Second-Screen-Nutzung. Das sendezeitunabhängige „online“ fernsehen, ist bei älteren Jugendlichen zwar stärker verbreitet als bei jüngeren (2014: 16/17-Jährige: 25 %, 12/13-Jährige: 20 %), insgesamt aber eher als gering einzustufen. Von der zweiten Möglichkeit machten dagegen zumindest 2013 mehr als die Hälfte der Jugendlichen Gebrauch: Gleichzeitig fernzusehen und mit dem Handy/Smartphone im Internet aktiv zu sein, nimmt zu – insbesondere Kommunikation mit und über Medien ist Trumpf.

Vertrauen in die Tageszeitung

In der JIM-Studie werden auch jedes Jahr Daten zum Thema „Lesen“ erhoben: Die Anzahl derjenigen, die „täglich/mehrmals pro Woche“ in einem Buch lesen, bewegt sich seit Jahren entlang der 40 Prozent-Marke (Minimalwert 2002 und 2007: 37 % / Maximalwert 2011: 44 % / Stand 2014: 39 %), wobei die Schwankungen wohl durch wechselnde jugendaffine Bestseller mitbedingt sind (z. B. „Die Tribute von Panem“).

Der Tageszeitung wird nach wie vor die größte Glaubwürdigkeit von allen Medien bei der informativen Berichterstattung zugesprochen (40 % Tageszeitung, 26 % Fernsehen, 17 % Radio, 14 % Internet). Allerdings ist schwer zu sagen, wie Print- und Onlineangebote von Tageszeitungen differenziert werden und in welchen konkreten Fällen tatsächlich auf eine Tageszeitung zugegriffen wird.

Always online oder einfach mal abschalten?

Handy nervt

Die Frage ist nun, ob und wie sich das Mediennutzungsverhalten der Jugendlichen in nächster Zeit verändert. Wenn das so ist: Was für Handlungsmöglichkeiten gibt es, nachdem Facebook mit dem Zukauf von WhatsApp nun fast ein Kommunikationsmonopol bildet?

Vielleicht in Zukunft doch einfach mal im Abschalten: Viele der befragten Jugendlichen sind nämlich heute schon der Meinung, dass die Beschäftigung mit Apps und Communities auf ihren Smartphones „Zeitverschwendung“ ist (64 %) und die Vielzahl der erhaltenen Nachrichten auch schon mal „total nervt“ (58 %).

Nicht nur die Zeitverschwendung oder das Nervige scheinen Argumente für einen sich abzeichnenden leichten Gegentrend zu sein. Auch die fehlende persönliche (gerätelose) Kommunikation führt dazu, dass in Berlin, München und Wien beispielsweise Cafés aufmachen, die bewusst auf WLAN verzichten und dies auf Schildern folgendermaßen begründen: „Kein WLAN, sprecht miteinander!“

 

 

Kommentar abgeben

Kommentar abgeben

Bitte achten Sie auf höfliche und faire Kommunikation. Mehr dazu unter Blogregeln.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit einem * markiert.

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen und mir ist bewusst, dass meine Daten zur Verarbeitung meines Kommentares gespeichert werden.